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Die Zuckerrüben haben VorfahrtKompromiss für Landwirte bei Erftbrückenbau gefunden

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Täglich fahren 100 Lastwagen mit Rüben über die Erftbrücke. Rund 10 000 Tonnen liefern sie pro Tag in der Zuckerfabrik ab.

Euskirchen – Eine Alternative zum Neubau gibt es nicht: Das Fundament der Erftbrücke Kölner Straße ist durch das Juli-Hochwasser so stark beschädigt worden, dass sie nicht stehen bleiben kann. Für die Landwirte, die ihre Zuckerrüben zur Fabrik von Pfeifer und Langen bringen wollen, ist das ein Problem. Sie haben sich deshalb mit dem Landesbetrieb Straßen NRW und der Stadt auf einen Kompromiss geeinigt. Während der Rübenkampagnen dieses und nächstes Jahr läuft der Verkehr wie gewohnt, gebaut wird jeweils nach Kampagnenende.

Aktuell rollen 400 Lastwagen täglich zur Zuckerfabrik im Osten von Euskirchen. Etwa die Hälfte davon bringt Rüben aus Kommern, Zülpich, Vettweiß oder Nörvenich. Für sie ist die Kölner Straße der wichtigste Zufahrtsweg zu Pfeifer und Langen. „Daher haben wir nach einer Lösung gesucht, wie wir den Ersatzneubau so planen können, dass die aktuelle und die nächste Rübenkampagne möglichst wenig beeinträchtigt werden“, sagt Nilgün Ulbrich, Sprecherin von Straßen NRW.

Die neue Brücke errichten die Straßenbauer in zwei Bauabschnitten. Nach jeder Rübenkampagne tauschen sie eine komplette Fahrspur aus. Die jeweils andere Spur bleibt für den Verkehr gesperrt. Um den Bau so kurz wie möglich zu halten, setzt Straßen NRW auf ein Verfahren, das in Nordrhein-Westfalen bisher nur selten zum Einsatz kam (siehe Infokasten). Ein Neubau unter Verkehr sei allerdings deutlich komplexer als einer unter Vollsperrung, erläutert Ulbrich. „Wir operieren am offenen Herzen.“ Das mache umfangreiche Vorarbeiten für das Planen der Tragwerke und der Verkehrsführung nötig. Starten sollen die Arbeiten an der ersten Spur im Januar.

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Dann ist auch die aktuelle Rübenkampagne beendet. Vor allem aus einem Grund haben die Landwirte dieses Jahr erst am 4. Oktober mit der Kampagne angefangen: Die Flutkatastrophe hat die Zuckerfabrik von Pfeifer und Langen schwer beschädigt. Nun läuft der Betrieb wieder – und das wollen die Landwirte ausnutzen. „Wir sind wirklich froh, dass die Straßenbauer uns entgegenkommen. Wenn für unsere Kampagne die Hauptachse Kölner Straße gesperrt ist, ist das wie eine Kettenreaktion“, sagt der Zülpicher Landwirt Martin Böhling. Wie problematisch bereits sechs Minuten Verzögerung auf Hin- und Rückweg sind, erläutert er an einem Beispiel: „Wenn 20 Lastwagen pro Tag über die Brücke fahren, gehen so zwei Stunden verloren. Das sind 500 Tonnen Rüben weniger, die in die Fabrik kommen.“ Täglich transportieren die Lastwagen rund 10 000 Tonnen Zuckerrüben zu Pfeifer und Langen. Jede später transportierte Rübe, jeder verlorene Tag kostet die Landwirte Geld. Die Zuckerrübe verliert mit der Zeit an Gewicht und an Zucker – und bezahlt werden die Bauern für den Zuckerertrag ihrer Ernte.

„Große Regenmengen sind immer gut für die Zuckerrübe“

Nach drei kargen Dürrejahren setzen viele Rübenbauern auf die aktuelle Kampagne. Dieses Jahr sei die Ernte vergleichsweise üppig, sagt Böhling. „Große Regenmengen sind immer gut für die Zuckerrübe. Und der Sommer war besonders nass.“ Seit 2018 litten die Landwirte unter mageren Erträgen. Hinzu kam, dass der Zuckerabsatz durch die Corona-Pandemie einbrach und der Preis sank. Viele Bauern hätten teilweise nur die Kosten decken können, erläutert Böhling. „Die Produktion von Zuckerrüben ist teurer als die von Getreide oder Raps. Wegen der Fruchtfolge brauchen wir sie aber.“ Der Kompromiss ist also eine gute Nachricht für die Bauern.

Ein Bauwerk im Schnellverfahren

Als Expressbrücke bezeichnet Straßen NRW die Brücke, die an der Kölner Straße entsteht. Das Verfahren ist noch jung. Bisher gab es nur Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen.

Drei Unternehmen gebe es im Land, die ein bestimmtes Verfahren für sich entdeckt hätten, sagt Romina Korrenz, Expertin für Brücken beim Landesbetrieb Straßen. Gemeinsam haben alle Verfahren, dass sie einen schnelleren Brückenbau ermöglichen.

In Euskirchen ersetzt ein Erdunterbau mit Geogittern aus Kunststoff seinen Betonvorgänger. Ist der Unterbau standfest, erhält er eine Fassade aus Fertigbetonteilen. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Kosten und gilt als umweltfreundlicher, weil weniger Beton für das Fundament hergestellt wird.

Auch die Fahrbahnplatte wird als fertiges Bauteil angeliefert. Für den Bau werden deshalb weder ein Traggerüst noch Holzschalungen benötigt, die normalerweise vor Ort als Gussformen für die Betonteile der Brücken dienen.

Aus Fertigbetonteilen und bewehrter Erde bestehende Expressbrücken sind bereits in Dülmen, Dortmund und Köln gebaut worden. Ein ähnliches Verfahren kam an der Speelberger Straße in Emmerich am Rhein zum Einsatz. Dort setzten die Ingenieure auf die Segmentbauweise – die vorgefertigten Brückenteile werden bei dieser wie eine Kette aneinandergereiht.

Unterschiede hinsichtlich der Standsicherheit gebe es zwischen der bisherigen und der Expressbauweise keine, sagt Korrenz. Die Konstruktion sei robust. „Standsicherheit ist ein grundlegendes Kriterium unserer Arbeit.“ (maf)

Gefährlich ist die Fahrt über die Brücke nicht. Beschädigt sei nur das Fundament, die Brücke sei standsicher, sagt Ulbrich. Das hätten Schadensanalyse und Sonderprüfungen bestätigt. Ein Risiko eingehen wollen die Straßenbauer aber nicht: Bis zum Baubeginn überprüfen sie die Sicherheit ständig.

Mit der neuen Brücke wird auch ein Gehweg errichtet. Zudem solle geprüft werden, ob die Brücke breiter werden kann, um eine Spur für Fahrradfahrer anzulegen, sagt Ulbrich. Unklar ist allerdings, wie hoch die Kosten für den Neubau sind. „Da die konkreten Planungen noch nicht abgeschlossen sind, können zum aktuellen Zeitpunkt noch keine belastbaren Zahlen zu den Gesamtkosten benannt werden“, sagt die Sprecherin des Landesbetriebs. Ein weiterer Faktor erschwert das Schätzen der Kosten: Das schnellere Bauverfahren ist eigentlich günstiger. Die Teilsperrung aber treibt die Kosten in die Höhe.