WinterEuskirchener Notschlafstelle für Obdachlose ist für Ansturm gewappnet
Euskirchen – Es wird kalt in den kommenden Tagen und Nächten. Temperaturen um den Gefrierpunkt – für alle, die eine Wohnung haben und heizen können, kein großes Problem. Doch wie ergeht es jenen, die kein Dach über dem Kopf haben, auf der Straße leben?
„Kälte halte ich gut aus, viel schlimmer ist die Feuchtigkeit, die in den Schlafsack und die Klamotten kriecht“, sagt Erich K. (Name geändert), der seit 20 Jahren überwiegend obdachlos ist. Fast immer habe er in dieser Zeit im Wald übernachtet, in einem Zelt, das er dort an geschützter Stelle aufgeschlagen habe. Bis vor wenigen Jahren hat sich Erich ohne staatliche Hilfe durchgeschlagen, Flaschen gesammelt und kleine Arbeiten übernommen. „Jetzt kriege ich Geld vom Amt und habe mir sogar ein Handy kaufen können“, so der 50-Jährige, der einst als Dreher gearbeitet hat.
Nicht nur Unterkunft, sondern auch Betreuung
Etwa neun weitere Menschen in Euskirchen schlafen derzeit wie Erich unter freiem Himmel, anstatt nachts die Notschlafstelle des Caritasverbandes aufzusuchen. Dort ist Platz für zwölf Personen – normalerweise. Doch in Zeiten von Corona greift auch hier ein striktes Hygienekonzept: „Jetzt können maximal sieben Männer und eine Frau bei uns übernachten“, erklärt Sozialarbeiter Markus Niederstein. Und was, wenn der große Ansturm kommt oder sich Klienten mit Covid-19 infizieren?
Clemens-Josef-Haus
Im Clemens-Josef-Haus bei Ahrhütte, besser bekannt unter dem Namen Vellerhof, sind derzeit 107 Bewohner in der Wohnungslosenhilfe untergebracht sowie 84 im Alten- und Pflegeheim. Unter Corona-Bedingungen gebe es veränderte Aufnahmemodalitäten, man arbeite mit Schnelltests, sagt Leiter Werner Hoff.
„Noch sind die Anfragen nicht so hoch wie sonst oft zu dieser Jahreszeit. Vielleicht war es nicht kalt genug“, meint Hoff.
Wenn es in der Notschlafstelle in Euskirchen zu voll wird, helfe man immer gerne aus: „Im vergangenen Jahr, als die Einrichtung überfüllt war, haben wir fünf Klienten übernommen“, sagt Werner Hoff, seit 20 Jahren Leiter des Vellerhofs, der unter der Trägerschaft des Rheinischen Vereins für Katholische Arbeiterkolonien steht. (hn)
„Dann müssen wir gemeinsam mit der Stadt nach Auswegmöglichkeiten suchen“, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Fachbereichsleiter Bernhard Becker. Die mögliche Einquartierung von Wohnungslosen in Hotels oder Jugendherbergen sehen Becker und Niederstein kritisch: „Ein Großteil unserer Klientel braucht nicht nur ein Bett, sondern Betreuung.“
Quarantäne für Wohnungslose
Von langer Hand zu planen, sei zurzeit eher schwierig, man fahre auf Sicht, müsse das Angebot ständig an die neuen Bedingungen anpassen. Im Falle eines Falles müsse man eben improvisieren. Dass das klappt, hat das Team rund um Becker seit Beginn der Pandemie bewiesen.
Hilfen
Wie viele Menschen im Kreis Euskirchen wohnungslos sind, kann man nicht genau sagen. Nicht jeder nimmt staatliche Hilfen oder andere Unterstützungsangebote an, wie sie etwa die Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes Euskirchen macht. An der Kommerner Straße 21 finden sich Fachberatungsstelle, Tagesstätte und Notschlafstelle unter einem Dach.
242 Menschen stellt die Beratungsstelle an der Kommerner Straße derzeit eine postalische Anschrift zur Verfügung. Darüber hinaus können die Klientinnen und Klienten Dusche und Waschmaschine der Einrichtung nutzen.
Der tägliche Überlebenskampf der Wohnungslosen wird aber auch gemildert durch ein offenes Ohr, eine Tasse Kaffee, ein warmes Mittagessen und die Möglichkeit, Computer mit Internetanschluss zu nutzen.
Die Unterstützung seitens der Bevölkerung sei seit Ausbruch des Coronavirus riesig gewesen, sagt Bernhard Becker, stellvertretender Caritas-Geschäftsführer. Firmen, Unternehmen und sehr viele Privatpersonen hätten mit ihren Spenden geholfen, in diesen schwierigen Zeiten das Angebot für die Wohnungslosen an die jeweiligen Bedingungen anzupassen. Unter anderem wurden Weihnachten 70 Geschenktüten gepackt – zum Inhalt gehörten auch Masken und Desinfektionsmittel. (hn)
Einmal sei bisher für einen Klient seitens des Gesundheitsamtes Quarantäne verhängt worden. „Wenn ein Wohnungsloser in Quarantäne geschickt wird, hat man schon erstmal Fragezeichen in den Augen“, so Niederstein. Gemeinsam mit dem Ordnungsamt der Stadt habe man eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden und außerdem dafür gesorgt, dass der Mann vorzeitig eine Wohnung beziehen konnte, die ihm zugesagt worden war.
Gute Zusammenarbeit mit den Kreis-Gesundheitsamt
Abgewiesen wird in der Notschlafstelle auch jetzt keiner, der einen Schlafplatz braucht. Wenn alle Stricke reißen, würde man zumindest Zelt, Schlafsack und Lunchpaket ausgeben können, damit derjenige die Nacht überstehen könne. „Bisher ist das aber nur ein einziges Mal passiert“, sagt Becker. Dank der Winternothilfe des Landes NRW konnte die Wohnungslosenhilfe der Caritas ihr Materiallager aufstocken: Winterjacken, feste, warme Stiefel, Handschuhe und -wärmer, Powerbanks zur Handyaufladung, Thermoskannen und einiges mehr, was den Klienten in der Not hilft, findet sich darin.
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Der erste Lockdown traf die Wohnungslosen wegen der angenehmen Temperaturen einerseits weniger hart. Andererseits aber seien – wie jetzt auch – weder das Betteln noch das Flaschensammeln lukrativ. Im Frühjahr kam hinzu, dass die Grenzen zu den Nachbarländern dicht gemacht wurden, was für diejenigen im Klientel, die drogenabhängig sind, zu großen Beschaffungsproblemen geführt hat. „Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Kreis-Gesundheitsamt konnten wir unkompliziert Notsubstitutionen auf die Beine stellen“, erzählt Becker.
Lieber im Wald als in der Sammelunterkunft
„Die Zahl derjenigen, die bewusst draußen übernachten, hat in den vergangenen Jahren zugenommen“, bestätigt der Fachbereichsleiter. Erich K. etwa fühlt sich im Wald wohler als in einer Sammelunterkunft: „Ich war eine Zeit lang in Asylbewerberunterkünften untergebracht, da habe ich zwar Kontakt zu vielen Nationalitäten bekommen, aber schön war’s dort nicht.“ Mit seinem Leben unter freiem Himmel, so sagt er, habe er sich gut arrangiert. Auch mit Mäusen, Ratten und Nutrias.
Die Hoffnung auf normales bürgerliches Leben hat er dennoch nicht aufgegeben: „Andere sehen mich als Versager, man bekommt keinen Respekt als Wohnungsloser“, meint Erich K.. Vor ein paar Tagen hat er eine Bewerbung an eine Zeitarbeitsfirma losgeschickt, vielleicht seine Eintrittskarte in das, was er ein „normales Leben“ nennt. Was er am liebsten beruflich machen würde? „Förster wäre ein toller Beruf. Ich mag den Wald und kenne mich wirklich gut darin aus“, sagt er.
Corona macht das Leben als Obdachloser noch schwieriger
Wenn es in den nächsten Tagen knackig kalt wird, wird die Tagesstätte an der Kommerner Straße wieder täglich geöffnet sein, auch an den Wochenenden. Zumindest aufwärmen können sich die Obdachlosen dann für eine Weile, aber auch das nur in geringer Anzahl und mit entsprechendem Abstand. Rot-weißes Klebeband auf dem Fußboden legt genau fest, wo sich die Gäste aufhalten und entlanglaufen können.
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„Ich bin froh, dass ich hier hinkommen kann“, sagt Dennis B. (Name geändert). „Die Mitarbeiter sind eine große Hilfe für mich“, so der 41-Jährige, der vor rund fünf Monaten auf der Straße gelandet ist. „Ich habe ein Suchtproblem und hatte einen Rückfall“, erklärt er den Hintergrund. Zurzeit schläft er jede Nacht in der Notschlafstelle, tagsüber laufe er durch die Stadt oder sei bei Bekannten. „Die Kälte da draußen“, so der 41-Jährige, „ist nicht mein größtes Problem.“
Corona mache das Leben als Obdachloser noch schwieriger, erzählt Dennis. Ämter hätten zu und seien nur telefonisch zu erreichen. Ohne die Hilfe der Beratungsstelle würde er vieles nicht schaffen. Auch das Zimmer, das er bald beziehen kann, hätte er ohne die Unterstützung der Caritas nicht gefunden: „Als nächstes werde ich eine Entgiftung angehen und versuchen, wieder Fuß zu fassen.“ In ein paar Wochen nämlich wird der 41-Jährige Vater einer Tochter.