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DigitalisierungGrundschulen lernen digital – Medienkoordinator für jede Schule

Lesezeit 6 Minuten

Na, alles verstanden? In der Sistiger Pilotklasse 2b probiert Marcella Willms mit den Kindern die Tablets aus.

  1. Das Schulministerium stellt Geld für Digitalisierung zur Verfügung, auch und besonders für Grundschulen.
  2. Im Kaller Planungsausschuss wurde darüber beraten, die Grundschule Sistig mit digitaler Technik auszustatten.
  3. Die Schüler sollen so den fachgerechten Umgang mit digitalen Medien früh genug lernen.

Kall-Sistig – Jetzt hat die Digitalisierung auch die Grundschüler erreicht: Im Kaller Planungsausschuss wurde darüber beraten, die Grundschule Sistig mit digitaler Technik auszustatten. In ihrer Vorlage schreibt die Verwaltung, die beiden Grundschulen Kall und Sistig würden sich zunehmend digitalisieren, um auch „einen modernen und zeitgemäßen Unterricht“ anbieten zu können. Der Einsatz digitaler Medien in Schule und Unterricht sei „unerlässlich“. Die Schüler lernten den fachgerechten Umgang mit digitalen Medien auch sehr gerne und sehr erfolgreich.

iPads für acht Klassen

Die Diskussion ging dann auch in erster Linie darum, wie man an die erforderliche Technik gelangen könne. Bürgermeister Hermann-Josef Esser (CDU) sagte, es handele sich um ein Angebot des Trägers an die beiden Schulen. Die Kommunale Datenverarbeitungszentrale (kdvz) Rhein-Erft-Rur, die für die Gemeinde Kall auch das Ratsinformationssystem bereitstellt, habe seit zehn Jahren Erfahrung in diesem Bereich und könne den Schulen maßgeschneiderte Lösungen präsentieren, die auch den nötigen Support einschließen.

Wie Heike Alfeis, die Leiterin der Grundschule Sistig, erläuterte, soll jede der acht Klassen jeweils vier Tablets und ein Lehrertablet erhalten. Finanziert werden sie durch das Programm „Gute Schule 2020“. Außerdem wird in jedem Klassenzimmer ein großer Bildschirm installiert, über den die gesamte Klasse Informationen erhält.

Pilotprojekt in der 2b

Die Medienbeauftragte Marcella Willms, die im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Klasse 2b bereits die Technik ausprobiert, sagte, man habe sich verschiedene Systeme angesehen, sowohl mit Apple- und Microsoft- als auch mit Android-Betriebssystem. Die Wahl sei letztendlich auf Apple gefallen, weil man diese Technik am besten finde.

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Doch nicht nur technische, auch pädagogische Fragen kamen zur Sprache. Grundschulleiterin Heike Alfeis machte deutlich, dass die Grundschule ein Ort sei, wo eine Basis gelegt werde. „Ich sehe nicht, dass wir in zwei oder drei Jahren jedem Kind ein Tablet in die Hand geben müssen“, meinte sie und ergänzte: „Ich werde Wert darauf legen, dass die Kinder aus Büchern lernen.“

Gleichzeitig, so Alfeis weiter, sei es aber auch notwendig, dass man nicht der Entwicklung hinterherlaufe. „Wir werden langsam reinwachsen. So probieren wir in einer Klasse das Leselernprogramm ’Antolin’ aus.“

Tippen auf dem Tablet

Ortstermin in der Grundschule: Marcella Willms demonstriert, wie die neue Technik in den Unterricht integriert wird. Es ist Lesestunde, alle schmökern eifrig in einem Buch. Diejenigen, die das Tablet ergattern konnten, müssen Multiple-Choice-Fragen beantworten, die ihnen das Programm „Antolin“ stellt.

Auch die siebenjährige Lila beantwortet entsprechende Fragen. Dabei wird getestet, ob die Schüler den Inhalt der gelesenen Bücher verstanden haben. Wenn sie die richtigen Kreuzchen auf dem Rechner gesetzt hat, winken Punkte und damit Leseperlen für den eigenen Bücherwurm, der zusammen mit anderen an einer Schnur hängt.

Kleine Anreize

„Bei 9000 Punkten gab es zur Belohnung schon mal eine Kinostunde“, erläutert Willms lächelnd. Die Bücher würden also nicht aus der Schule verbannt. Allerdings werde der Bildungsauftrag ausgeweitet. So lernen die Kleinen bereits ganz früh, wie man seinen Namen in eine Maske eintippt oder wie man mit einer Kindersuchmaschine recherchieren kann. „Zum Lesen und Schreiben lernen bräuchten sie das nicht“, konstatiert Willms. Aber das Lesen werde so auch durch die digitale Unterstützung gefördert.

Altbackenes Papier

Die achtjährige Daria schmökert hingebungsvoll in ihrem Buch. Schnell wird klar, warum. Es geht um Pferde, und sie liebt diese Tiere. Stolz zeigt Daria, wie sie mit dem Finger als Lesehilfe durch die Zeilen fährt. Sie kann recht flüssig lesen und hat auch offenbar die Erfahrung gemacht, dass ein papiernes altbackenes Büchlein durchaus etwas mit ihrer eigenen Welt zu tun hat.

Digitale Kompetenz

„Zu Hause lernen die Kinder eher den genussvollen Umgang mit dem Digitalen kennen. Denn dort spielen sie jede Menge Spiele mit den Geräten. Deshalb ist es wichtig, ihnen den sinnvollen Einsatz der Technik und das kritische Reflektieren der Aussagen von Sozialen Netzwerken beizubringen“, sagt Willms.

Schulleiterin Alfeis meint, sie selbst könne wissenschaftliche Studien, die vor digitalen Lehrmitteln warnen, nicht beurteilen. Sie wisse jedoch: „Es geht nichts über das echte Buch.“

Die Schulrätin des Kreises, die dem Land untersteht, wollte sich nicht zum Thema äußern. Auf Anfrage nahm schließlich das NRW-Kultusministerium detailliert Stellung (siehe „Jede Schule soll einen Medienkoordinator bekommen“).

Jede Schule soll einen Medienkoordinator bekommen

In Ponyfreundegeschichten ganz klassisch auf Papier kann man sich herrlich intensiv hineinversenken.

Das Schulministerium NRW hat erkannt, wie wichtig es ist, dass Grundschüler besser lesen lernen. FDP-Ministerin Yvonne Gebauer sagte dazu: „Lesen zählt zu den wichtigsten Fähigkeiten, die Kinder in den Grundschulen erwerben, und ist für eine erfolgreiche Bildungsbiografie unverzichtbar.“

Studien belegten, dass man in ganz Deutschland deutlich besser werden könne und müsse. Die Landesregierung werde neben den Kernkompetenzen Schreiben und Rechnen auch das Lesen wieder stärker in den Fokus rücken. Gebauer: „Dafür arbeiten wir aktuell an einem Masterplan Grundschule, den wir noch in diesem Jahr vorstellen werden.“

Aus dem Ministerium hieß es dazu gegenüber dieser Zeitung, die Ministerin habe im März einen verbindlichen Grundwortschatz zur Stärkung des Rechtschreibunterrichts in der Grundschule vorgestellt. Zu kritischen Einschätzungen, was digitale Lernmittel angeht, äußerte sich das Ministerium trotz Anfrage dieser Zeitung allerdings nicht.

Digitale Lernmittel und digitale Endgeräte müssten immer in ein pädagogisches Konzept eingebettet werden, hieß es jedoch aus dem Ministerium. Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern es gelte, deren Vorteile zu nutzen. In Nordrhein-Westfalen müssten alle Schulen bis zum Ende des Schuljahres 2019/20 ein pädagogisches Medienkonzept erarbeiten, aus dem hervorgehe, wie sie die digitalen Medien im Unterricht einsetzen wollten.

Bereits jetzt sei das Lernen mit digitalen Medien in allen Lehrplänen verankert. Seit Mai 2019 sei es in NRW außerdem verpflichtender und prüfungsrelevanter Bestandteil der schulpraktischen Lehrerausbildung. Und es gebe eine Fortbildungsoffensive für Lehrer.

Die Schulen unterstützt das Land mit dem bereits von der rot-grünen Landesregierung 2016 gestarteten Investitionsprogramm „Gute Schule 2020“, das auch für eine digitale Modernisierung genutzt werden kann. Es handelt sich um ein Kreditprogramm in Höhe von zwei Milliarden Euro.

Innerhalb von vier Jahren kann jede Kommune daraus eine ihr zugebilligte Summe nutzen – der Gesamtbetrag wird auf vier Jahre aufgeteilt. Die Kredite müssen aber nicht von den Kommunen zurückgezahlt werden, sondern das Land übernimmt dies.

Von 2017 bis 2020 gibt es folgende Kreditkontingente für die hiesigen Kommunen: Bad Münstereifel: 1,3 Millionen Euro, Blankenheim: 785 000 Euro, Dahlem: 501 000 Euro, Euskirchen: 4,7 Millionen Euro, Heimbach: 509 000 Euro, Hellenthal: 485 000 Euro, Kall: 496 000 Euro, Mechernich: 2,4 Millionen Euro, Nettersheim: 464 000 Euro, Schleiden: 1,2 Millionen Euro, Weilerswist: 1,1 Millionen Euro, Zülpich 1,4 Millionen Euro. Der Kreis Euskirchen kann knapp fünf Millionen Euro investieren, der Kreis Düren 5,6 Millionen und der Landschaftsverband Rheinland 46,4 Millionen Euro. Hinzu, so das Schulministerium, kommen Mittel aus der Schulpauschale und dem Kommunal-Investitionsfördergesetz.

Außerdem wird Nordrhein-Westfalen aus dem Digitalpakt des Bundes eine Milliarde Euro erhalten. 180 Medienberater des Landes sind derzeit als Ansprechpartner für die Schulen und Schulträger zur Schulentwicklung in der digitalen Welt tätig.

Schrittweise soll für jede Schule ein Medienkoordinator qualifiziert werden, der dann als Motor für digitale Bildung an den einzelnen Schulen wirkt.