Der Natur zuliebeDie Jungjägerin aus dem Eifelland
Eifelland – Laub raschelt unter den Füßen, der Wind rauscht durch die Wipfel, irgendwo singt ein Vogel, dumpf klingt der Lärm der Bundesstraße durchs Gehölz. „Hier ist irgendetwas Großes, Schweres gelaufen.“ Gebannt betrachtet Jessica Faßbender einige Spuren auf dem Waldboden. Vor gut drei Jahren ist sie mit ihren drei Kindern und ihrem Lebensgefährten ins Forsthaus Auelbach gezogen. In ein kleines Haus, versteckt hinter Bäumen an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz – mitten im Ahrtal.
Sie hat einen Nachbarn und ein 8000 Quadratmeter großes Grundstück, 2000 davon sind Wald. Faßbender liebt den Wald. Deshalb machen die 31-Jährige und ihr Lebensgefährte nun den Jagdschein: Sie will ihren Wald besser kennenlernen, damit sie Spuren wie die, die sie jetzt gerade begutachtet, genau zuordnen kann. Oft wisse sie gar nicht genau, was sie da eigentlich beobachte, sagt sie: „Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
Acht Monate Ausbildung
Es ist Dienstagabend. Faßbender und ihr Lebensgefährte sitzen mit 29 anderen Jagdschülern im Klassenzimmer in Eiserfey. Draußen ist es längst dunkel geworden, als Bobby Mohr mit dem Unterricht beginnt. Die Stimmung ist locker und fröhlich. Heute dreht sich alles um Jagdrecht. Bundeswaldgesetz, Landesforstgesetz, Landesjagdgesetz. Wem steht das Jagdrecht zu? Was bedeutet Hege? Woraus besteht die Jagdausübung? All das müssen die Schüler bis April können.
Mohr ist Leiter der Jungjäger-Ausbildung im Kreis Euskirchen. Und die hat es in sich: acht Monate lang zweimal die Woche drei Zeitstunden Unterricht, jeden Samstag Schießübungen, dazu Wald-Exkursionen und Treibjagden. Und das alles neben Beruf und Alltag. „Eigentlich passt es zeitlich überhaupt nicht, aber wir nehmen uns die Zeit“, so Faßbender. Sie ist Schulbegleiterin, ihr Lebensgefährte Berufskraftfahrer. Dann gibt es ja noch die drei Kinder, zwei Hunde, das Haus und der Garten. Aber sie sind nicht die einzigen, die den zeitlichen Aufwand für den Jagdschein gerne in Kauf nehmen: Jedes Jahr bietet die Kreisjägerschaft einen Jagdkurs an und jedes Jahr ist er, so Mohr, voll belegt. Dabei könne er keinen speziellen Typ Mensch ausmachen, der sich besonders für die Jagd interessiere: „Wir haben die komplette Palette aller Berufe, von der Hausfrau bis zur Ärztin.“ Frauen wie Männer kämen zu den Kursen, junge und alte.
Nicht nur um des Schießens willen
Im Kursus wird schnell klar: die wenigsten kommen nur um des Schießens willen. Fast allen geht es wie Faßbender um die Natur. „Ich bin einfach neugierig“, sagt Stephanie Krapp. Der Mann der 51-jährigen Hausfrau ist bereits Jäger. Als er seinen Jagdschein gemacht habe, habe sie dass zunächst ziemlich blöd gefunden, aber: „Mein Bild von der Jagd hat sich komplett gewandelt.“ So sehr, dass sie nun selbst hier sitzt und versucht, sich all die Gesetze und Regeln zur Jagd zu merken. 850 Euro kostet der Kursus bei der Kreisjägerschaft, zuzüglich Fahrtkosten und Kosten für die Munition. Angesichts der Dauer und des Aufwandes des Kurses, sei das noch bezahlbar, findet Mohr.
Alexander Oertel hat sich gleich samt Lebensgefährtin und Schwiegervater zum Kursus angemeldet. Für sie ist der Jagdschein ein Familienprojekt. „Naturverbunden ist hier jeder, sonst würde es keiner machen“, sagt er. Zudem gefalle ihm auch das Jagen. „Ich koche gerne, auch regional“, so der Lessenicher.
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„Ich glaube nicht, dass ein Jäger Vegetarier ist“
Da ist noch etwas, was die Teilnehmer eint: Wild finden sie nicht nur spannend in der Natur, sondern auch lecker. „Ich glaube nicht, dass ein Jäger Vegetarier ist“, meint Krapp. Sie alle hätten den Jagdschein auch in einem dreiwöchigen Schnellkursus machen können, aber davon hält das Trio nichts. Auch wenn es oft schwer sei, sich abends noch zu konzentrieren, so Oertel.
Faßbender atmet tief ein und schließt die Augen. Sie sitzt an ihrer Lieblingsstelle im Wald – auf einer großen Korbschaukel. Sie hat sie dort aufgehängt, musste sich durch Dornengestrüpp kämpfen, um dort hin zu kommen: Faßbender hat einen großen Teil ihres Gartens mit Absicht verwildern lassen. Sie hofft, dass so die Wildtiere näher ans Haus kommen. „Was gibt es schöneres, als morgens beim Kaffee die Tiere zu beobachten“, schwärmt sie. Mehr wird sie in ihrem Wald allerdings auch mit dem Jagdschein nicht machen können – „leider“, sagt sie. Fürs Jagen ist ihr 2000 Quadratmeter großes Waldgebiet halt zu klein.
Das Grüne Abitur
Wenn der Jagdkurs im April endet, müssen Jessica Faßbender und ihre Mitstreiter eine schriftliche und eine mündliche Prüfung sowie eine Schießprüfung ablegen. Die schriftliche Prüfung wird landesweit zeitgleich abgehalten. „Damit die Jäger aus Dortmund den Euskirchenern nicht die Aufgaben verraten“, sagt Bobby Mohr.
Sollte ein Teilnehmer die schriftliche Prüfung nicht bestehen, sei er durchgefallen, so Mohr. Dann könne derjenige die Prüfung erst im nächsten Jahr wiederholen. Falle einer die mündliche Prüfung nicht bestehe, könne er sie nach drei Monaten erneut ablegen. Die Schießprüfung könne sofort wiederholt werden, so der Jäger. Der Jagdschein heiße nicht ohne Grund, „Grünes Abitur“.
Seit fünf Jahren ist Mohr Ausbilder in Riehen der Kreisjägerschaft Euskirchen. Mohr ist selbst Jäger, sein Fachgebiet ist das Jagdrecht. Der Jagdkurs beginnt in jedem Jahr im September. Die Nachfrage ist so groß, dass Mohr einen neuen Raum sucht. Der bisherige Unterrichtsraum in Eiserfey sei eigentlich schon für 30 Leute viel zu klein, so Mohr. In diesem Jahr sind es sogar 31 Teilnehmer. „Wir suchen noch nach einer möglichst zentral gelegenen Einrichtung im Kreis“, sagt Mohr. (jre)