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Klimawandel im Kreis EuskirchenWas wir gegen Hitzeperioden und Hochwasser tun können

Lesezeit 6 Minuten
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Die Erderwärmung bringt im Kreis mehr Hitzewellen und Starkregen.

  1. Ernteausfälle, Waldleiden, Wetterextreme – die Folgen der Klimakrise lassen sich bereits vor unserer Haustür beobachten.
  2. In unserer Serie „In Sachen Klima“ betrachten wir nun jeden Mittwoch verschiedene betroffene Bereiche genauer. Was ist der Status quo? Was kann und muss sich vielleicht verändern?
  3. Wir sprechen mit Experten und geben Tipps, was jeder einzelne von uns tun kann.

Kreis Euskirchen – Dass die Klimakrise längst auch bei uns angekommen ist, zeigen die Wetterdaten der vergangenen 70 Jahre. Die Autoren des neuen Klimawandelanpassungskonzepts des Kreises, das bisher noch nicht von der Politik verabschiedet wurde, haben sie analysiert. Das Ergebnis: Zwar habe es immer wieder kältere Jahre gegeben, aber grundsätzlich werde es wärmer. Im Zeitraum von 1951 bis 2019 sei die Jahresmitteltemperatur im Durchschnitt um 0,027 Grad pro Jahr gestiegen. „Es geht immer weiter in die gleiche Richtung. Nämlich aufwärts", sagt auch Karl Josef Linden. Der 68-Jährige aus Sinzenich beobachtet seit 1977 das Wetter in der Region.

Klima wie am Mittelmeer

„Wir rücken immer mehr ans Mittelmeerklima heran“, berichtet er. Südseeluft in der Eifel? Klingt ja eigentlich nicht schlecht. Auch die anderen Aussagen des Klimawandelanpassungskonzepts werden Sonnenanbeter freuen. Mehr Sonnenstunden, weniger Niederschläge im Sommer – wirklich schlimm scheint es den Kreis auf den ersten Blick mit der Klimakrise nicht zu treffen, mag manch einer denken.

„Das Problem ist das rasche Fortschreiten, dass es immer wärmer wird“, erklärt Linden. Das ist auch dem Konzept des Kreises zu entnehmen. Das künftige Klima im Kreis Euskirchen lasse sich mit dem gegenwärtigen Klima von Freiburg im Breisgau vergleichen. Allerdings nur, wenn die globale Erderwärmung nicht über plus zwei Grad hinaus gehe. Das sei ein Szenario, so die Autoren, das auf künftig abnehmenden Treibhausgas-Emissionen beruhe. Sollten die globalen Klimaschutzbemühungen nicht intensiviert werden, werde die Temperaturzunahme höher ausfallen und immer weiter steigen. Und die klimatischen Veränderungen bereiten schon jetzt Probleme.

Nicht nur Wald und Landwirtschaft leiden, sondern auch die Bevölkerung ist betroffen. „Die Höchsttemperaturen gehen immer öfter in Richtung 40 Grad“, sagt Linden. Hitzewellen und Dürren nähmen zu. Das trifft auf eine eher ältere Bevölkerung. Klimawandelangepasstes Bauen wie beispielsweise beim Hellenthaler Pflegeheim Carpe Diem werde auch deshalb in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, so das Konzept des Kreises. Mehr Grünflächen seien wichtig, um Erleichterung bei Hitze zu schaffen. Wiesen und Gärten zum Beispiel sollten als Kaltluftentstehungsgebiete erhalten und gefördert sowie grüne städtische Strukturen wie beispielsweise Gründächer geschaffen werden.

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Betroffen sind durch das mildere Klima auch Allergiker. Die zu erwartenden klimatischen Veränderungen begünstigten beispielsweise eine höhere Konzentration und eine längere Flugzeit von Pollen, schreiben die Autoren des Konzepts. Keine schönen Aussichten für alle Menschen mit Heuschnupfen.

Steigende Temperaturen führen zu weniger Schnee

Doch nicht nur der Sommer verändert sich, steigende Temperaturen bedeuten auch weniger Schnee im Winter. „Ich habe noch erlebt, dass der Zülpicher See komplett zugefroren ist“, berichtet Karl Josef Linden. „Meine Enkelkinder dagegen können den Schlitten zwei- bis dreimal in fünf Jahren benutzen.“ Verschwinden werde der Schnee vermutlich nicht aus der Eifel, aber er werde seltener. Während vor 30 Jahren noch regelmäßig eine 30 bis 50 Zentimeter hohe Schneedecke entstanden sei, seien es in den vergangen zehn Jahren nur noch zehn bis 20 Zentimeter gewesen. Schneefälle werde es immer wieder mal geben, aber Schlittenfahren unterhalb von 500 Metern Seehöhe wohl eine Rarität werden, so Linden.

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Auch der Niederschlag hat in den vergangenen Jahren im Kreis leicht abgenommen, allerdings bezeichnen die Autoren des Klimawandelanpassungskonzepts diesen Unterschied als „nicht signifikant“. Im Gegenteil: Langfristig seien leicht zunehmende Niederschläge zu erwarten. „Das liegt an der Erwärmung des Atlantiks vor unserer Haustür“, erklärt Linden. Aber Moment, heißt es nicht immer wieder, die Klimakrise führe bei uns zu Trockenheit?

Trockenheit im Zülpicher See

Das Problem liegt in der Verteilung der Niederschläge. Die verschiebt sich durch den Klimawandel. Es fällt zwar im Durchschnitt etwas mehr Wasser vom Himmel, aber zu einer anderen Zeit. Niederschläge im Sommer nehmen ab und im Winter zu, wie das Konzept sagt. Das führe dazu, dass Pflanzen zu wenig Wasser bekämen und Böden austrockneten. Letztere können dann den Niederschlag, der fällt, schlechter aufnehmen. Und noch etwas anderes sorgt für Trockenheit. „Durch die Erwärmung steigt auch die Verdunstung“, sagt Linden. Dadurch sinken im Sommer die Wasservorräte in Talsperren und Brunnen. Kleinere Gewässer können deshalb häufiger komplett trocken fallen, heißt es im Konzept. Besonders betroffen sei der Zülpicher See, sagt Linden. Dieser verfüge kaum über einen natürlichen Zulauf und sei damit sehr abhängig vom Niederschlag.

Zülpicher Börde und Eifel gehörten schon heute zu den trockensten Regionen in ganz NRW, so das Konzept. Die Klimakrise verstärke das noch. Die Wasserversorgung gehöre damit zu den besonderen Herausforderung der Klimakrise im Kreis.

„Wir sind im Moment an einem Scheidepunkt“

Und die sommerliche Trockenheit hat noch weitere Folgen. Laut Klimawandelanpassungskonzept und Linden nehmen Starkregenereignisse zu. Wenn das Wasser auf ausgetrocknete oder versiegelte Böden treffe, könne es nicht versickern – es kommt zu Überschwemmungen. Hochwasser werden in der Zukunft zunehmen, lautet die Prognose von Linden. Deshalb investierten Kommunen und Verbände auch derzeit viel Geld in Dämme und Regenrückhaltebecken.

Linden sieht zudem eine Zunahme von Stürmen und Gewittern im Kreis. Seit 1980 sei an der Deponie in Mechernich eine deutliche Zunahme von Stürmen mit 100 bis 120 Stundenkilometern zu verzeichnen. „Und was auch auffällt, ist die erhöhte Anzahl an Tornados“, fügt er hinzu. Ein eindrückliches Beispiel sei der Tornado, der 2019 durch Roetgen fegte. Für solche lokalen Bedrohungsszenarien wünsche er sich ein besseres und schnelleres Warnsystem.

„Wir sind im Moment an einem Scheidepunkt“, sagt der Wetterbeobachter. Die Klimakrise müsse in den Vordergrund gerückt und die Erderwärmung aufgehalten werden. Der Kreis Euskirchen sei derzeit begehrt auf dem Wohnungsmarkt, sagt Linden. „Dass das so bleibt, dafür können wir alle etwas tun.“

5 Tipps für Bürger und Kommunen

1. Keine Steingärten anlegen. Mehr Steine und weniger Grün verstärkten Hitze im Sommer. Außerdem könne durch großflächige Versiegelung Wasser bei Starkregen nicht schnell genug im Boden versickern.

2. Schattenspendende Bäume pflanzen. Gerade in zugebauten Innenstädten könnten sie die Temperaturen im Sommer mindern.

3. An extremen Hitzetagen den Lebensrhythmus ändern. Die Menschen im Mittelmeerraum lebten uns das mit ihrer Mittags-Siesta vor.

4. Wer in der Nähe von Flussauen wohne, solle sich Sandsäcke anschaffen. Damit könne man bei starken Niederschlägen und Hochwasser Türen abdichten.

5. Die Kommunen sollten noch mehr Regenrückhaltebecken an neuralgischen Orten bauen.

3 Fragen an einen Architekten

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Architekt Helmut Heuer (Mitte) mit Kollegen.

Helmut Heuer von „HeuerFaust Architekten“ hat das Pflegeheim Carpe Diem in Hellenthal geplant.

Was ist klimaangepasstes Bauen?

Helmut Heuer: Dass man versucht, so zu bauen, dass man mit den Bedarfen, die man hat, die Umwelt möglichst wenig belastet und zwar beim Bau und bei der Nutzung.

Wie wird das umgesetzt?

Man sollte nicht mehr bauen, als man braucht. Jedes Gebäude ist ein Einzelfall. Aber wenn man verschiedene Faktoren geschickt kombiniert, kann man viel erreichen: angefangen bei der Standortwahl über die Baustoffe bis hin zur Nutzung. Das Gebäude sollte grundsätzlich möglichst wenig Energie brauchen. Man kann mit Erdwärme arbeiten oder Sonnenenergie nutzen. Öl und Gas zum Heizen kann man vergessen. Verbrennen kann man auf lange Sicht nur Holz, als nachwachsenden CO2-neutralen Rohstoff. Allerdings sind dafür gute Filter erforderlich. Die Idee beim Carpe Diem war, Hackschnitzel aus der Forstwirtschaft für die Heizung zu nutzen. Kühlbedarf im Sommer kann man meiden, indem man Fenster so anordnet, dass man querlüften kann. Wer das Gebäude gut in die Umgebung einpasst, kann natürlichen Schattenwurf nutzen. Das haben wir auch beim Carpe Diem gemacht. Zudem sollte man Baustoffe wählen, die wärme- und feuchtigkeitsregulierend wirken, Stein und Holz zum Beispiel.

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Welche Auswirkung hat das?

Man spart Energie und es ist nachhaltig. Es kostet natürlich etwas mehr in der Erstanschaffung. Das kann ich aber im Betrieb wieder erwirtschaften, weil ich viel Energie spare. Baustoffe wie Holz sind langlebiger als Kunststoffe. Ein Parkettboden kann Jahrzehnte halten, einen PVC-Boden muss man meist nach wenigen Jahren erneuern.