Krieg in der UkraineIn Euskirchen ist Zeltstadt für bis zu 1000 Geflüchtete möglich
Kreis Euskirchen – Die Hilfsbereitschaft für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, ist ungebremst groß. Parallel zu den Hilfstransporten in Richtung ukrainischer Grenze laufen die Vorbereitungen der Bezirksregierung im Kreis für die Aufnahme einer größeren Zahl von Geflüchteten auf Hochtouren.
Als Flüchtlingsunterkunft ist nun nicht mehr nur die ehemalige Eifelhöhen-Klinik Marmagen im Gespräch, sondern auch eine Zeltstadt für bis zu 1000 weiteren Flüchtlingen auf dem Gelände der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Euskirchen. Ob dort Geflüchtete aus anderen ZUEs oder ukrainische Kriegsflüchtlinge unterkommen werden, ist offen.
DRK steht in Startlöchern
Wenn Rolf Klöckers Handy klingelt, könnte es die Bezirksregierung Köln sein. „Es kann täglich losgehen“, sagt der Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Man stehe nicht in den Startlöchern, sondern sei schon losgelaufen, sagt Klöcker. Auch ohne offiziellen Auftrag der Bezirksregierung. Der könne aber jede Minute kommen. „Wir haben in der ZUE in Euskirchen 500 Plätze. Die Einrichtung ist aber nicht komplett belegt“, so Klöcker, der 500 weitere Plätze, beispielsweise in einer Zeltstadt, für „realistisch“ hält. „Da sind wir bereits voll in den Planungen“, sagte der Kreisgeschäftsführer im Gespräch mit dieser Zeitung.
Zudem laufen die Planungen für die Eifelhöhen-Klinik beim DRK auf Hochtouren. In Marmagen will die Bezirksregierung bis zu 750 ukrainische Flüchtlinge unterbringen. „Für uns sind so kurzfristige Anfragen nicht neu. Das bekommen wir auch in diesem Fall gestemmt“, sagt Klöcker.
Betten vorrätig
Eine Herausforderung seien aber die Patientenbetten, die aktuell noch in den Zimmern der ehemaligen Reha-Klinik stehen. Die müssen anderweitig zwischengelagert werden. Der Plan der Bezirksregierung: In ein Einzelzimmer komme ein doppelstöckiges Bett, in einem Zweierzimmer sind es zwei Doppelstockbetten.
„Wir haben immer einen Teil von Betten vorrätig, weil wir bereits 2015 mit einer Flüchtlingswelle Erfahrungen gemacht haben“, so Klöcker: „Das sind Größenordnungen, die nicht ohne sind. Und natürlich spielt auch die Kurzfristigkeit eine Rolle.“ Er geht aber nicht davon aus, dass in drei Tagen in Marmagen 750 und in Euskirchen mehr als 500 Geflüchtete betreut werden müssen. Das werde „Step by Step“ erfolgen.
„Wir haben den großen Vorteil, auf etwa 1000 ehrenamtliche Helfer aus dem Kreis Euskirchen zurückgreifen zu können“, berichtet der DRK-Chef. Das sei ein Pfund, mit dem man gerade in der Anfangsphase wuchern könne. „So groß wie die Hilfsbereitschaft in der Öffentlichkeit, so groß ist auch die Hilfsbereitschaft bei unseren Ehrenamtlern. Das ist nach all den Krisen der Vergangenheit erstaunlich, macht mich aber auch unheimlich stolz“, sagt Klöcker.
Die Bezirksregierung Köln arbeitet nach eigenem Bekunden gerade unablässig daran, weitere Kapazitäten für Geflüchtete zu schaffen, sagt Vanessa Nolte, Sprecherin der Bezirksregierung. Dabei nehme man zunächst die vorhandenen Flächen unter die Lupe und prüfe, ob diese für eine Erweiterung mithilfe vorübergehender Zeltstädte infrage kommen. „Bei dieser Prüfung spielt auch Euskirchen eine Rolle“, so Nolte. Konkrete Zahlen, beispielsweise wie viele Geflüchtete in einer möglichen Zeltstadt in Euskirchen untergebracht werden könnten, könne sie nicht nennen. Dafür sei es zu früh.
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Nach Angaben der Kreisverwaltung sind aktuell etwa 900 geflüchtete Menschen aus der Ukraine im Kreis angekommen. Am Donnerstagvormittag fragte zudem die Stadt Köln erneut um Amtshilfe in der Kreisverwaltung an. Konkret ging es darum, ob der Kreis kurzfristig einen Bus mit Kriegsflüchtlingen aufnehmen könne.
Die Situation in der Stadt Euskirchen
Die Stadt Euskirchen hatte bis Mittwochnachmittag knapp 300 Kriegsflüchtlinge registriert. 94 davon seien in städtischen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht worden und etwa 200 in privaten Unterkünften . Diese Zahlen gab der Erste Beigeordnete Alfred Jaax im Ausschuss für Generationen und Soziales bekannt.
Er wies darauf hin, dass die Verwaltung längst nicht über alle Geflüchteten aus der Ukraine informiert werde. Viele Menschen seien individuell oder mithilfe von Unterstützern nach Euskirchen gekommen, also „nicht in einem gelenkten Verfahren“. Allerdings hätten der Bund und das Land NRW mittlerweile ein Zuweisungsverfahren angekündigt.
Kapazität für 400 Menschen
Die Verwaltung geht davon aus, dass sie bis Ende dieser Woche 250 Unterkunftsplätze vorhalten kann, die sich auf Zimmer für Familien verteilen, wie Jaax ergänzte. Darüber hinaus sei vorgesehen, 150 Plätze zur Verfügung zu stellen, für die kurzfristig Notbetten oder Feldbetten beschafft werden sollen. Diese ergebe städtische Kapazitäten für 400 Menschen, sagte der Dezernent.
„Daneben hoffen wir, dass wir weiter von privater Seite unterstützt werden.“ Generell gelte, dass die Flüchtlinge, die im gelenkten Verfahren nach Deutschland kämen, nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Auf Nordrhein-Westfalen entfielen demnach etwa 21 Prozent der Geflüchteten, auf Euskirchen davon wiederum etwas mehr als 0,33 Prozent.
Kontroverse mit AfD-Stadtverordnetem
Eine Million Flüchtlinge in Deutschland bedeuten demnach für die Kreisstadt ein Kontingent von ungefähr 700, nannte Jaax ein Beispiel. In die Rechnung fließt aber auch die ZUE des Landes an der Thomas-Eßer-Straße ein. Jaax sagte: „Wir gehen nicht rein nach Quote vor, sondern sind humanitär unterwegs. Das heißt: Wir weisen niemanden ab.“
Damit rief er den AfD-Stadtverordneten Dieter Hassen auf den Plan. „Es gibt Berichte, wonach sich unter den Geflüchteten eine ganze Menge Trittbrettfahrer befinden, die mit dem Kriegsgeschehen nichts zu tun haben. Wie sieht es mit einer Identitätsprüfung aus?“, fragte Hassen die Verwaltung: „Nicht, dass wir wieder so ein Chaos erleben wie 2015.“
Beifall aus dem Ausschuss
Jaax’ Antwort: „Jeder, der annimmt, dass da Trittbrettfahrer unterwegs sind, kann sich gerne zu uns auf den Flur setzen, sich die Menschen ansehen, in ihre Augen schauen und dann überlegen, ob man solche Menschen als Trittbrettfahrer bezeichnet. Wir haben das nicht feststellen können.“
Die Registrierung werde vom Bund in die Wege geleitet, sagte der Beigeordnete. Bei den Menschen, die nach Euskirchen gekommen seien, habe er aber „keinerlei Bedenken“, betonte Jaax und erhielt dafür Beifall aus den Reihen des Ausschusses.
Hassen gab sich damit nicht zufrieden. „Jeder Rechtsstaat muss wissen, wer sich auf seinem Territorium befindet und woher er kommt“, sagte er: „Wir sollten nicht die gleichen Fehler begehen wie 2015.“ Daraufhin ergriff der Ausschussvorsitzende Thomas Brochhagen (SPD) das Wort: „Wir machen keine Fehler. Jeder, der dem Bombenterror entkommen ist, ist uns hier willkommen.“
Die Situation in der Stadt Mechernich
Bis Mittwochmittag waren 43 Kriegsflüchtlinge in Mechernich eingetroffen – und ausnahmslos privat bei Familien untergekommen. Weitere 20 Geflüchtete kamen nach Angaben der Stadt in die Migrantenunterkunft im früheren Casino an der Friedrich-Wilhelm-Straße unter. Dort sollen noch vor dem Wochenende weitere 20 Flüchtlinge eine zwischenzeitliche Heimat finden, die die Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Jugend und Soziales im Wege der Amtshilfe aus dem Regierungsbezirk Arnsberg übernehmen.
Fachbereichsleiterin Silvia Jambor rät privaten Quartiergebern und Flüchtlingen zu einigen wichtigen Verhaltensregeln: „Eine Meldung beim Einwohnermeldeamt/Bürgerservice der Stadtverwaltung ist unerlässlich. Die Menschen werden registriert, werden Teil des Unterstützungsprozesses durch den Staat, bekommen Anträge auf Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die sie beim Ausländeramt des Kreises einreichen.“
Für die Anmeldung bei der Meldebehörde seien grundsätzlich ein Identitätsdokument und eine Wohnungsgeberbestätigung notwendig.