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Meistgelesen 2022Skandalspiel in Euskirchen: „Wir sind einfach hingelaufen, um zu helfen“

Lesezeit 3 Minuten
Dustin Oellers (l.)  und sein Teamkollege Marcel Blum auf dem Spielfeld.

Zeigten Zivilcourage auf dem Spielfeld: Dustin Oellers (l.) und sein Teamkollege Marcel Blum.

  1. Dieser Text ist erstmals am 22. Mai 2022 veröffentlicht worden.

„In 25 Jahren Fußball habe ich nichts Schlimmeres erlebt“, sagt Marcel Blum. Er ist Spieler beim TuS Zülpich. Er war mittendrin, als die Gewalt gegen den Schiedsrichter im Duell mit Türk Gencligi eskalierte.

Die Ereignisse rund um das Pokalspiel in Euskirchen wirken auch vier Tage später nach. Kurz vor dem Ende der Partie hatten Spieler von Türk Gencligi Schiedsrichter Christian Kühlborn zunächst über den Platz gejagt. Anschließend warf ein Zuschauer, der nach Informationen dieser Zeitung im sehr nahen Umfeld des B-Ligisten aktiv ist, dem Unparteiischen eine Flasche ins Gesicht.

Den Gewaltausbruch aus nächster Nähe erlebt

Blum erlebte den Gewaltausbruch aus nächster Nähe, stellte sich mit Mannschaftskollege und Freund Dustin Oellers schützend vor den Schiedsrichter. „Wir haben gesehen, dass es da Probleme gibt und sind einfach hingelaufen, um zu helfen“, sagt der 32-jährige Blum.

„Es geht darum, zu helfen. Das zu tun, was alltäglich sein sollte, was es aber leider nicht immer ist“, berichtet Blum, für den es die letzte Bezirksliga-Saison bei der ersten Mannschaft des TuS sein wird. Der Allrounder wird in der kommenden Spielzeit in der Reserve kicken – in derselben Spielklasse wie Türk Gencligi.

„Wir als TuS Zülpich haben alle gehandelt und geholfen“

Als Helden wollen weder Blum noch Kumpel Oellers bezeichnet werden. „Wir sind so erzogen worden. Für uns stand es außer Frage, zu helfen“, so Blum. „Wir als TuS Zülpich haben alle gehandelt und geholfen. Wir beide standen nur zufällig in der ersten Reihe“, sagt Oellers.

Auch die Trainer und Mannschaftskollegen seien dem Schiedsrichtergespann zur Hilfe geeilt und hätten versucht, deeskalierend zu wirken. „Da war auch ein Vertreter und ein Zuschauer von Türk Gencligi dabei“, so Blum. Er selber habe großen Respekt vor Schiedsrichter Christian Kühlborn: „Ich kann echt nicht verstehen, dass Christian weiterpfeifen möchte. Daher ziehe ich alle Hüte vor seiner Entscheidung.“

Ein andere unerfreuliche Situation

Auch der Nettersheimer Schiedsrichter Niklas Dardenne erlebte bereits Unerfreuliches – beim FVM-Pokal-Finale zwischen Alemannia Aachen und Viktoria Köln. Im Mai 2018 siegte Viktoria Köln mit 2:0 nach Verlängerung – inklusive Rudelbildung und versuchtem Platzsturm durch die Aachener Fans in der Schlussphase. Den verhinderten die Bonner Ordnungskräfte. Dennoch musste Dardenne die Partie kurz vor dem Abpfiff noch für einige Minuten unterbrechen. „Das ist eine Partie, die mir definitiv in Erinnerung geblieben ist“, sagt der Nettersheimer Niklas Dardenne, dessen Vater Georg einst in der Bundesliga gepfiffen hat.

Nach Informationen dieser Zeitung erreichten den Unparteiischen viele Solidaritätsbekundungen – von Spielern, Trainern, Schiedsrichterkollegen und Vereinsvertretern. Das habe ihm unheimlich gutgetan, heißt es aus dem engsten Umfeld des Weilerswisters. Ihm sei auch die Hilfe, die er auf dem Platz erfahren habe, nahegegangen.

Schiedsrichter lag auf dem Boden

Und wie ging es Blum und Oellers in erster Reihe? „Wir haben uns nicht bedroht gefühlt. Wir wurden relativ in Ruhe gelassen“, erinnert sich Oellers: „Es war aber hart zu sehen, wie der Schiedsrichter hinter uns auf dem Boden gelegen hat und mehr oder weniger Angst hatte.“ Was ihn berührt habe, sei „der blanke Hass, der uns und dem Schiedsrichter entgegengeschlagen ist“. TuS-Kapitän Oellers: „Das war schon eine harte Nummer.“

Nach den Ereignissen habe es lange kein anderes Gesprächsthema gegeben. Dabei hatten die Zülpicher zunächst gar nicht die Gelegenheit, die Geschehnisse in Ruhe im Mannschaftskreis aufzuarbeiten. Der Grund: die räumliche Situation im Erftstadion. Die Schiedsrichterkabine ist nämlich im selben Raum wie die Gästekabine – lediglich durch eine Tür getrennt.

„Wir mussten die Kabine direkt räumen, damit das Schiedsrichtergespann in Ruhe vor der Polizei ihre Zeugenaussage machen konnte“, so Oellers: „Wir haben uns fertiggemacht und sind dann auch gegangen.“

Unsere besten Texte 2022 – dieser Text ist erstmals am 22. Mai 2022 veröffentlicht worden.