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Corona–Ausbruch nach Gottesdienst?Christengemeinde Blankenheim widerspricht Kreis

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Dass in den Räumen der Freien Christengemeinde in Blankenheim am 18. April ein Präsenzgottesdienst stattfand, stößt auf Kritik. Die Gemeinde erklärt, dass die Corona-Schutzmaßnahmen eingehalten wurden.

Kreis Euskirchen – Die Corona-Ausbrüche in Hellenthal und in Blankenheim haben auch am Montag die Gemüter erregt. Die Freie Christengemeinde Blankenheim widerspricht den Aussagen der Kreisverwaltung.

Die hatte am Sonntag mitgeteilt, dass in einer Erwachsenen-Einrichtung in Hellenthal 29 Corona-Fälle aufgetreten seien. Wie inzwischen bestätigt wurde, handelt es sich um die Wohngemeinschaft „Neues Leben“ im Hellenthaler Ortsteil Neuhaus. Da Mitarbeiter der Einrichtung am 18. April den Gottesdienst der Freien Christengemeinde Blankenheim (FCG) besucht hätten und da wohl schon infiziert waren, hatte der Kreis laut der Mitteilung vom Sonntag eine Allgemeinverfügung erlassen und alle Gemeindemitglieder und sonstigen Personen, die den Gottesdienst besucht haben, in häusliche Absonderung geschickt.

„Kreis hat falsch informiert“

„Bisher sind sieben Mitglieder der Gemeinde positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden“, hieß es in der Mitteilung des Kreises. Und: „Am Gottesdienst haben mindestens 300 Gemeindemitglieder teilgenommen.“

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Dieser Zahl widerspricht Johannes Neufeld, Junior-Pastor der Freien Christengemeinde, am Montag vehement. Auch die Aussage des Kreises, es sei keine Teilnehmerliste vorgelegt worden, will Neufeld so nicht stehen lassen: „Der Kreis hat falsch informiert.“ Das habe Anfeindungen in den Sozialen Netzwerken gegen die FCG zur Folge gehabt, so Neufeld. Die Kreisverwaltung teilt unterdessen am Montag auf Nachfrage dieser Zeitung mit, das die Ordnungsverfügung zur Quarantäne ausdrücklich nicht alle Gemeindemitglieder, sondern nur die Teilnehmer des Gottesdienstes betreffe.

„Definitiv keine 300 Menschen“

„Die Zahl 300, die Kreis genannt hat, kommen von einer Liste, die wir dem Kreis geschickt haben“, erklärt Johannes Neufeld von der Freien Christengemeinde. Dabei handele es sich um Menschen aus dem Umfeld der Gemeinde – einschließlich Babys und Kinder. Der Gemeinde selbst gehören 160 bis 170 Erwachsene an, so Neufeld weiter: „Auf dieser Liste waren die Gottesdienstbesucher markiert. Das waren rund 100. Es waren definitiv keine 300 Menschen in diesem Gottesdienst.“

Die Kreisverwaltung erklärt dazu am Montag: „Tatsache ist, dass von den Gemeindeverantwortlichen am 18.04.2021 keine tatsächliche Erfassung der Gottesdienstteilnehmer erfolgt ist.“ Es habe im Vorfeld des Gottesdienstes lediglich die Möglichkeit für Interessierte bestanden, sich digital für den Gottesdienst einzubuchen. „Eine Liste von ,Spontanbesuchern’ ohne vorherige Buchung wurde nicht vorgelegt“, so die Verwaltung. Die 137 Markierungen auf der insgesamt 322 Positionen umfassenden Liste seien „aus dem Gedächtnis“ erfolgt – „zirka eine Woche nach dem Gottesdienst“. Die Liste sei „offensichtlich fehlerhaft“, heißt es aus der Kreispressestelle. Erst an diesem Sonntag habe der Kreis diese Liste erhalten. Sie basiere einzig auf der Erinnerung einer einzelnen Person. Bei den Verantwortlichen des Gesundheitsamtes bestehe daher die große Sorge, dass nicht alle tatsächlichen Teilnehmer des Gottesdienstes darauf stünden.

Gottesdienste unter Corona-Regeln

Die mehr als 300 Personen, deren Namen auf der Liste stehen, sollen nun getestet werden, führt die Kreisverwaltung aus. „Wir versuchen einen Task-Force-Einsatz“, so ein Sprecher.

Der Gottesdienst, so versichert Junior-Pastor Neufeld, habe im Rahmen der Corona-Regeln stattgefunden: „Alle haben vom Parkplatz an eine Maske getragen und dann auch, bis sie wieder in ihrem Auto gesessen haben. Es gab überall Desinfektionsmittel, die Abstände wurden weitestgehend eingehalten, wo es möglich war. Und wir hatten getrennte Ein- und Ausgänge.“ Gesungen habe nur eine Person mit Mikrofon im vorderen Bereich des Gebäudes mit ausreichendem Abstand zum Publikum. „Das hat alles in der Mitteilung des Kreises keine Erwähnung gefunden“, kritisiert Neufeld.

Ausbruch von Mitarbeitern in Wohngemeinschaft?

Fast alle Bewohner infiziert

Am vergangenen Donnerstag ist laut Kreisverwaltung in der Wohngemeinschaft (WG) „Neues Leben“ in Hellenthal-Neuhaus ein erster symptomatischer Corona-Fall ermittelt worden. Rasch seien die Bewohner getestet worden.

Bei den Tests sei herausgekommen, dass sich 29 Personen infiziert hätten. Nach Angaben von Johannes Neufeld, Junior-Pastor der Freien Christengemeinde Blankenheim, die eng mit „Neues Leben“ verbunden ist, leben etwa 30 Menschen in der Einrichtung. Es seien also fast alle betroffen. „Da die Bewohner die Einrichtung nicht verlassen“, so die Kreisverwaltung, „war ein Eintrag durch die Mitarbeiter am wahrscheinlichsten, weshalb auch diese getestet wurden.“

Von zehn Mitarbeitern arbeiten sieben in der Einrichtung, drei in der Verwaltung. „Unter diesen Mitarbeitern waren allerdings auch positive Befunde zu finden“, so der Leiter des Kreis-Gesundheitsamts, Christian Ramolla. Dass die Mitarbeiter regelmäßig die Gottesdienste der Freien Christengemeinde Blankenheim besuchten, sei zunächst nicht angegeben worden.

Im Jahr 2003 wurde die WG „Neues Leben“ nach Angaben der Leitung auf einem Bauernhof in Neuhaus gegründet. Die Gründer haben sich zum Ziel gesetzt, obdach- und wohnungslosen Suchtkranken schnelle und unbürokratische Hilfe zu gewähren. Schwerpunktmäßig biete die WG „Neues Leben“ Suchtkranken, die aus dem russischsprachigen Raum kommen, eine Wohnmöglichkeit und verbinde dies mit einem differenzierten Angebot lebenspraktischer und alltagsbezogener Hilfen zur (Wieder-) Eingliederung in die Gesellschaft.

Neben der WG in Neuhaus mit 30 Plätzen gibt es noch eine WG in Blankenheim für sechs Bewohner. (sch)

Wie aber erklärt er sich dann den Ausbruch in der Christengemeinde? „Das hat unseres Wissens nach nicht unmittelbar mit der Veranstaltung zu tun“, so Neufeld. Die FCG arbeite eng mit der Wohngemeinschaft „Neues Leben“ in Neuhaus zusammen – jener Einrichtung, in der es laut Kreis 29 positive Corona-Tests gab. Neufeld: „Sobald die ersten Symptome dort bekannt geworden sind, sind die Bewohner in häusliche Quarantäne gegangen. Was die leider versäumt haben: Die Mitarbeiter, die teils Kontakt zu den Bewohnern und noch keine Symptome hatten, haben die falschen Schlüsse gezogen und sind dann noch zum Gottesdienst gegangen. Das ist das einzige Versäumnis, dass man den Mitarbeitern nicht gesagt hat: ,Ihr hattet Kontakt zu den Infizierten, geht sicherheitshalber in häusliche Quarantäne’.“

Die positiv Getesteten aus der FCG seien ausschließlich Mitarbeiter der Einrichtung „Neues Leben“ in Neuhaus. Es sei also bisher von keinen Übertragungen im Zusammenhang mit dem Gottesdienst auszugehen, so Johannes Neufeld. Der Gottesdienst am 18. April sei der bislang letzte in Präsenz gewesen, erklärt Neufeld: „Sobald wir von den ersten Symptomen erfahren hatten, haben wir alle Präsenzgottesdienste abgesagt. Normalerweise haben wir dienstags noch ein Gebetstreffen, das hat nach dem Gottesdienst nicht mehr stattgefunden.“

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Wie die Blankenheimer Bürgermeisterin Jennifer Meuren auf Anfrage erklärte, prüfe man die Angaben der FCG, was die Teilnehmerzahl betrifft. „Das angezeigte Sicherheitskonzept sieht eine Teilnehmerbegrenzung auf 130 Personen vor“, so Meuren. Gottesdienste seien grundsätzlich durch die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW gedeckt. Unklar sei derzeit, ob Bußgelder fällig werden könnten, wenn etwa eine Teilnehmerliste nicht ordnungsgemäß geführt worden sein sollte. „Nach ersten Ermittlungen sind die Vorgaben, die in der Corona-Schutzverordnung für Religionsgemeinschaften gegeben sind, nicht bußgeldbewehrt“, so die Bürgermeisterin. In allen bisherigen Gesprächen und Schreiben sei dargelegt, dass alle Vorgaben eingehalten würden, auch im Hinblick auf die Abstandsregeln und damit die Personenzahl.

„Dies haben auch Kontrollen des Ordnungsamtes vor Ort bestätigt“, erklärt Meuren. „Aber personell ist es nicht leistbar, jeden Gottesdienst der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften im Gemeindegebiet zu kontrollieren“, stellte sie klar: „Immer wieder habe ich aber auch persönliche Gespräche geführt und darum gebeten, dass keine Präsenzgottesdienste mehr stattfinden. Leider vergeblich.“ Für sie sei es nicht nachvollziehbar, dass die Bürgerinnen und Bürger Ausgangsbeschränkungen akzeptieren müssten, Schulen und Kitas geschlossen seien – aber Gottesdienste in Präsenz mit einer hohen Personenzahl stattfinden könnten, erklärte Meuren.