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Einfühlsame TiereKölnerin will therapeutische Arbeit mit Lamas ausbauen

Lesezeit 5 Minuten
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Die Sozialpädagogin Kira Berendonk möchte das therapeutische Angebot im Sürther Lama-Hof ausbauen.

Köln-Sürth – Nur nicht zu nah kommen – die können spucken. Das ist der erste Gedanke beim Besuch auf dem Lama-Hof am Ortsrand von Sürth, nahe des Naturschutzgebietes Sürther Aue.

Die 37-jährige Kira Berendonk kann nur schmunzeln über die Angst vor der vermeintlichen Spuck-Gefahr. Den Hof mit den vier „Jungs“ sowie den beiden Ziegen Millie und Kasimir hat sie Anfang dieses Jahres in Eigenregie übernommen. Die frühere Mitbetreiberin Barbara Hilgers hat sich nach vielen Jahren zurückgezogen vom Lama-Hof, den es seit 2010 gibt. Ausflüge und Erlebnistouren werden dort angeboten, Kira Berendonk will nun die therapeutische Arbeit mit den Tieren ausbauen.

Lamas sind für Therapie gut geeignet

Von Beruf ist Berendonk Sozialpädagogin mit einer Anstellung an einer Grundschule in Bayenthal. Sie ist zudem ausgebildete Fachkraft für tiergestützte Therapie – und Lama-Fan mit Leib und Seele. „Es sind so sanfte und umgängliche Tiere, genügsam, in hohem Maß einfühlsam, absolut ungefährlich und dabei so robust“, schwärmt sie. Sie könnten sich auf die Sorgen und Ängste der Menschen einstellen.

Manchmal würden die Lamas sogar den jeweiligen Gesichtsausdruck der Klienten annehmen. Deshalb seien sie für die Therapie auch so gut geeignet. „Wer Kontakt mit ihnen hat, schaltet automatisch einen Gang herunter und wird gelassener“, sagt sie. Das gehe ihr selbst ganz genauso.

Tatsächlich strahlen die großen Tiere mit dem flauschigen Fell eine beruhigende, zufriedene Wirkung aus – vielleicht deshalb, weil sie selbst so entspannt sind. Allerdings sind sie nicht behäbig, sondern irgendwie immer auf der Hut und können auch flink und wendig sein. Sie lassen sich dennoch streicheln und gern bürsten, wenn sie an der Leine sind.

An den Füßen haben die Lamas weiche Sohlenpolster – fast lautlos rennen sie übers Gras. Die Tiere gehören zur Familie der Kamele, nur haben sie keinen Höcker wie Trampeltier und Dromedar. Wenn sie sich ärgern, können sie auch mal nervös werden.

Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter

Aber in puncto Spuck-Gefahr gibt Fachfrau Kira Berendonk Entwarnung, zumindest für Menschen. „Wenn ein Lama spuckt, dient das als Vorwarnung, um innerhalb der Herde die Rangordnung zu klären“, betont sie. Die erste Ladung geht meistens in die Luft, die zweite landet dann treffsicher beim Artgenossen oder der Artgenossin. Nur sehr selten würde ein Mensch bespuckt und höchstens dann, wenn sich das Tier äußerst unwohl und belästigt fühle „Abgesehen davon sind Lamas Fluchttiere“, erklärt Kira Berendonk. Insofern würden sie sowieso lieber zurückweichen statt angreifen.

Jedes Tier in der kleinen Herde hat seinen eigenen Charakter. Magico ist zum Beispiel der Neugierigste und vergleichsweise zutraulich und außerdem dauerverliebt – in Lotte, die altdeutsche Mops-Hündin, die zum Hof gehört. Magico will am liebsten ständig in Lottes Nähe sein. Sie hat sich daran gewöhnt. „Er möchte vor allem gern Chef spielen“, sagt Kira Berendonk. Deshalb spucke er schon mal auf seine Artgenossen.

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Kira Berendonk mit ihren Lamas.

Aber das nütze wenig, denn das unangefochtene stolze Leittier sei Tiamo. Der habe den Überblick und werde respektiert. Charango mit den Löckchen am Kopf ist dagegen der „Lausbub“. Früher sei er schon mal über den Zaun gesprungen und eine Zeit lang abgehauen. Ganz anders der braune, besonders flauschige Aragon: „Er ist total verfressen, aber auch total verkuschelt“, erzählt Berendonk.

Rund 20 Jahre werden Lamas alt. Tiamo ist 14, Aragon zwölf und die beiden anderen haben zehn Jahre hinter sich. Gern würde sich Kira Berendonk noch in diesem Jahr zwei neue Lamas vom Züchter aus Bozen holen, von dem auch die anderen Lamas stammen. Wegen der Pandemie sei sie bislang noch nicht nach Südtirol gefahren und könne auch noch nicht absehen, ob es in diesem Jahr tatsächlich noch klappen wird – auch finanziell. Denn die pflegeleichten und unempfindlichen Lamas verursachen zwar keine hohen Unterhalt- und Pachtkosten. Sie sind mit Gras, Heu, und hin und wieder mit einer Möhre oder einem Apfel zufrieden. Und der Grundstückseigentümer erlaubt es, die Wiesen beim Lama-Hof an der Aue 93 zur Landschaftspflege zu nutzen.

Lama-Therapie für Jung und Alt

Trotzdem leidet der Hof unter Corona, weil Einnahmen entgangen sind. Therapien und Ausflüge waren seit Anfang 2020 kaum möglich. „Wir durften nicht in die Heime und nicht in die Schulen“, bedauert die Therapeutin.

Normalerweise besucht sie mit dem Lama einmal wöchentlich eine Demenzstation in einem Altenheim, die Senioren würden den Kontakt zum Tier sehr genießen. Sie setzt die Lamas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein – bei psychischen Erkrankungen und Auffälligkeiten, etwa bei Angst- oder Persönlichkeitsstörungen wie Borderline oder ADHS.

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Kinder lieben es, das Lama zu streicheln.

Die beruhigende Wirkung würde sich auf die motorisch instabilen Klienten oftmals schnell übertragen. Auch bei Personen mit Handicap würden die Lamas gute Dienste leisten. „Menschen mit spastischen Störungen greifen zum Beispiel gern ins dicke, warme Fell“, berichtet die Therapeutin. Die gutmütigen Lamas ließen sich das stoisch gefallen und keinen „überrumpeln“. Weil sie sich zudem leicht unterordneten, könnten sie auch gut an der Leine geführt werden.

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Anfragen für Therapieeinheiten kämen von entsprechenden Einrichtungen und von Schulen, auch von Einzelpersonen. Sie berichtet von einem Mädchen, das durch die Therapie mit den Lamas ein besseres Sozialverhalten erlernt hat. Wegen des Erfolgs hat das Jugendamt die Therapie finanziert. Die Krankenkassen übernehmen hierzulande die Kosten für die Lama-Therapie nicht, im Gegensatz zu Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden. „In dem Punkt ist Deutschland hinten dran,“ kritisiert sie.