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Proteste im Kreis EuskirchenDer Schulterschluss mit den Landwirten am Mahnfeuer

Lesezeit 7 Minuten
Zahlreiche Menschen stehen auf einem Feld zusammen. An einem Traktor im Hintergrund waren Deutschland-Fahnen kopfüber angebracht. Der Landwirt erhielt eine Ordnungswidrigkeiten-Anzeige der Polizei, weil die Flaggen den Bundesadler zeigten und dieses Hoheitszeichen amtlichen Stellen des Bundes vorbehalten ist.

Der Dialog der Landwirte mit der Bevölkerung stand am Samstag beim Mahnfeuer bei Blankenheim im Mittelpunkt. An einem Traktor waren Deutschland-Fahnen kopfüber angebracht. Der Landwirt erhielt eine Ordnungswidrigkeiten-Anzeige der Polizei, weil die Flaggen den Bundesadler zeigten und dieses Hoheitszeichen amtlichen Stellen des Bundes vorbehalten ist.

Hunderte versammelten sich am Samstag bei Blankenheim. Auch Landrat, SPD-Kreischef und viele Bürger zeigen ihre Solidarität.

Wie schon am Montag war die Beteiligung an den Protesten der Landwirte auch beim Mahnfeuer am Samstag bei Blankenheim deutlich höher als erwartet. 450 Fahrzeuge waren es nach Angaben der Polizei am Montag gewesen, nun wurde die Zahl der Teilnehmer laut Polizeisprecher Franz Küpper vor Ort auf 300 bis 400 geschätzt.

Eine Traktorkolonne nach der nächsten fuhr zu dem Mahnfeuer am Abzweig zur L115. Mehr als 100 Fahrzeuge bildeten allein entlang der B51 ein Spalier. Auch hier waren die Solidaritätsbekundungen deutlich: Immer wieder passierten hupende Autos, aus denen Menschen applaudierten.

An einem Traktor waren umgedrehte Deutschlandfahnen angebracht

Und auch hier war alles friedlich. Ein Landwirt zeigte an seinem hochgefahrenem Frontlader umgedrehte Deutschland-Flaggen. Kopfüber gehisste Flaggen sind ursprünglich ein Notfall-Zeichen aus der Seefahrt, inzwischen jedoch auch ein Symbol der Reichsbürger- und Querdenkerszene, die den deutschen Staat ablehnt. Eine Ordnungswidrigkeitenanzeige gab es laut Küpper gegen diesen Landwirt – allerdings nicht wegen der umgedrehten Flaggen, sondern weil diese den Bundesadler zeigten. Diese Hoheitszeichen dürfen nur amtliche Stellen des Bundes verwenden.

Organisator Dieter Michels sagte, dass ihm die Flaggen an dem Abend nicht aufgefallen seien. Wäre er darauf aufmerksam gemacht worden, hätte er dafür gesorgt, dass sie entfernt werden: „Ich distanziere mich wie die meisten meiner Berufskollegen ausdrücklich von rechten Elementen, Reichsbürgern oder Querdenkern.“

Der Abend war für die Landwirte im Kreis Euskirchen wieder ein großer Erfolg

Der Abend war dennoch für Michels und die Landwirte ein erneuter Erfolg, denn sein erklärtes Ziel wurde erreicht. „Am Montag haben wir blockiert, jetzt wollen wir den Austausch“, so Michels. Er sagte, dass es wohl wenig Effekt in Berlin habe, wenn in Blankenheim die A1 blockiert werde. Deshalb solle das Mahnfeuer kein „Martinsfeuer“ sein, sondern Gelegenheit zu Beisammensein und Austausch mit der Bevölkerung bieten.

Dieter Michels trägt eine gelbe Warnweste. Er steht am Rande des Mahnfeuers und telefoniert mit dem Handy.

Nach den Demos rund um die A1-Anschlussstelle Blankenheim am Montag organisierte Dieter Michels auch das Mahnfeuer.

„Wir haben viel Verständnis von anderen Berufsständen und der Bevölkerung bekommen, wir wollen ihnen auch unsere Argumente vermitteln“, sagte er. Ein befreundeter Fuhrunternehmer hatte einen Auflieger und einen Container zur Verfügung gestellt, die Windschutz boten. Geschäfte in Blankenheim stellten Getränke und Grillfleisch bereit. Abgegeben wurde das gegen Spenden: „Wir haben Spendenboxen für den Förderverein für tumor- und leukämiekranke Kinder Blankenheimerdorf aufgestellt.“

Landwirte wollen faire Preise und keine Subventionen

Die zunächst geplante Sternfahrt der Traktoren hatte Michels allerdings im Vorfeld abgesagt. „Am Montag haben einige Teilnehmer, die nicht zu der Gruppe gehörten, die Autobahn blockiert. Ich wollte als Anmelder der Veranstaltung vermeiden, dass ich für eine ähnliche Aktion verantwortlich gemacht werde“, sagte er. Am Montag habe er mit der Polizei gemeinsam dafür gesorgt, dass diese Sperrung beseitigt wurde. „Überhaupt kann ich der Kreispolizei für ihre Kooperation nur einen großen Dank sagen.“

Sechs Männer stehen bei einer Demonstration auf einem Lkw-Anhänger, rechts Landwirt Thomas Gräf. Er spricht in ein Mikrofon.

Von einem Lkw-Anhänger aus wurde eine Kundgebung improvisiert mit Thilo Waasem (v.l.), Markus Ramers, Marco Weber, Dieter Michels, Erich Krings und Thomas Gräf.

Gleich mehrere Politiker hatten sich auf dem Weg zum Veranstaltungsort gemacht. Landrat Markus Ramers, der SPD-Kreisvorsitzende Thilo Waasem, Marco Weber, Landwirt und für die FDP im Landtag von Rheinland-Pfalz, sprachen genauso wie der Blankenheimer Bezirkslandwirt Erich Krings mit den Teilnehmern und gaben auf der auf dem Lkw-Auflieger improvisierten Bühne ein Statement ab. Hier meldete sich auch Thomas Gräf, Landwirt aus Elsig, zu Wort: „Wir dürfen mit den Protesten nicht aufhören, wir müssen weitermachen.“ Nicht nur FDP und SPD hätten Beschlüsse gefasst, die den Landwirten schaden, die Bauern hätten „auch jahrelang unter der CDU gelitten“.

Besonders die letzte Aussage war von vielen Teilnehmern zu hören. Und: Die Landwirte wollten keine Subventionen erhalten, sie wollen faire Preise für ihre Produkte, so der allgemeine Tenor. „Wenn wir wüssten, dass wir über zehn Jahre 40 Cent für den Liter Milch bekommen, dann hätten wir eine ganz andere Planungssicherheit“, so Michels. Um viele Betriebe stehe es nicht zum Besten. „Die Leute sehen immer nur die dicken Traktoren, aber die gehören zu 80 Prozent der Bank.“

Zahlreiche Demonstranten sehen eine „Misere“ in Deutschland

„Ich habe schon mit Berlin telefoniert“, sagte der FDP-Abgeordnete Weber. Die Botschaft sei angekommen, es fehle aber an der Umsetzung. Er sei auch am Montag in Berlin dabei. „Wir diskutieren über das komplette Agrarsystem, wir wollen ordentliche Marktpreise“, betonte er.

Die Stimmung bei den Besuchern war gelöst und heiter. Von Wut war nichts zu spüren. Eher war es Erleichterung, dass jemand die Initiative ergriffen hat, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierungspolitik zu formulieren.

Ein Traktor mit einem Protestplakat fährt im Dunkeln über eine Straße. Hinter ihm sind zahlreiche weitere Fahrzeuge auf dem Weg zum Mahnfeuer in Blankenheim.

Wenn auch langsam, floss der Verkehr auf der B 51 trotz der vielen ankommenden Fahrzeuge reibungslos weiter. Blockadeaktionen blieben aus.

Die Abschaffung der Agrardiesel-Förderung und der Kfz-Steuerbefreiung seien nur die Tropfen gewesen, die das Fass zum Überlaufen gebracht hätten. „Wir haben unseren landwirtschaftlichen Betrieb schon vor Jahren aufgegeben, weil er mit immerhin 30 Tieren einfach zu klein war“, sagte Walter Weingartz aus Lommersdorf. Mit seiner Frau Brigitte, Florian Tamme und Jessica Fassbender stand er am Mahnfeuer. „Die Landwirte haben den ersten Schritt gemacht, aber es betrifft jeden“, sagte Tamme. Für Neuwahlen plädierte Brigitte Weingartz – „aber ist das besser, was dann kommt?“.

Alle Menschen, egal ob Landwirt oder nicht, betreffe „die augenblickliche Misere in Deutschland“, sagte eine Frau aus der Gemeinde Nettersheim. Sie arbeite in der Industrie im Schichtbetrieb – und stelle fest, dass alles immer nur teurer werde, dass die Löhne nicht entsprechend steigen: „Die Leute wissen doch nicht mehr, wie sie alles bezahlen sollen.“ Jetzt werde auch in der Gastronomie alles teuer, dabei habe die noch immer den Schaden von Corona zu bewältigen. Ist ein höherer Lohn für sie die Lösung? Sie hielte Steuererleichterungen für angebrachter.

Ich unterstütze die Forderungen der Landwirte. Wir im Kreis Euskirchen sind stolz auf die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten.
Markus Ramers, Landrat

„Ich unterstütze die Forderungen der Landwirte“, sagte Landrat Markus Ramers. Für die über 1000 landwirtschaftlichen Betriebe, die es noch im Kreis gebe, sei es wichtig, konkurrenzfähig zu bleiben. „Ich betrachte die Entscheidung als Fehler“, betonte er. Allerdings sei als Landrat sein Einfluss auf die Berliner Politik gering, wenn schon die SPD-Ministerpräsidenten kaum Gehör fänden. Die Demonstrationen im Kreis seien gut gelaufen. Besonders positiv sei es, dass die Landwirte sich nicht von rechten Kräften haben vereinnahmen lassen. „Wir im Kreis Euskirchen sind stolz auf die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten“, schloss er.

Der Zusammenhalt im Kreis Euskirchen ist weiterhin groß

Das Kompliment gab Gräf, aktiv bei der Bauernorganisation LSV (Land schafft Verbindung), bei all seiner Kritik an der Politik zurück. So habe Ramers einen Brief bezüglich der Düngemittelverordnung geschrieben, dass diese so für die Landwirte im Kreis nicht umsetzbar sei. „Wie der Kreis Euskirchen die Landwirtschaft unterstützt hat, ist einzigartig in Deutschland“, sagte Gräf. Es sei Wahnsinn, mit welcher Disziplin die Landwirte protestieren. Er dankte für die Unterstützung der Bevölkerung und aus anderen Berufsgruppen.

Am Montag ist Berlin der Treffpunkt für die protestierenden Landwirte, 50000 Teilnehmer werden erwartet. Mit dem Traktor wolle er allerdings nicht dorthin fahren, gestand Gräf. Das habe er schon einmal gemacht, 17 Stunden sei er unterwegs gewesen. Große Hoffnung auf einen deutlichen Kurswechsel macht Gräf sich nicht. „Ich erwarte nichts“, sagte er nüchtern. Aber der Rückhalt sei deutlich gewachsen.

„Morgen werde ich den Stromverbrauch in Deutschland senken, weil ich nicht mehr ständig meinen Akku aufladen muss“, sagte Michels noch am Samstagabend im Scherz über den Dauerbetrieb seines Telefons in den vergangenen Tagen. Doch davon konnte am Sonntagmorgen nicht die Rede sein: „Das Telefon steht nicht still.“ Viele wollten ihm danken, doch das könne er nicht annehmen: „Für den Abend kann sich jeder bei sich selbst bedanken, jeder hat mitgemacht und mitgeholfen.“

Er habe immer noch Gänsehaut, weil die Veranstaltung so gut gelaufen sei und so viele gekommen seien. Bis 0.30 Uhr seien die Menschen am Feuer geblieben. „Dass aus einem kleinen Funken so ein Riesenfeuer von Solidarität und Zusammenhalt entstanden ist, ist ein Wahnsinn“, freute er sich.

Jetzt erreichten ihn viele Anfragen, ob es nicht möglich sei, die Kollegen in Berlin am Montag mit einer Aktion in der Eifel zu unterstützen. „Wir überlegen gerade, ob es möglich ist, im Kreis Daun, wo ich eigentlich herkomme, eine Veranstaltung kurzfristig zu organisieren“, teilte er mit.