Euskirchener Fußballer am AbgrundETSC = Einfach Traurig, Schade, Chaotisch
Euskirchen – Loslassen, sich trennen: Es wird Zeit, dass sich die Fußballer, die Euskirchener, die Sympathisanten, aber auch die Gegner des Euskirchener TSC eingestehen, dass die einst so stolze Fußballabteilung nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Seit Jahren sorgt der ETSC im Jugend- und Seniorenbereich gefühlt nur noch für Negativschlagzeilen: die Jugend im Niemandsland versunken, die Senioren Tabellenletzter in der Bezirksliga, Tendenz fallend, wenn es denn ginge.
Und nun steht die Mannschaft, die aktuell kein Bezirksliganiveau hat, auch noch ohne Trainer da. Markus Klaas ist aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Ein Schritt, der für die Spieler, aber auch die wenigen Verantwortlichen der Seniorenabteilung überraschend kam – und zwangsläufig Fragen aufwirft. Vor allem die nach dem „Und nun?!“ Spätestens jetzt ist klar, dass der ETSC nicht mehr ist als ein verblasster Stern am Fußballhimmel.
Die x-te Chance
Und doch ist es nun auch die gefühlt x-te Chance, endgültig aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, sich endgültig von den Geistern, die sie riefen, zu lösen. Und auch die Chance, sich endgültig einzugestehen, dass die Buchstabenkombination ETSC genauso gut für einfach traurig, schade, chaotisch stehen könnte.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die vermeintlich guten alten Zeiten gar nicht so gut waren, sie rückblickend leicht verklärt wirken. Ja, der ETSC hat vor gut 20 Jahren mit der dritten Mannschaft in der Kreisliga A gespielt, stieg 1999 sogar in die Oberliga auf. Doch das waren andere Zeiten. Und auch dort wurden Fehler gemacht. Fehler, die den Verein bis heute verfolgen. Von denen er sich in gewisser Weise auch nie wieder erholt hat. Denn das Geld, das offiziell nie an Spieler gezahlt worden ist, fehlt heute. Und viel schlimmer: Es hat dem Verein einen Ruf eingebracht, der die Protagonisten beim Wiederaufbau immer wieder von den Beinen holt wie eine Blutgrätsche.
Gehälter im vierstelligen Bereich
Noch vor fünf Jahren wurden nach Informationen dieser Zeitung Gehälter gezahlt, die vierstellig waren – pro Monat. „Ich bekomme oft als erstes die Frage gestellt, wie viel ich denn bekomme, wenn ich zum ETSC wechsle“, erzählt Max Hilgers, Abteilungsleiter der Fußballsenioren.
Und da kein Geld da ist und man sich sowohl im Hauptvorstand als auch in der Fußballabteilung darüber einig ist, einen anderen Weg gehen zu wollen – eben kein Geld zu zahlen, das eh nicht vorhanden ist – ist die Mannschaft wie sie ist: derzeit, in ihrer jetzigen Konstellation, zu schlecht für die Bezirksliga.
Ein Umstand, der aber sogar Chancen bietet. Den Spielern beispielsweise. Die können es dem Rest der Fußballwelt im Kreis zeigen, dass man Wunder schaffen und nicht nur besingen kann. Und einem Trainer, der aus der Herausforderung ein Lebenswerk erschaffen kann. Klingt pathetisch bis kitschig? Klingt nach einem schlechten Hollywood-Sportfilm, dessen Drehbuch in jeder Schauspielschule abgelehnt werden würde? Wahrscheinlich schon.
Und trotzdem ist genau das die Chance des ETSC! „Die Jungs lernen in einer Liga, die keine Fehler verzeiht, unheimlich schnell“, sagt Hilgers. Woran es vor allem hapere? An der der Erfahrung, sagt der Abteilungsleiter, der gleichzeitig auch spielender Co-Trainer und Dolmetscher in einem Team ist, das vornehmlich aus Geflüchteten besteht. „Wenn wir den Ball haben, wird sofort das Heil in der Offensive gesucht, statt mal auf den Ball zu treten und Ruhe ins Spiel zu bekommen“, analysiert Hilgers.
Hilgers gibt sich kämpferisch
Und die Frage nach dem „Und nun?!“ beantwortet er kämpferisch – als habe man gerade in der 88. Minute den Anschlusstreffer zum 1:2 erzielt: „Die Welt dreht sich weiter. Natürlich machen wir weiter und spielen die Saison zu Ende.“ Gerade der letzte Teil soll den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Schließlich haben bereits vor dem ersten Spiel nicht wenige behauptet, dass das Projekt keine Zukunft habe – zumindest nicht über die Winterpause hinaus. Er werde nun einen Trainer suchen. Das sei, so Hilgers, keine einfache Aufgabe. „Vielleicht gibt es aber einen jungen Trainer, der Lust auf die Aufgabe hat“, sagt er. Er müsse aber wissen, auf was er sich einlasse. Die Infrastruktur der ETSC-Fußballabteilung ist nämlich immer noch nicht ansatzweise bezirksligatauglich. Aber der Verein bietet die Chance, in Ruhe zu arbeiten – mit Spielern, die allesamt kicken können, aber noch kein Team sind, keins sein können. Und deutlich zu unerfahren sind für die Spielklasse.
Ein Punkt, der den Verantwortlichen auch immer wieder vorgeworfen wird: für die Bezirksliga gemeldet zu haben. Es sei ja abzusehen gewesen, dass die Mannschaft kein Bezirksliganiveau habe, sagen die Kritiker. „Ich bereue es überhaupt nicht, in dieser Liga gemeldet zu haben“, sagt Hilgers: „Die Kreisliga A wird in einer Einfachrunde gespielt. Erwischst du dort einen Fehlstart, wird es bei acht Spielen schwer, dort wieder rauszukommen. Und plötzlich bist du als sportlicher Absteiger in der B-Klasse.“ Ein Punkt der zutrifft. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wenn der ETSC doch noch zurückziehen sollte – aus welchen Gründen auch immer –, er in der kommenden Saison in der Kreisliga C angekommen ist. Und außerdem stand zum Zeitpunkt der Meldefrist nicht fest, dass auf Kreisebene eine Saison ohne Hin- und Rückrunde gespielt werden wird.
C-Klasse keine Option
Und direkt in der C-Klasse beginnen? „Wenn du schon in der Bezirksliga keinen Spieler für ein solches Projekt bekommst, dann erst Recht nicht in der C-Klasse“, entgegnet Hilgers.
Ihm ist zu wünschen, dass er nicht loslässt, sich nicht trennt. Zumindest nicht vom Vorhaben, aus dem ETSC wieder einen stolzen Verein zu machen. Einen, der nicht in der Vergangenheit lebt, der sich aber trotzdem auch gerne an die gute alte Zeit erinnert. Vor allem aber einen, der im Hier und Jetzt lebt und nach vorne blickt. Denn es gilt: Vielleicht müssen wir das loslassen, was wir waren, um das zu werden, was wir sein wollen.
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