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FußballEuskirchener sucht neue Spieler für Nationalmannschaft in Äthiopien

Lesezeit 7 Minuten

Beim Euskirchener TSC, hier in einer Partie aus dem Jahr 2012 gegen den SV Nierfeld, spielte David Beshah, ebenso für den 1. FC Köln, Fortuna Köln und Alemannia Aachen.

Euskirchen – Der 33. Afrika-Cup biegt auf die Zielgerade ein. Das Pendant zur Europameisterschaft oder der Copa America hat längst nicht deren Standing und Qualität. Während in Europa die Fußballsaison für wichtige Turniere unterbrochen wird und die Nationen ausreichend Vorbereitungszeit erhalten, gibt es in einigen afrikanischen Teilnehmernationen weder eine geeignete Infrastruktur noch eine funktionierende Nachwuchsarbeit. Davon betroffen, und mit nur einem Punkt bereits nach der Vorrunde ausgeschieden, ist Äthiopien.

Allerdings hat sich schon seit einigen Jahren ein gebürtiger Kölner mit Euskirchener Vergangenheit dieser Problematik des äthiopischen Fußballs angenommen: David Beshah. Jüngst wurde er zum Head of Scouting des äthiopischen Verbands ernannt. Seine Mission: äthiopische Fußballer überall auf der Welt ausfindig machen und diese für die Nationalmannschaft rekrutieren.

Neun Spieler gefunden

Hierbei sucht Beshah auch nach Spielern wie ihm selbst, die weit entfernt vom etwa 115 Millionen Einwohner starken Land im Nordosten Afrikas aufgewachsen sind und lange Zeit keinen sportlichen Bezug zu ihrer Heimat hatten.

Mit Mittlerweile fast 150 gefundenen Spielern in seiner Datenbank, hat sich der 34-Jährige ein eigenes Scouting-Netzwerk aufgebaut und für den Afrika-Cup neun Spieler von hoher Qualität gefunden, die sofort einsatzbereit waren. „Ich bin enttäuscht, dass keiner der gescouteten Spieler eingesetzt wurde. Somit war viel Arbeit im Vorlauf des Turniers umsonst.“

Dennoch sei die Teilnahme nach sieben Jahren Abstinenz und exakt 60 Jahre nach dem einzigen Gewinn des Pokals eine absolute Bereicherung gewesen, die auch seine Arbeit in Zukunft erleichtern werde. Der Verband versuche, nachhaltige Strukturen zu etablieren und die Sportart aus ihrem Schattendasein zu befreien.

„Fußball ist in Äthiopien zwar nicht die Sportart Nummer eins, aber die Leute hier sind sehr fußballverrückt. Als die Mannschaft sich qualifiziert hat, wurde eine ganze Nacht lang durchgefeiert“, so Beshah.

1. FC Köln, Fortuna Köln, Alemannia Aachen

David Beshah ist Deutsch-Äthiopier mit einem äthiopischen Vater. Geboren und aufgewachsenen ist er hier in der Region und spielte in seiner Jugend unteranderem für Fortuna Köln, den 1. FC Köln sowie Alemannia Aachen. Schwere Verletzungen verhinderten seinen Weg zum Profifußballer, weswegen Beshah über einige Umwege 2010 schließlich beim Euskirchener TSC in der Mittelrheinliga landete und seinen Abschluss im Sportmanagement-Studium in Köln anstrebte.

Laptop-Arbeit ist auch bei Head of Scouting gefragt.

Mit einer Profikarriere hatte der Mittelfeldspieler zu dem Zeitpunkt abgeschlossen. Drei Jahre später erhielt er allerdings die Chance, in das Heimatland seines Vaters zu ziehen und für Ethopian Coffee FC in Addis Abeba zu spielen. Zustande gekommen war der Kontakt zum Hauptstadtclub durch ein Vorbereitungs-Trainingslager für den Afrika-Cup 2013, an dem der ehemalige Nationalspieler teilnahm und bei dem ihn äthiopische Spielerbeobachter interessant fanden.

Traurig über ETSC-Entwicklung

„Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch einen Vertrag mit dem ETSC und befand mich mitten im Studium, deswegen konnte ich nicht direkt in Äthiopien bleiben,“ erinnert sich Beshah. Angesprochen auf den Kontakt nach Euskirchen, zeigt er sich wehmütig: „Zu einigen Jungs von damals habe ich schon noch manchmal Kontakt, aber wenn ich sehe, was aus dem ETSC geworden ist, bin ich sehr traurig über die Entwicklung.“

Zwar reichte es damals nicht für eine Teilnahme am Afrika-Cup. Für den Deutsch-Äthiopier, der vorher das Heimatland seines Vaters nur bei Urlauben im Kleinkindalter besucht hatte, begann dennoch ein neuer Lebensabschnitt in Äthiopien.

Karriereende mit 28 Jahren

Der sollte allerdings nicht sehr lange andauern, zumindest als aktiver Fußballprofi. Zwar holte er mit seinem neuen Verein die Vizemeisterschaft und feierte im November 2014 sein Debüt in der Nationalmannschaft. Aber weitere Verletzungen, darunter ein Kreuzbandriss, führten zum Karriereende 2016 – mit gerade einmal 28 Jahren.

Während seiner Zeit in Äthiopien wurde Beshah zwangsläufig mit der Fußball-Situation konfrontiert. Deshalb befasste er sich intensiv mit der nachhaltigen Entwicklung. „Zu der Zeit, in der ich selbst aktiv gespielt habe, standen eher zwei Tore zufällig auf einer Wiese. Mittlerweile ist es Pflicht für jeden Verein, dass dieser über ein Nachwuchsleistungszentrum, eine U16-Juniorenmannschaft und eine Frauen-Mannschaft verfügt.“

Merchandising, Spielerberater, Scout

Diese Entwicklung beschreibt der Scout, der hauptberuflich für Ampido arbeitet, einen Service, bei dem Besitzer von privaten Parkplätzen oder Einfahrten diese als Parkmöglichkeiten vermieten können, als „langen Kampf“. Der äthiopische Verband habe es verpasst, auf westafrikanische Fußballnationen in Sachen Entwicklung aufzuschließen – und zwar in jeglichen Bereichen, wie Beshah erklärt: „Nach meinem Karriereende wusste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte. Im Merchandising, als Spielerberater oder m Scouting. Alles musste und muss noch optimiert werden.“

David Beshah im den Farben seines Landes.

Beshah entschied sich damals beim Verband, genauer gesagt bei der Nationalmannschaft, anzufangen und seine Visionen zu verwirklichen. Zu jeder Tätigkeit fällt ihm dabei auch immer eine Anekdote ein: „Unsere Spieler hatten keine eigenen Trikots und mussten sich im Fanshop selbst welche kaufen. Da habe ich erst mal dafür gesorgt, dass die Nationalmannschaft die Trikots stellt.“

Selbst erstellte Datenbank

Splitter zum Afrika-Cup

Teils dramatische Szenen ereignen sich aktuell in Kamerun beim 33. Afrika-Cup. Eine Massenpanik, die sich vor der Achtelfinalpartie zwischen Gastgeber Kamerun und der großen sportlichen Überraschung, den Komoren, ereignete, kostete acht Menschen das Leben. 38 weitere Personen wurden schwer verletzt.

Kuriositäten der sportlichen Natur, die der Fußballfan aus den großen europäischen Ligen wohl nicht gewöhnt ist, ereignen sich aber ebenso. Beispielsweise erlaubte sich Schiedsrichter Janny Sikazwe einen Fauxpas: Er wollte in der Gruppenphase die Spieler bei der Begegnung zwischen Tunesien und Mali bereits nach 85 anstatt 90 Minuten in die Kabinen schicken. Nach schweren Protesten pfiff er das Spiel erneut an und beendete es ein zweites Mal vor Ablauf der offiziellen Spielzeit.

Am Sonntag endet das Turnier mit dem Spiel um Platz drei (17 Uhr) und dem Finale (20 Uhr). Die Halbfinalpartien lauten Burkina Faso – Senegal (Mittwoch, 20 Uhr) und Gastgeber Kamerun – Ägypten (Donnerstag, 20 Uhr). (moz/ets)

Bereits damals widmete er sich nebenbei immer wieder einer selbst erstellten Datenbank und suchte über Social Media oder Fußball-Portale Kicker mit äthiopischen Wurzeln, vor allem in Europa. Sobald er einen neuen potenziellen Spieler gefunden hat, tritt er mit dem Verein in Kontakt, um mit dem Spieler und dessen Familie zu sprechen. Dabei will er einen Einblick in das Umfeld des Spielers erhalten und einen Bezug zu Äthiopien herstellen.

„Zunächst hatte ich Bedenken, ob es einfach wird, Spieler zu überzeugen für die Nationalmannschaft von Äthiopien aufzulaufen. Aber nach den Gesprächen haben viele Bock auf die Herausforderung,“ zieht Beshah ein vorläufiges Fazit. Die Kontaktaufnahme sei ihm dabei besonders wichtig. Der Umstand, dass Beshah selbst im Alter von 18 Jahren nur über einen gemeinsamen Mitspieler bei Alemannia Aachen Kontakt zum äthiopischen Verband bekam.

Fernsehvertrag für die Liga

In seiner aktiven Zeit wurden die Spiele der Nationalmannschaft trotz der großen Begeisterung der Landsleute für den Fußball nicht im Fernsehen gezeigt. Erst im vergangenen Jahr schloss die Premier League, die höchste Spielklasse des Landes, den ersten Fernsehvertrag überhaupt ab. Man hatte das Marktpotenzial verkannt und befürchtete, dass durch die Fernsehübertragungen keine Zuschauer mehr in die Stadien kommen würden.

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Umso zuversichtlicher macht es Beshah, dass der FC Bayern München 2019 eine Fußballschule in Addis Adeba eröffnet hat oder dass der Vater des Fußballprofis Davie Selke (Hertha BSC) beabsichtigt, eine Akademie in Äthiopien zu eröffnen. „Talent ist beim Nachwuchs definitiv gegeben, vor allem technisch. Es mangelt eher an Disziplin, Taktikverständnis und der richtigen Ernährung,“ nennt der gebürtige Kölner die Gründe dafür, das bisher kaum Spieler den Sprung in europäische Ligen geschafft haben. „Am Ende ist für die perfekte Zusammenstellung der Nationalmannschaft ein Mix aus nationalen und ausländischen Spielern entscheidend, denn die Identifikation mit dem Land Äthiopien spielt eine ebenso wichtige Rolle wie die Qualität der Spieler.“

Vielleicht gelingt der Nation beim nächsten Afrika-Cup auch durch gescoutete Spieler von Beshah der Einzug in die Hauptrunde. Als persönliches Ziel wünscht sich der Scout, der bisher seine Arbeit für den Verband auf eigene Kosten und ohne Mitarbeiter bewerkstelligte, ein festes Engagement, um so Äthiopien zu helfen.