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25 LeitprojekteKonzept soll Folgen des Klimawandels in Euskirchen im Zaum halten

Lesezeit 7 Minuten

Experten erwarten häufigere Starkregenereignisse im Kreis. Vor den Folgen gilt es sich zu schützen.

Kreis Euskirchen – Eine Arbeitsgruppe „Klimawandelanpassung“ dürfte ziemlich rasch zu etablieren sein. Der Bau von Regenrückhaltebecken oder die Veränderungen an Gebäuden sind jedoch mindestens genau so dringlich, werden wohl aber länger dauern – und ganz nebenbei auch um einiges teurer sein.

Die gute Nachricht: Vieles ist möglich, um die Folgen des Klimawandels im Zaum zu halten. Die nicht ganz so gute: Einiges wird Zeit brauchen – und die ist knapp.

Es geht um die Gesundheit der Menschen im Kreis, um Tiere, Natur und Eigentum. Wenn die Temperaturen weiter steigen, die Tropennächte, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad fällt, sich häufen, und wenn Schnee im Winter selten und Hitze im Sommer Alltag werden, muss man sich darauf einstellen. Von 1952 bis heute stiegen die Durchschnittstemperaturen im Kreis von 7,5 auf etwa 9,5 Grad, so die Experten. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen. Klimaschutz könne sie nur noch abbremsen, nicht stoppen. Also gelte es, damit umzugehen.

Klimawandelanpassungskonzept

25 Leitprojekte zählt das 327 Seiten starke „Klimawandelanpassungskonzept für den Kreis Euskirchen und seine Kommunen“ auf, um die Folgen des Klimawandels möglichst im Zaum zu halten. Am Donnerstag dieser Woche wollen sich die Mitglieder des Kreis-Planungsausschusses damit befassen.

Sie beraten über ein Projekt, wie es selten eines im Kreis gegeben hat, was Dauer, Kosten und Dringlichkeit angeht. „Die Leitprojekte“, schreiben die Autoren der B.A.U.M. Consult GmbH aus Hamm den Verantwortlichen ins Gewissen, „sollen in den kommenden 3-5 Jahren begonnen und weitgehend umgesetzt werden.“

Die Experten haben den Kreis intensiv unter die Lupe genommen und markiert, wo er schon ganz gut unterwegs ist, aber auch, wo größerer Handlungsbedarf besteht.

Leider passen Dringlichkeit und das mögliche Tempo bei der Umsetzung nicht immer zusammen. Hier einige der Vorschläge, sortiert von sehr dringlich (Stufe 1) über mitteldringlich (2) bis zu nicht ganz so dringlich, aber auch wichtig (3):

Dringlichkeitsstufe 1

Das Wichtigste überhaupt: Informationen. Kreis und Kommunen wollen den Weg der Klimaanpassung gemeinsam gehen – und ohne die Bevölkerung geht nicht viel. Gute Informationen sind daher unverzichtbar, um die Bereitschaft für die Maßnahmen zu schaffen. Daher stehen Infoveranstaltungen und Kampagnen, die auch die Chancen durch die Projekte aufzeigen, ganz oben im Aufgabenheft des Kreises.

Der Blick auf die Kahlflächen zeigt: Eine klimaangepasste Waldbewirtschaft ist dringend geboten. Aber wie bei der Wasserrückhaltung ist höchstens ein Teil kurzfristig zu machen, der Rest eher mittelfristig. Dabei, so die Autoren, leiden die waldreichen Eifellagen heute schon enorm unter den Klimaveränderungen. Eine systematische Auswertung von Versuchen mit klimaangepassten Arten braucht aber Zeit. Umso wichtiger, damit zeitig anzufangen. Auch der möglichst flächendeckende Umstieg auf Pflanzen, die wenig Wasser brauchen, klappt nicht von heute auf morgen.

„Es werden Testpflanzungen von klimarobusten Pflanzenarten (nicht nur Bäumen) im Kreis an verschieden betroffenen Standorten (z.B. Hitze, Trockenheit, Starkregen, Wind, Borkenkäfer, Abstrahlung von Asphalt, Schadstoffeintrag) durchgeführt“, schlagen die Experten vor.

Ebenso sind Gebäude nicht mal eben so umzugestalten, dass sie gut gekühlte Räume aufweisen – und das ohne klimaschädliche Technik. Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes an die (Bau-)Substanz.

Öffentliche Liegenschaften könnten vorangehen, finden die Gutachter: „Nachahm-Effekte im Privatsektor sind ausdrücklich erwünscht.“ Es braucht auch Zeit, um eine umfassende Bauleitplanung klimafreundlich zu gestalten. Doch weniger versiegelte Flächen, Freiluftschneisen oder Dach- und Fassadenbegrünungen sind wichtig. Die Verbindung von Biotopen sehen die Gutachter ebenfalls als sehr dringlich an, aber auch nur als mittel- und langfristig realisierbar.

Dringlichkeitsstufe 2

In Kommern und an anderen Orten wissen die leidgeprüften Einwohner spätestens seit 2016, was vollgelaufene Keller oder Erdgeschosse bedeuten. Hier könnte ein Starkregenpass helfen, der den Schutz des eigenen Grundstücks gegen heftige Niederschläge verbessern soll. „Im Zuge des Klimawandels ist mit einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen zu rechnen“, schreiben die Autoren. Das sei auch kurzfristig machbar: „Gebäude, welche nach der Beratung durch einen Starkregenkundigen an die Risiken angepasst wurden, könnten mit einem Starkregenpass ausgestattet werden.“

Quantensprung oder Verschleppung

Das Thema Klimawandelanpassung geht nun in die politischen Beratungen. Zur Sitzung des Ausschusses für Planung, Nachhaltigkeit und Mobilität an diesem Donnerstag wartet die Mehrheitsliste von CDU, FDP und UWV mit einem Antrag auf, der unterschiedlich bewertet wird. Während CDU-Fraktionsvize Günter Weber von einem „Quantensprung“ in Sachen Klimaanpassung spricht, sieht Grünen-Fraktionschef Jörg Grutke darin eine „Verschleppung“ bei der Realisierung konkreter Schritte. „Die wissen immer noch nicht, was die Stunde geschlagen hat“, sagt Grutke.

Das weist Weber zurück: „Wir orientieren uns natürlich an den Leitprojekten, die im Klimaanpassungskonzept vorgestellt werden.“ Das sei ein großartiges Papier, weil es die Auswirkungen des Klimawandels punktgenau für den Kreis beschreibe und ebenso punktgenau Vorschläge zur Anpassung unterbreite. In der Präambel ihres Antrags bekunden die drei Fraktionen ihren Willen, den Zielen der Klimaanpassung gemäß zu handeln. Er sei in gleichem Maße zu beachten wie die Belange des Umwelt- und Naturschutzes, die soziale Sicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes.

Dass das nicht nur hehre Worte seien, zeige die Bereitschaft der Listengemeinschaft, die notwendigen finanziellen Mittel für Maßnahmen sowie die personelle Ausstattung in den kommenden Haushaltsjahren zu sichern. Die Kreisverwaltung soll der Politik bis Herbst einen Vorschlag machen, wie die Projekte Klimaschutz, Klimawandelanpassung und „Global Nachhaltige Kommune“ organisatorisch und personell effizient verzahnt werden können. Die in den Haushalten 2020 und 2021 im Projektansatz Klimaschutz noch vorhandenen freien Mittel sollen nach dem Willen der Listengemeinschaft bedarfsweise auch für das Projekt Klimawandelanpassungskonzept eingesetzt werden.

„Uns ist bewusst, dass es sich um eine Mammutaufgabe handelt“, sagt Weber. Allein schon der Bau weiterer Regenrückhaltebecken, um die Bürger besser vor Überschwemmungen zu schützen, werde viel Geld kosten. „Die antragstellenden Fraktionen erklären ihre grundsätzliche Bereitschaft, im Haushalt 2022 notwendige Sach- und Personalbudgets zur Verfügung zu stellen“, heißt es in dem Antrag. Über die Höhe solle entschieden werden, wenn die Verwaltung ihre Vorschläge vorgelegt habe. „Wenn sich die Möglichkeit ergibt, noch im Haushaltsjahr 2021 Fördermittel für einen Klimawandelanpassungs-Manager zu erhalten, stehen wir diesem Vorhaben auch jetzt schon positiv gegenüber“, stellen die Fraktionen CDU, FDP und UWV in ihrem Antrag klar. (sch)

Wie fast alle Lebensbereiche ist auch die Arbeit vom Klimawandel betroffen. Das betrifft die Beschäftigten, aber auch die Arbeitgeber: Mitarbeiter im Hitzestress sind öfter krank und weniger leistungsfähig. Werkshallen und Büros sollten also so umgestaltet werden, dass die Mitarbeiter im Kühlen arbeiten, ohne dass die Unternehmen Unsummen für die Kühlung der Gebäude ausgeben müssen – vom Schaden fürs Klima ganz abgesehen. Und sollte Schlechtwettergeld für Dachdecker nicht auch auf die Hitze im Sommer ausgeweitet werden? Mittelfristig bedürfe es auch eines Konzepts zur Vermeidung und Bekämpfung von Vegetationsbränden, so die Autoren der Studie. Auch die klimaangepasste (Um)gestaltung von Gewerbegebieten – sowohl der bestehenden als auch der in der Entwicklung befindlichen – ordnen die Experten aus Hamm in die mittlere Dringlichkeitsstufe ein. Eine Umsetzung sei mittelfristig möglich.

Dringlichkeitsstufe 3

Wenn es um den Schutz der Menschen im Ernstfall geht, kann sich der Kreis auf die ehrenamtlichen und beruflichen Retter verlassen. Daher steht die Sicherung der Einsatzfähigkeit der Feuerwehren und Hilfsorganisatoren nicht ganz oben auf der Agenda, dürfe aber auch nicht aus den Augen verloren werden, stellen die Fachleute klar: „Extremwetterbedingte Einsätze von Feuerwehren, Hilfsorganisationen und dem Technischen Hilfswerk nehmen durch den Klimawandel an Intensität und Häufigkeit zu.“

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Ganz unten auf der Prioritätenliste steht im Übrigen der Bereich Klima – Landwirtschaft – Ernährung. Warum? Die Kategorie „Alternative Wege in der Landwirtschaft“ wird eigens aufgeführt (Stufe 2).

Bei der Ernährung seien vor allem die Verbraucher gefragt. „Um ein Umdenken in der Bevölkerung zu erzielen, ist es wichtig, bereits Kinder und Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren“, schreiben die Gutachter. Hier sind viele Kitas und Schulen schon aktiv. Und oft lernen Kinder ja schneller als Erwachsene.