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„Mir kalle Platt en de Stadt“Euskirchener forschen zur Geschichte der Landwirtschaft

Lesezeit 3 Minuten

Mit den Bauern verschwanden auch die Viehmärkte. Dieses Bild entstand um 1948 auf dem Annaturmplatz.

Euskirchen – Wenn die Bauern aus Frauenberg und Elsig, Wißkirchen und Euenheim mit ihren Ochsengespannen die Stadt verließen, hielten sie kurz vor dem Viehplätzchen an. Sie striegelten ihre Zugtiere und wischten ihnen den Sabber vom Maul.

Die Ochsen sollten ein ordentliches Bild abgeben, denn ein paar Meter weiter passierten sie den Hof von Heinrich Berk. Und der hatte nicht weniger als sieben Töchter, auf die seine jungen Kollegen aus den Euskirchener Vororten einen guten Eindruck machen wollten.

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Diese Geschichte steht in dem 82-seitigen Büchlein, das die Mundartinitiative „Mir kalle Platt en de Stadt“ um Hermann Josef Kesternich herausgegeben hat. Die Publikation heißt „Buere en de Stadt“ – Untertitel: „Erinnerung an die Landwirtschaft in der einstigen Agrar- und Tuchstadt Euskirchen“.

Die Initiative stellt ihre Recherche-Ergebnisse am Montag der Öffentlichkeit vor, und zwar im Rahmen ihrer beliebten Reihe von Mundartnachmittagen im Alten Rathaus. Das Heft bietet sie dort für fünf Euro zum Kauf an.

Zu den großen landwirtschaftlichen Betrieben in Euskirchen gehörte der Hof Breuer an der Frauenberger Straße. 2012 wurde er abgebrochen, um Platz für Wohnhäuser zu schaffen.

Zurück zu Heinrich Berk. Er lebte von 1860 bis 1937 und hatte mit seiner Frau Helene nicht nur besagte sieben Töchter, sondern auch zwei Söhne. Sein Hof befand sich an der Ecke Rüdesheimer Torwall/Kommerner Straße.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Stadt war damals – ganz anders als heute – keine Besonderheit. Noch 1946 existierten in Euskirchen und Kessenich 26 Bauernhöfe. Im Laufe der Jahrzehnte verschwanden sie allesamt von der Bildfläche.

Zahlreiche Stunden im Stadtarchiv

Die städtische Einwohnerliste von 1801 hatte sogar 87 Betriebe ausgewiesen. Bei 274 Häusern, die damals registriert waren, ein klarer Beleg dafür, dass Euskirchen zu jener Zeit „rein agrarisch strukturiert“ war, wie Hermann Josef Kesternich es formuliert. Er hatte mit Alo Tkocz die Federführung in der Gruppe, zu der auch Liesel Birkenfeld, Josef Pauli, Oskar Petry und Franz Schmitz gehören.

Kesternich verbrachte zahlreiche Stunden im Stadtarchiv, wo er Einwohnerlisten durchforstete und alle möglichen Informationen zum Thema zusammentrug. In der Publikation schreibt er: „Eine Berufsgruppe, die in der Vergangenheit das Stadtbild und die Stadt mitgeprägt hat, die Gruppe der Landwirte, ist heute vollends aus der Stadt verschwunden. Die ehemaligen Hofanlagen haben modernen Wohneinheiten Platz gemacht, das einstige Ackerland wurde Bauland und es entstanden neue Straßenzüge und Wohnviertel.“

Anekdoten

Das Treffen der Mundartinitiative „Mir kalle Platt en de Stadt“ beginnt am Montag, 27. Mai, um 17 Uhr in den Räumen der Kreis-Volkshochschule im Alten Rathaus in Euskirchen, Baumstraße 2. Der Eintritt ist frei.

Mitglieder der Initiative werden unter anderem eine Reihe von Anekdoten vortragen, natürlich in „Ööskerche Platt“, also in Mundart. So wird es auch um folgende Frage gehen: „Dütsche oder belgische Söu?“

Die Zuhörer können sich auf die Schilderung einer Begebenheit aus dem Jahr 1946 freuen, als Barions „Bämm“, ein Euskirchener Bauer, bei der Viehzählung mit einer überraschenden Erklärung aufwartete, mit der sich anschließend sogar die Ratsherren beschäftigten. (ejb)

Gewährsleute, die Auskunft über die Landwirtschaft in Euskirchen geben können, waren nur schwer zu finden. Die Mitglieder der Initiative machten aber Nachfahren der Bauern ausfindig. „Sie haben uns mit offenen Armen empfangen und uns Informationen und alte Fotos überlassen“, so Kesternich.

So sei es gelungen, Angaben zu allen Landwirten samt ihren Höfen zu erhalten, die 1946 in Euskirchen ihrem Beruf nachgingen. Anfang des 19. Jahrhunderts hatten viele von ihnen in der Hochstraße, der Kirchstraße, der Kapellen- und der Vuvenstraße gewohnt. Als Euskirchen wuchs und Raum für Wohngebäude brauchte, wurden sie aus dem Zentrum verdrängt.

Noch heute Überbleibsel zu finden

„Immer wieder wurden die Flächen, die die Bauern bewirtschafteten, für die Stadterweiterung benötigt“, sagt Josef Pauli. „Diese Entwicklung war zuerst innerhalb der heutigen Ringstraße zu beobachten, dann auch außerhalb.“

Überbleibsel der alten Höfe findet man aber auch heute noch, etwa eine Toreinfahrt und einen Giebelaufzug, der im Haus Rath in der Bischofstraße zum Getreidespeicher führte.