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EuskirchenSoziale Landwirtschaft– Ziegen und Rinder für die Seele

Lesezeit 5 Minuten

Katrin Buderaths Ziegenherde liefert nicht nur die frische Milch für die Herstellung des köstlichen Ziegenkäses, sie unterstützt auch hervorragend bei der pädagogischen Arbeit.

Euskirchen-Kirchheim – Wenn Katrin Buderath am späten Nachmittag ihre Ziegenherde zum Melken in den Stall bringt, wirken Tiere und Mensch wie ein gut eingespieltes Team. Die Ziegen mit ihren prall gefüllten Eutern warten geduldig, bis sie an der Reihe sind, dann klettern sie zu zweit in die selbstgebaute Melkvorrichtung, deren alte Bohlen und Bretter ihre eigene Geschichte von dem traditionsreichen Kirchheimer Bauernhof erzählen könnten.

„Die Ziegen haben beim Melken eine festgelegte Reihenfolge, und die haben sie selber bestimmt“, erzählt Katrin Buderath. Sie respektiert dieses System, stöpselt in Ruhe eine Ziege nach der anderen an die Vakuumpumpe, spricht sanft mit den Tieren, die ihr täglich rund 35 Liter Milch geben. Der respektvolle, achtsame Umgang mit den Tieren wird auf dem Kirchheimer Hof großgeschrieben.

Auf den ersten Blick sind es einfach nur 22 weiße Ziegen, die sich auf der weitläufigen Streuobstwiese unweit der Steinbachtalsperre tummeln. Auf den zweiten Blick erkennt man dann doch allerlei Unterschiede. Die einen haben Hörner, die anderen nicht, manche schmückt der typische Ziegenbart oder sogenannte Glöckchen, fellige Hautausstülpungen am Hals.

„Deutsche weiße Edelziege“ heißt die Rasse, die als hochproduktiv, aber auch als gefährdet gilt. „Außerdem haben die Tiere sehr unterschiedliche Persönlichkeiten“, erzählt Katrin Buderath. Von schüchtern bis rüpelig ist in der Herde alles dabei.

Dass die 37-Jährige einmal den elterlichen Hof übernehmen würde, stand keineswegs fest. Sie studierte Soziale Arbeit, absolvierte die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und arbeitete zehn Jahre lang in unterschiedlichen Einrichtungen in Köln und Düsseldorf.

Kirchheimerin kehrt Stadt den Rücken und übernimmt elterlichen Bauernhof

„Wie groß meine innere Verbundenheit zur Natur ist, wurde mit den Jahren immer deutlicher“, erzählt sie. Als dann die Eltern von ihren vier Töchtern wissen wollten, ob und wie es mit dem Hof weitergeht, keimte die Idee. „2019 bin nach 15 Jahren Stadtleben nach Kirchheim zurückgekehrt, um hier mein Verständnis von sozialer Landwirtschaft zu verwirklichen“, so die 37-Jährige.

Ihren Weg dorthin beschreibt sie selber als einen Zick-Zack-Kurs, was wiederum die Suche nach einem passenden Namen für den Hof inspirierte. „Meine Vision ist es, Landwirtschaft sozial zu gestalten, den Bauernhof, die Tiere und die Natur erlebbar zu machen und die sozialen Aspekte der Nutztiere für die Menschen in den Vordergrund zu stellen.“

Keineswegs eine übers Knie gebrochene Entscheidung: Katrin Buderath begleitete einen Schäfer und seine Herde, der Menschen mit psychischer Erkrankung in die Arbeit einbindet. Sie arbeitete neben ihrem Job ein halbes Jahr in einem Ziegenbetrieb und lernte alles über Haltung, Melken, Weidemanagement und Ziegenkäseherstellung.

Euskirchenerin wird Sachkundige im Bereich Ziegenhaltung

Bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein absolvierte sie schließlich den Sachkundelehrgang Ziegenhaltung, außerdem startete sie eine Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Intervention, Pädagogik und Therapie.

Und dann ging’s los. Mit sechs trächtigen Ziegen, die kurze Zeit später ersten Nachwuchs bekamen. „Diese Tiere sind mutig, neugierig und gleichzeitig sehr sensibel – und sie bieten für die pädagogische Arbeit ein unglaubliches Potenzial“, ist Buderath begeistert. Mittels der Methoden der tiergestützten Intervention, Pädagogik und Therapie könne man Menschen unterstützen, ihre Potenziale besser zu nutzen und sich selbst als wirksam zu erfahren.

„Hektisch und laut geht nicht“: Miteinander von Tier und Mensch fördert Einfühlungsvermögen

Das achtsame Miteinander von Mensch und Tier fördere das Einfühlungsvermögen und damit auch die Wahrnehmung von Grenzen – der eigenen und die der Tiere. Hektisch und laut geht gar nicht, im Umgang mit den Hoftieren muss man die eigene Energie herunterfahren und entschleunigen. „Seit kurzem kommt regelmäßig eine Gruppe Kinder aus dem Frauenhaus hierher, die allesamt innerfamiliäre traumatische Erfahrungen machen mussten“, erzählt Buderath.

Dritte Generation

Der Bauernhof der Familie Buderath am Rande von Kirchheim wird in dritter Generation landwirtschaftlich geführt. Ursprünglich war er ein Milchviehbetrieb. Katrin Buderath hat dem Hof nicht nur einen neuen Namen gegeben, nämlich Hof Zickzack, sondern auch eine neue Ausrichtung: Sie vereint dort nun die Nutztierhaltung und den Verkauf von selbsthergestellten Hofprodukten wie Käse und Saft mit ihren Kompetenzen als Sozialarbeiterin und Heilerziehungspflegerin, die sie in unterschiedlichen Bereichen sammeln konnte.

Als Fachkraft für tiergestützte Intervention, Pädagogik und Therapie bietet die 37-Jährige auf Hof Zickzack Einzel- und Gruppenmaßnahmen für Menschen mit Behinderung sowie für Kinder und Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf im sozialen Bereich an.

Mit Methoden der heilpädagogischen Förderung und im Umgang mit den Hoftieren werden soziale und empathische Kompetenzen, Ausdrucksfähigkeit und Sprache, das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, Grenzen zu erspüren und zu zeigen, gefördert.

Der Zickzack-Hofladen bietet köstliche Ziegenfrischkäsesorten, selbst gepressten Apfelsaft und andere Leckereien. Geöffnet ist mittwochs, 15 bis 18.30 Uhr, sowie samstags, 11 bis 15 Uhr. (hn)

www.hofzickzack.net

Themen wie das Ausloten von Nähe und Distanz seien für diese Kinder oftmals schwierig. „Hier erleben sie unbeschwerte Stunden, in denen ihnen die Tiere völlig wertfrei begegnen.“ Auch die verlässliche Sicherheit, die die begleitenden Erwachsenen und Katrin Buderath vermitteln, sei für diese Kinder eine wichtige Erfahrung. „Von den Tieren wird einfach jeder Mensch akzeptiert, egal ob groß, klein, dick, dünn, klug, vergesslich, traurig oder fröhlich.“

Begeistert ist Katrin Buderath auch davon, wie viele Dinge sich aus dem normalen therapeutischen Alltag ins natürliche Setting eines Bauernhofes einfügen. Physio- und ergotherapeutische Übungen beispielsweise oder Interaktionsübungen aus der Autismustherapie: „Hier muss ich beispielsweise keine künstliche Landschaft aufbauen, um das Gleichgewicht zu schulen, hier reicht der Gang auf die Weide.“

Landwirtschaftlich-soziales Konzept soll ausgebaut werden

Am anderen Ende der großen Weide grasen zwei dunkle Rinder, denen Buderath die schönen Namen Praline und Frida gegeben hat. Langfristig will sie auch diese beiden in die pädagogische Arbeit einbinden.

An Ideen, wie der Hof mit seinem landwirtschaftlich-sozialen Konzept weiter ausgebaut werden kann, mangelt es der Kirchheimerin nicht. Sie kann sich gut vorstellen, auch Esel, Schweine und Hühner auf dem Zickzack-Hof zu halten.

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Und auch ein Hofcafé sowie kulturelle Veranstaltungen schweben ihr vor. „Mein allergrößter Traum aber ist es“, so verrät Katrin Buderath, „hier eines Tages auch Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung anbieten zu können.“