Schmuckvolle ArchitekturKunsthistoriker zeigt die Schönheit Euskirchener Fassaden
- Der Kölner Kunsthistoriker Dr. Andreas Baumerich leitet die Stadtführung „Stuck vom Feinsten“
- Dabei zeigt er den Teilnehmern besonders schmuckvolle und auffällige Fassaden in Euskirchen
- Oft ist man überrascht, was man alles entdecken kann – wir haben einiges davon zusammengefasst
Euskirchen – Gut ein Dutzend Menschen haben sich am Samstagmittag im Kulturhof des Euskirchener Stadtmuseums versammelt. Grund dafür ist nicht etwa das Euskirchener Stadtfest, das parallel scharenweise Besucher anlockt. Hier geht es gleich um die Euskirchener Architektur. Um „Stuck vom Feinsten“ um genau zu sein – eine Stadtführung, die vom Euskirchener Stadtmuseum initiiert und vom Kölner Kunsthistoriker Dr. Andreas Baumerich geleitet wird.
Startpunkt ist der Kulturhof und Baumerich klärt direkt auf: Schmuck sei grundsätzlich ja etwas sehr Individuelles. Und so waren und sind auch die Schmuckfassaden der Häuser immer eine Möglichkeit der Selbstpräsentation. „Der Wohlstand des Hausbesitzers spiegelt sich also regelrecht im Stuck seines Hauses wider.“
So sei es nicht unüblich gewesen, dass das Gebäude zwar von einem eher mittelmäßigen Architekten gebaut wurde, dafür aber ein erstklassiger Architekt oder Stuckateur für die Fassadengestaltung verantwortlich war. Diese wurde dann einfach vorgesetzt. Man zeigte eben, was man hatte.
Sparkassenputten
An der Westseite des Alten Rathauses entdeckt man ein ungewöhnliches Schmuckelement. Heute ein Fenster, markierte es früher den Eingang der Städtischen Sparkasse. Ihr sollten die Bürger natürlich ihr Geld anvertrauen.
Zwei Putten stellen dabei eine typische Sparszene dar: Die rechte steckt einen Groschen in die „Sparkasse“, die andere Figur trägt einen Sack Geld weg. Ob es sich hier um die ersparten Zinsen handelt, bleibt ein Rätsel. (the)
Auf der Wilhelmstraße weist Baumerich auf eines der Drei-Fenster-Häuser hin. Diese schmale Bauweise war typisch für das Rheinland. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe es eine Steuer bezüglich der Breite der Häuser gegeben, so der Experte. Wer sich aber gut mit seinem Nachbarn verstand, sprach sich in der Gestaltung der Fassade mit diesem ab. So wirkten zwei schmale Häuser auf den ersten Blick wie ein großes breites, erklärt der Experte lächelnd und führt die Gruppe von Haus zu Haus.
Den Blick stets nach oben gerichtet, entdecken wir Gesichter und Obelisken, unheimliche Fratzen, Girlanden und Blumen, Putten, die Spardosen füllen, französische und italienische Stilelemente. Die Hausbesitzer konnten beim Stuckateur aus einem Katalog an vorgefertigten Stuckvorgaben wählen. Die absolute Luxusfassungen waren jedoch individuelle Anfertigungen, auf die bisweilen lange gespart wurde.
Schade, dass dann nach dem Ersten Weltkrieg viele Schmuckelemente der neuen Schlichtheit weichen mussten, die modern wurde. Der Stuck wurde im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts von vielen Häusern abgeschlagen. Nun sollte alles schlicht sein, der Expressionismus spiegelt sich an den Hausfassaden wider. „Es gab sogenannte Schnörkelschleifer“, erklärt Andreas Baumerich. Schreiner, die aufwendige Dekorationen an Möbeln abgeschliffen haben. Und so folgt die Gruppe dem Experten durch mehrere Epochen Fassadengestaltung, entdeckt spitze Erker, Eckenfensterchen, Zickzack-Stelen, asiatische Einschläge und auch das ein oder andere Rätsel.
Baumerich hat beinahe zu jedem Element eine kleine Geschichte zu erzählen und begeistert mit seiner eigenen Faszination für das Thema. „Er erzählt so lebendig“, lobt Hellen Bornkessel aus Bad Münstereifel, die schon einmal eine Führung mit dem Kölner unternommen hat. Man merkt, dass der Kunsthistoriker absolut für das Thema brennt. Auf dem Alten Markt geht die Führung langsam dem Ende entgegen. Auch hier greift die Fassade das Marktgeschehen in seinen Schmuckelementen auf. Eine Frau hält zwei Körbe in den Händen, über ihr ist eine Waage. Auch das Nachbarhaus, in dem sich nun ein italienisches Restaurant befindet, zieren aufwendig gestaltete Obstkörbe.
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Dieses Gebäude sei die Antwort auf das damalige Hotel Joisten gewesen, sagt Baumerich und wird dann ein wenig sentimental: „Schade, dass es heute nur noch die Antwort gibt, aber nicht mehr das Gebäude, auf das es antwortet.“
Die Samstags-Führungen
Unter dem Titel „Auf den Spuren der Stadtgeschichte“ finden bis zum Jahresende regelmäßige Führungen an Samstagen durch Euskirchen statt.
Die nächste Führung ist am Samstag, 4. Mai, von 14 bis 15.30 Uhr zu m Thema „Von Pützberg, Flutsch und Pariser Kranz“. Den Rundgang durch die Oststadt leitet der Historiker Theo Heinrichs.
Weitere Termine für Führungen sind auf der Website des Museums zu finden.
www.kulturhof.de/museum
Und so zeigt die Führung nicht nur die Geschichte der Fassaden-Gestaltung aus mehreren Epochen, sie spiegelt auch viel Stadtgeschichte wider. Einige Teilnehmer erinnern sich an das ehemalige Hotel und denken an der Ecke Neustraße/Wilhelmstraße an das Kaufhaus Eschweiler zurück. Ein echtes Schätzchen ist dieses Gebäude, so Baumerich, der auf Figuren über dem Eingang hinweist: Saturn als Gott des Ackerbaus und Merkur als Gott des Handels umrahmen Industria in der Mitte. Diese Szene bildet doch recht schön die Stadtgeschichte ab: Landwirtschaft, Textilindustrie und Handel.
Hier endet also der Rundgang. „Manchmal ist man doch recht überrascht, was man alles entdecken kann“, so Baumerich. Er hoffe, dass die Teilnehmer die Stadt mit neuen Augen betrachten und sehen konnten, dass Euskirchen hier und da viel Hochwertiges zu bieten habe.