AboAbonnieren

„Die Hitze wird ein großes Problem“Kölner Meteorologe sieht den Klimawandel mit Sorge

Lesezeit 5 Minuten
KS_RK_bester Blick für Schwanke am Rheinufer in Rodenkirchen

Sein Lieblingsplatz in Rodenkirchen ist das Ufer, wo er gerne mal Steine titschen lässt oder am Rhein entlang joggt.

Rodenkirchen – „Es ist schön für das Auge, wo wir hier sitzen. Das Grün, der Rhein, einfach atmen und sehen“, sinniert Karsten Schwanke. Wir sitzen auf der Hochwasserschutzmauer und blicken auf die Rodenkirchener Riviera. Die ersten Kinder spielen im Wasser, der Strand ist - meistens auf Abstand - gut besucht.

Jogger, Radfahrer, Spaziergänger sind unterwegs, gefühlt ist jeder draußen. Die Temperatur ist mild, der Himmel blau. Großartig, oder?

Schwanke legt den Kopf leicht schief und kneift die Augen zusammen. Seit 26 Jahren ist er einer der bekanntesten Wettermoderatoren der ARD. Sein Nimbus: Nicht einfach moderieren, sondern das Wetter erklären und das klingt dann folgendermaßen: „2018 hatten wir sechs Monate Sommer Hochdruckwetterlage. Das ist eine völlig neue Qualität des Wetters“.

Als Vergleich nutzt er ein Bild aus seinen Kindheitstagen: Da hielt eine Hochwetterfront maximal vier Wochen. Eine eher gering anmutende Erderwärmung von rund 1,2 Grad seit 1880 klingt in den Folgen drastischer: „2019 brachte das massive neue Hitzerekorde mit Temperaturen über 40, vereinzelt 41 Grad. 2020 sind wir an manchen Tagen bei 42 Grad, auch hier in Köln“, zählt er mit Blick auf die spielenden Kinder auf.

KS_RK_fast wie Urlaub. Frühling am Rheinufer in Rodenkirchen

„Schön fürs Auge“ findet ARD-Wettermoderator Karsten Schwanke den Blick auf den Rhein.

Für solche Temperaturen nebst Strandpanorama fuhr man in den 1970er Jahren ans Mittelmeer. Noch 20 Jahre davor, in den 1950ern, galten 25 Grad als Sommertage, von denen es rund 25 gab. Jetzt sind es im Schnitt 99 pro Jahr. Hier, nicht am Mittelmeer. Der Sommer ist somit meteorologisch im Frühjahr an Rodenkirchens Riviera angekommen, zumindest für zwei Tage, bevor noch einmal der Schnee kommt.... Auch extreme Schwankungen gehören in diesem Frühjahr zur Großwetterlage, aber ist das gut?

Kölner Wetterexperte plädiert für Wasserreservoirs

„Ganz sicher nicht, das ist Ausdruck des Klimawandels“, weiß der Wetterexperte. Ein Thema, das er bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei Firmen- und Klimavorträgen, in Schulen und auch im Talkgottesdienst in der Lutherkirche diskutiert. Um den Klimawandel zu sehen, müsse man in Köln nur in den Wald gehen. „Dass wir den Wald in 80 Jahren noch haben, glaube ich nicht“, konstatiert er. Eine nüchterne Ansage. Auch für die Stadt schwant Schwanke nicht nur Schön-Wetter: „Die Hitzebelastung wird ein großes Problem“. Er plädiert für Wasserreservoirs, um die Parks zu schützen. „Wir brauchen das Grün, das kühlt“, weiß er. Ein weiteres Bild gilt dem Starkregen: „Eine wärmere Atmosphäre speichert mehr Wasserdampf. Das lässt Wolken höher wachsen. Bis zu 16 Kilometer hoch. Je höher Wolken wachsen, um so mehr Wasser bildet sich, das entleert werden kann“.

Die Kehrseite von „Schön fürs Auge“

Hagel und Gewitter werden ebenfalls wahrscheinlicher. Und dazwischen stehe der lange, dürre Sommer, der sich immer weiter ausdehne – sowohl in den Frühling als auch in den Herbst hinein. Der 52-Jährige redet Tacheles, was die Kehrseite von „Schön fürs Auge“ anbelangt. Natürlich genieße er es privat bei schlechtem Wetter durch den Weißer Rheinbogen zu joggen (bei Regen könne man die Gedanken fallen lassen), während er bei schönem Wetter Richtung Innenstadt bis zur Severinsbrücke und dann auf der Poller Seite zurück. Die Pandemie, so Schwanke, biete unglaubliche Parallelen, die ihn „wahnsinnig“ machten: „Auch hier liegen die Zahlen auf dem Tisch und die Menschen sind nicht in der Lage, auf wissenschaftliche Prognosen zu reagieren“. Sein Job jedenfalls hat sich genauso geändert, wie das Wetter. Oder Wetter-Apps, die er aber nicht wirklich als Konkurrenz betrachtet: „Die können das Wetter an 1000 Orten gleichzeitig vorhersagen, das kann ich nicht“.

Zur Person

Karsten Schwanke, Jahrgang 1969, studierte Meteorologie in Berlin und Hamburg. Er gehört zu den bekanntesten Meteorologen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für das Video im Wetter vor Acht, das den Zusammenhang zwischen Klimawandel und langen trockenen Sommern erklärt, wurde er 2019 mit dem Grimme-Preis nominiert. Er lebt mit seiner Familie im Kölner Süden.

Was er aber kann, ist den Zuschauern das Wetter verständlich nahe bringen: „Die journalistische Rolle der Wettererklärung wird immer wichtiger“, meint er, und im Gegensatz zu einer App kann Schwanke Unwettersituationen live verfolgen. Am Rhein hielten sich dabei falsche Wettervorhersagen in Grenzen. „Ein Sahara-Wind kann allerdings immer noch jede Prognose verhageln, wenn es schlagartig diesig ist und der Himmel bleiern“, gesteht er.

Ein harter Kurs kann das Klima retten

Ist das Klima denn überhaupt noch zu retten? „Ja“, meint Schwanke, wenn ein harter Kurs eingeschlagen werde, ein gesellschaftliches Umdenken stattfände. „Es reicht nicht, wenn die Vernünftigen kein Fleisch mehr essen oder wir unter einem Verkehrskonzept ein paar Pinselstriche für Radfahrer verstehen“. Nach seiner Einschätzung ist eine Kehrtwende noch machbar, wenn auch ein großer Kraftakt. Sein Lieblingsbeispiel, das er nicht nur in Köln anbringt, ist dabei die seiner Meinung nach völlige Fehlplanung am Bonner Verteiler. Da ärgert ihn die verkehrstechnische Kurzsichtigkeit. „Wie kann man einen S-Bahn-Anschluss an die Autobahn bauen? Das ist zum Schreien“, findet der Wetter-Mann. „Da hilft nur ein Parkhaus mit 50 Stockwerken und ein durchgetakteter öffentlicher Nahverkehr und ein komplett neues Verkehrskonzept.“

Dass es weiter wärmer wird, steht für ihn jedenfalls völlig außer Frage. Die großen Folgen, die Erderwärmung, die seien bekannt. Aber die kleinen?

Das könnte Sie auch interessieren:

Was bedeuten zwei oder vier weitere Grad mehr, beispielsweise in den nächsten 30 bis 40 Jahren für diese Stadt? Das wisse keiner genau. Für Schwankes Wetterprognosen gilt jedenfalls auch in Zukunft, die Waagschale zu halten: „Ich möchte immer mit dem Wetter auch eine Stimmung vermitteln. Wenn es eine Woche schön war, muss es erlaubt sein, zu sagen, es muss auch mal wieder regnen“.