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Interview

Sportmediziner aus Euskirchen
„Prävention wird von vielen nicht genutzt“

Lesezeit 3 Minuten
Der Sportmediziner Dr. Thilo Pessies im Flur seiner Praxis.

Dr. Thilo Pessies ist Sportmediziner in der Praxis Orthoplus in Euskirchen.

Thilo Pessies leitet mit Patrick Savioz die Praxis Orthoplus in Euskirchen. Er äußert sich zum Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit.

Dr. Pessies, was sagen Sie als Sportmediziner zu den Ausführungen der Studiobetreiber?

Dr. Thilo Pessies: Ein begleitetes Training unter spezifischen Voraussetzungen halte ich für total wichtig, da für jede Altersklasse andere bestimmte Dinge berücksichtigt werden müssen, darunter auch alte Verletzungen oder die körperliche Verfassung. Der Ansatz, zielgerichtet am Fitnessgerät zu trainieren, ist auch im Hinblick auf das Defizit an Physiotherapieplätzen sinnvoll.

Lebten die Menschen früher tatsächlich gesünder?

Im Zeitalter vor der Digitalisierung haben wir uns mehr und anders bewegt. Die Volkskrankheit „unspezifische Rückenbeschwerden“ hat massiv zugenommen. Mein Lieblingsbeispiel ist aus Hongkong: Als ich da in eine Bahn eingestiegen bin, saßen 200 Leute mit dem Blick nach unten aufs Handy.

Das Thema Prävention müsste für Krankenkassen wichtiger werden

Ist die Zahl der Fälle, für die Bewegungsmangel und Übergewicht ursächlich sind, gestiegen?

Auf jeden Fall. Ein relevanter Punkt ist für mich: Prävention wird von vielen Menschen nicht genutzt, weil Untersuchungen nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Das Thema müsste aber für die Versicherer viel wichtiger werden. Das ist heute hochwissenschaftlich, geht auch in den internistischen Bereich hinein. Weil man es aber selbst zahlen muss, ist das Bedürfnis gering.

Was sollte man tun, um gesünder und fitter zu leben?

Bewegung ist extrem wichtig. Da kann man klein anfangen, also die Treppe nehmen statt des Aufzugs oder kurze Strecken zu Fuß gehen oder das Fahrrad nehmen anstatt den E-Scooter oder das Auto. Sport ist in allen Bereichen enorm wichtig. Mittlerweile empfehlen Studien 60 Minuten Sport pro Tag. Deshalb muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Sport und Bewegung halten den Kopf frei, da reichen auch Radfahren oder Nordic Walking aus. Natürlich muss man zwischen Präventionskursen, Muskelaufbau und Fitnesstraining unterscheiden. Aber tägliche Bewegung ist gut für das Herz-Kreislauf-System. Schlecht hingegen sind Rauchen, Fehlbelastungen und die Zufuhr von Giftstoffen oder falsche Ernährung.

Sportmediziner aus Euskirchen rät zum Training in der Gruppe

Wie überwindet man den inneren Schweinehund?

Man sollte unbedingt in Gesellschaft oder im Team trainieren, dann sagt man weniger ab, weil Menschen auf einen warten. Und natürlich sollte man etwas machen, das einem Spaß macht.

Sie erwähnten das generelle Umdenken: Was genau meinen Sie?

Wir müssen den Fokus mehr auf Prävention legen, Sport und Bewegung mehr Zeit einräumen. Schwierig finde ich es, zu behaupten, dass Vereine falsch trainieren. Dort investieren Ehrenamtler viel Zeit mit dem Training, Vereine bieten eine Perspektive für junge Menschen. Bevor man mit dem Sport beginnt, sollte man sich checken lassen. Für Kinder gilt hingegen: Hauptsache Bewegung.

Zum Abschluss die Frage: 10.000 Schritte – Quatsch oder nicht?

Nicht Quatsch. Man kann über die Zahl streiten, aber es ist ein Tool zum Monitoring und deshalb nicht schlecht.