„Es ist nichts besser geworden“Anwohner des Viehplätzchen Viertels sind frustiert
- Als Yasemine und Marco Engel ins Viehplätzchen Viertel zogen, reizte sie die Nähe zur Innenstadt.
- Die damals bevorstehende Sanierung nährte die Hoffnung auf ein angenehmes Umfeld. Heute, nachdem vier Millionen Euro in die städtebauliche Schönheitsoperation geflossen sind, sehen sie sich dieser Hoffnung beraubt.
Euskirchen – Wenn Euskirchen die Stadt mit Gesicht ist, wie es in der Eigenwerbung heißt, präsentiert sich die Bischofstraße an diesem Montagnachmittag nicht als Schokoladenseite. Unzählige Bierflaschenverschlüsse und Zigarettenstummel liegen umher. Irgendjemand hat seine Mülltonne auf dem Bürgersteig ausgekippt und auf dem Viehplätzchen bilden Schnapsflaschen und Kunststoffbecher ein Stillleben, das auf die zwei Männer hinweist, die eben hier noch getrunken, wild gestikuliert und ziemlich laut gesprochen haben.
„Im Sommer ist das noch viel schlimmer“, sagt Yasmine Engel. Kürzlich haben sie und ihr Mann in dieser Zeitung gelesen, dass der Euskirchener CDU-Chef Klaus Voussem die große Sanierung des Viertels als zum Teil gescheitert bezeichnet hat. „Wir wollen nicht, dass das Thema nun wieder in der Versenkung verschwindet“, sagt Marco Engel.
Das Ehepaar sitzt am Esstisch, auf der Wohnzimmercouch lümmeln sich die Katzen. Sie haben es sich nett gemacht in ihrem Haus. Vor etwas mehr als acht Jahren haben die Engels es gekauft. „Die Nähe zum Stadtzentrum“, erinnert sich Yasmine Engel, „hat uns gefallen - und das tut sie auch heute noch.“ Das war einer Gründe, vom Dorf in die Stadt zu ziehen. Die damals bevorstehende Sanierung nährte die Hoffnung auf ein angenehmes Umfeld. Heute, nachdem vier Millionen Euro in die städtebauliche Schönheitsoperation geflossen sind, sehen sie sich dieser Hoffnung beraubt. „Es ist nicht besser geworden“, sagt Yasmine Engel: „Eher schlechter.“
Unweit ihres Hauses blühe in einer Wohnung der Drogenhandel und -konsum – inklusive Nebenerscheinungen. „Andauernd werden Dealer gerufen, wenn jemand neuen Stoff braucht“, erzählt Yasmine Engel. Wie zum Beweis hallen die Namen auch während des Gesprächs durchs halb geöffnete Fenster. Hin und wieder finde sie Spritzen vor dem Haus, berichtet Yasmine Engel. Die Hausfassade hätten sie ja gerne erneuert, sagt ihr Mann: „Aber wofür? Damit sie wenig später wieder so aussieht wie jetzt?“ Von einigen der Nachbarn hätten sie ähnliches gehört – trotz finanzieller Hilfen der öffentlichen Hand. Dabei zeigt er auf die Flecken, die durch wildes Urinieren entstanden seien.
Die Stadtverwaltung zeigt Verständnis für die Sorgen. „Bei der Umgestaltung des Platzes wurde natürlich auch eine gewisse Aufenthaltsqualität berücksichtigt, in der Annahme, dass auch die Bewohner ,ihren’ Platz nutzen werden“, teilt Stadtsprecherin Silke Winter mit: „Es ist jedoch meines Erachtens davon auszugehen, dass die ,problematische Klientel’ sich auch ohne Sitzgelegenheiten dort versammeln würde.“
Marco Engel fühlt sich alleingelassen. „Die Alkohol- und Drogensüchtigen treten in Gruppen auf“, sagt er: „Dagegen richte ich als einzelner Anwohner nichts aus.“ Auch den Behörden scheinen die Hände gebunden. „Wenn wir jemanden sehen, der so betrunken ist, dass er sich oder andere in Gefahr bringen könnte, nehmen wir ihn zur Ausnüchterung mit“, sagt Polizeisprecher Lothar Willems. Aber Alkoholgenuss auf einem Platz sei nicht verboten.
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Das Ehepaar Engel denkt hin und wieder über einen Umzug nach. „Einige Nachbarn haben das schon gemacht“, erklärt Yasmine Engel. Doch das Umfeld drücke den Preis. Das Geld, das sie vor acht Jahren für das Haus bezahlt hätten, würden sie heute nicht mehr bekommen – die Ausgaben und die Arbeit, die sie in das Innere des Hauses gesteckt haben, erst recht nicht. Stattdessen rechnen sie nun mit einem Bescheid der Stadt. „Wir werden wohl 5000 Euro Anliegerbeitrag zahlen müssen“, sagt Marco Engel – für eine Viertel-Sanierung, die ihre Lebens- und Wohnqualität keineswegs gesteigert habe.
Drei Verbesserungsvorschläge von Ehepaar Engel und was die Stadt dazu sagt
Alkoholverbot
„Es gibt doch Städte, die auf bestimmten Plätzen den Alkoholkonsum verbieten“, sagt Yasmine Engel. Stadtsprecherin Silke Winter erklärt dazu: „Nach intensiver Prüfung wird aufgrund der aktuellen Gesetzeslage keine rechtliche Möglichkeit für ein solches Alkoholverbot im Viehplätzchenviertel gesehen.“ In einem ähnlichen Fall habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf für die Innenstadt Duisburg ein solches Alkoholverbot gekippt, so Winter.
Markt
Könnte ein Wochenmarkt den Platz für schwierige Klientel uninteressant machen, fragen Yasmine und Marco Engel. Die Marktsituation in Euskirchen sei rückläufig, gibt Silke Winter zu bedenken. Das Viehplätzchen werde schwächer von Laufkundschaft frequentiert als der Klosterplatz, daher sei es weniger attraktiv für einen Markt. Sollten Beschicker aber Interesse haben, dort einen Markt auszurichten, „würde die Stadtverwaltung dies grundsätzlich natürlich unterstützen“.
Höhere Bußgelder
Er habe gesehen, wie die Stadtsoldaten mühevoll die Kippen, die zwischen den Pflastersteinen aufheben. „Während die Mitarbeiter der Stadt das machten, warfen die trinkenden Männer demonstrativ neue Kippen zur Erde“, beschreibt Engel seine Beobachtung: „Das ist einfach respektlos“, so Engel. Und es ist offenkundig kein Einzelfall. „Derartige Vorkommnisse gibt es leider“, bestätigt Silke Winter: „Grundsätzlich sprechen auch die Mitarbeiter der Technischen Dienste in der Regel die Verursacher an, wenn sie solches Verhalten bemerken, jedoch ist dies leider meist aussichtslos.“ Es sei beabsichtigt, eine Satzung zu erlassen, um den Mitarbeitern des Ordnungsamtes eine bessere Handhabe zu geben. Hierzu zählt auch die Festlegung von höheren Bußgeldern. Die Satzung soll noch vor der Sommerpause beraten und beschlossen werden. Die Verwaltung werde in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses Eckpunkte hierzu mitteilen.