Ausnahmezustand in der ZUESo erleben Geflüchtete die Quarantäne in der Corona-Krise
- Nachdem in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Euskirchen 48 der 300 Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet wurden, steht sie unter Quarantäne.
- In Euskirchen dürfen die Bewohner das Gelände nicht mehr Verlassen. Wir haben uns umgeschaut und gefragt, wie sie den neuen Alltag in der Corona-Krise erleben.
- Auch elf DRK-Mitarbeiter wurden infiziert. Jetzt gilt es, auch die Unterkunft in Schleiden vor Neuinfektionen zu schützen.
Kreis Euskirchen – Wie schaffen es Menschen, die unter traumatischen Erfahrungen leiden, ihre Heimat verlassen mussten und in eine völlig neue Welt eintauchen, Corona und die Quarantänemaßnahmen zu überstehen? Mit dieser Frage müssen sich die Kölner Bezirksregierung und der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes beschäftigen. Das DRK hat für die Zentralen Unterbringungseinrichtungen (kurz: ZUE) in Vogelsang und Euskirchen sowie das Ausweichquartier in Hellenthal – dort wurden 50 corona-freie Flüchtlinge aus Euskirchen untergebracht – den Betreuungsauftrag.
Die Euskirchener ZUE steht unter Quarantäne. Jetzt gilt es, auch die Unterkunft in Schleiden vor Neuinfektionen zu schützen. Das ist der Plan von Rolf Klöcker, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes, nachdem sich in Euskirchen 48 der 300 Bewohner mit dem Coronavirus infiziert hatten. Glücklicherweise mussten nur wenige ins Krankenhaus, einer erkrankte schwer.
Ein Infizierter in Vogelsang
Klöcker ist bewusst, dass dieses Virus kaum einzuschätzen ist: „Elf DRK-Leute haben sich ebenfalls infiziert.“ Dafür seien neun zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden. Doch der Ausfall der elf Kollegen könne nicht kompensiert werden, da Corona für einen erheblichen Mehraufwand sorge. In Vogelsang gab es bisher einen Corona-Fall. Da der Mann zuvor für kurze Zeit außerhalb der Einrichtung untergebracht war, hatte man ihn bei der Rückkehr vorsorglich direkt in Quarantäne gesteckt und dann getestet.
Im Gegensatz zu Euskirchen, ist die Vogelsanger Einrichtung einsam in den Eifel-Wäldern gelegen. Jetzt erweist sich die Abgeschiedenheit als Vorteil. Die Bewohner kommen raus in die Natur. In Euskirchen fällt es den Bewohnern schwer, sich nur noch in den Zimmern aufzuhalten. Nur zeitlich begrenzt dürfen kleine Gruppen auf den Hof an die frische Luft. Das Verlassen des Geländes ist verboten.
Rolf Klöcker: Aufenthaltsdauer in der ZUE dürfte sich erhöhen
„Eingesperrt wird hier normal niemand“, so Klöcker, „aber das Rein- und Rausgehen wird kontrolliert.“ Um die Ausnahmesituation zu entspannen, haben Bezirksregierung und DRK die an Corona Genesen nach Hellenthal gebracht. Diejenigen haben die Quarantäne und den damit verbundenen Lagerkoller hinter sich gelassen.
Wenn es nicht zu weiteren Erkrankungen kommt, soll in Euskirchen die Quarantäne in den nächsten Wochen stufenweise gelockert werden. Durchschnittlich halten sich Geflüchtete vier bis fünf Monate dort auf. Länger als 18 bis 24 Monate soll niemand in einer ZUE bleiben. „Da jetzt die Anträge längere Bearbeitungszeiten haben, wird sich die Verweildauer sicherlich erhöhen“, befürchtet DRK-Geschäftsführer Klöcker. Neuaufnahmen und Rückführungen in die Herkunftsländer gibt es während der Corona-Pandemie nicht.
Vor einigen Tagen wurde in der Einrichtung ein Mädchen geboren
Unter normalen Umständen gibt es ein großes Angebot zur Alltagsgestaltung. Fußballspielen mit den örtlichen Vereinen, Schwimmen, Sport in unterschiedlichster Form, Ausflüge, Frauencafé, Nähstube, Gesprächsangebote, Kinderbetreuung, Fahrradverleih, aber auch Deutschkurse, Gemeinschaftskunde und die Vorbereitung auf die Integration gehören dazu.
Wie lebendig es auf Vogelsang zugeht, wird deutlich, als eine Hebamme durchs Tor gelassen wird. Vor wenigen Tagen ist zur Freude aller ein Mädchen geboren worden. In der ZUE sind auch Familien untergebracht.
Die Berufsgruppen sind bunt gemischt. Die Palette reicht vom Analphabeten bis zum Arzt, vom Künstler, Polizisten, Bauern, Soldaten und Rechtsanwalt bis hin zum Friseur. Der überwiegende Teil kommt aus dem Irak, der Türkei, Syrien, Afghanistan oder dem Iran.
Sprachenvielfalt sorgt für Herausforderungen
Die damit verbundene Sprachenvielfalt ist für die Mitarbeiter eine Herausforderung. „Notfalls geht es mit Händen und Füßen“, schmunzelt Hergarten, der zwischendurch Mitarbeiter streng ermahnt, nur mit Mundschutz auf das Gelände zu gehen und Bewohner nur mit Helm aufs Fahrrad zu lassen. Klare Regeln und Strukturen sind wichtig, damit so unterschiedliche Menschen den Alltag miteinander bewältigen können.
Sorgen um die Familie in der Heimat
In der Vogelsanger Zentralen Unterbringungseinrichtung sind der ehemalige Bürgermeister Ralf Hergarten für das Deutsche Rote Kreuz und die Einrichtungsleiterin der Bezirksregierung Köln, Gabriele Ernst, zuständig.
Beide berichten, dass die 220 Bewohner neben Corona weitere Ängste und Nöte plagen. „Sie sorgen sich um ihre Familien zuhause, sie bangen um den Ausgang ihres Asylverfahrens und haben Angst vor einem ablehnenden Bescheid“, berichtet Ernst. Einige litten auch unter Traumata.
„Die neuen Gäste stehen sehr unter Spannung. Nach ein paar Wochen lässt das spürbar nach“, erzählt Hergarten. Ernst: „Um die Folgen der Flucht zu mildern, bieten wir Gespräche, Empathie sowie Sport und Strukturen an.“ (fkn)
Für einen konfliktarmen Umgang sorgen auch die Housespeaker. Das sind von den Bewohnern für jedes der neun Häuser gewählte Vertreter, die regelmäßig mit der Leitung zusammenkommen, um für die Interessen ihrer Bewohner einzustehen. So werden ganz nebenbei demokratische Selbstverständlichkeiten praktiziert. „Wir haben sehr kooperative Gäste“, loben Ernst und Hergarten. Dennoch gebe es auch schon mal Ärger. Daher seien die Mitarbeiter speziell geschult, um selbst bei ethnischen und religiösen Konflikten helfen zu können.
DRK würde sich über alte Laptops, Tablets und Handys freuen
In Euskirchen und Vogelsang fallen corona-bedingt viele strukturierende Angebote weg. Doch wie können die Bürger den Geflüchteten helfen? Nach Angaben des DRK wären alte Handys, Laptops oder Tablets hilfreich. Damit könnten die Flüchtlinge Kontakt zu ihren Verwandten in der Heimat aufnehmen oder Deutsch lernen. Einige Frauen schneidern Schutzmasken in der Näherei. Dazu wären Stoffe und Gummizüge hilfreich. Spiele wie Backgammon und Würfeln seien genauso willkommen wie Bälle, Seile, Fahrräder, vor allem für Kinder, oder Musikinstrumente.
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Willkommen sei auch Literatur in Arabisch, Farsi, Englisch, Französisch, Kurdisch oder Russisch. Ausgenommen seien religiöse Schriften. Malsachen und Schreibmaterial, nicht nur für Kinder und gut erhaltene Kleidung würden gerne am Eingang auf Vogelsang oder beim Kreisverband des Roten Kreuzes entgegengenommen. „Der Kreisverband holt Sachen, die nicht mehr gebracht werden, auch gerne ab“, so Klöcker.
„Langfristig wünschen wir uns weitere ehrenamtliche Mitarbeiter, etwa für den Deutschunterricht“, sagt Gabriele Ernst. „Einladungen von Schulen wären gut, um über Geflüchtete und ihre Lage aufzuklären“, ergänzt Hergarten. Ihm ist es wichtig, Verständnis bei den Mitmenschen für die besonderen Umstände einer Flucht zu wecken.
Weitere Informationen gibt es beim Euskirchener Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes unter 02251/79 110.