EuskirchenSchnäppchen und ein offenes Ohr gibt es im Kleiderladen „Kunterbunt“
Euskirchen – Im Kleiderladen „Kunterbunt“ wird überwiegend geduzt. Man kennt sich, man schätzt sich, man weiß um die Probleme und Problemchen der Menschen, die sich hier begegnen. Wer die Räume der ehemaligen Sparda-Bank betritt, wird unversehens eingehüllt in eine warmherzig-leutselige Atmosphäre, fast so, als ob man das wuselige Wohnzimmer einer Großfamilie betritt.
Das Herz des Ladens steht heute an der Kasse. Geli Winkler, 57 Jahre alt, drei Töchter, zwei Enkel, ehemalige Gastronomin mit Leidenschaft und seit vielen Jahren beim Diakonischen Werk Euskirchen beschäftigt. „Habt ihr noch was Schönes gefunden?“, fragt sie zwei Kundinnen, die Weihnachtsgestecke, Kugeln und Kerzen bezahlen wollen. Ohne einen kleinen Plausch, ein liebevolles Wort oder einen Scherz geht hier niemand durch die Tür.
50 Prozent gibt es heute auf die gesamte Weihnachtsdeko, Schuhe kosten nur zwei Euro. Für Kunden wie Stefan ein Grund zu großer Freude. „Als Hartz-IV-Empfänger muss ich wirklich jeden Cent umdrehen“, sagt der 54-Jährige. Umso mehr freue er sich, im Kleiderladen Qualitätsware zu bekommen, die er sich sonst nicht leisten könnte. „Zum Beispiel Schuhe, die viele Jahre halten!“ Heute gibt es sogar noch ein Geschenk: Die beiden Tassen, die er für sich und seine Frau ausgesucht hat, bekommt er umsonst. „Frohe Weihnachten“, wünscht ihm Geli Winkler.
Von der Spende zur Mitarbeit
„Wer einmal hier angefangen hat zu arbeiten, bleibt“, sagt Gisela Ladentin, eine der Ehrenamtlichen, die regelmäßig im Kleiderladen Dienst tun. Beim Ehrenamtstag habe sie Geli Winkler einst kennengelernt, allerdings habe sie selber hinter einem der Stände für Ehrenamtsarbeit geworben.
So und ähnlich ging es vielen im Team: Mary Feuser etwa wollte nur Sachspenden abgeben. Da aber gerade Not am Mann war, packte sie mit an – und blieb. Gemma Dusin besuchte vor fünf Jahren eine Bekannte im Laden, derweil bügelte sie ein bisschen – und blieb. Birgit Werner wollte eigentlich Joggen gehen, als sie vor der Haustür Geli Winkler traf, die sie von früher kennt. „Sie war gerade dabei, Flyer vom Kleiderladen zu verteilen. Anstatt zu joggen, habe ich ihr dabei geholfen. Und am nächsten Tag habe ich mich als Ehrenamtliche gemeldet – das ist jetzt sieben Jahre her“, erzählt die Krankenschwester lachend. Warum sie neben ihrem normalen Job noch diese Arbeit leistet? „Es kommt so viel zurück. Wir sind ganz nah dran an den Menschen. Und als Mensch wird hier jeder gleich behandelt – ob bedürftig oder nicht.“ Erst seit wenigen Wochen dabei ist Hannelore Kleinmann. Heute steht sie im Kinderbereich und berät Großeltern, die noch Geschenke für die Enkel suchen. „Ich bin seit einem Jahr Witwe. Erst seit zwei, drei Monaten kann ich wieder Licht im Leben sehen“, erzählt sie. Ihr Vorhaben, irgendetwas zu tun, bei dem sie zweimal die Woche rauskommt, führte sie in den Kleiderladen. „Eine sehr gute Entscheidung“, sagt sie, vor allem wegen des tollen Teams und dem Gefühl, für Mensch und Umwelt etwas Sinnvolles zu tun.
An der Kasse geht gerade ein Christbaumständer zum halben Preis über die Theke. „Und weil der so staubig ist, kriegst du ihn noch günstiger“, verkündet Geli Winkler und lächelt den schüchternen jungen Mann freundlich an. Ihr Team, so sagt sie, sei das Beste der Welt. Abends schreibt die 57-Jährige oft noch jedem einzelnen eine Nachricht aufs Handy. „So viel Dank und Wertschätzung – das ist schon außergewöhnlich. Wo bekommt man das sonst?“, fragt Mary Feuser.
„Sieht aus wie totales Chaos, hat aber System“
„Seid ihr noch gerne hier?“, ruft Geli Winkler ihrem Team zwischendurch immer wieder zu. Eine Art Running Gag, den die Frauen, die an der einen Ecke neue Ware auffüllen, an der anderen Kleidung in die Regale sortieren, stets mit fröhlichem „Ja!“ begegnen. Geli Winkler verschwindet kurz im Abstellraum hinter der Kasse. „Sieht aus wie totales Chaos, hat aber System“, sagt sie augenzwinkernd und deutet auf die vielen blauen Stofftaschen, die dort stehen – eine Spezialität des Kleiderladens, die Jahr für Jahr begeisterte Kundschaft lockt. „Das sind unsere Wundertaschen, die gibt es immer in der Vorweihnachtszeit“, erklärt Winkler. Neun Euro für Erwachsene und sechs für Kinder kosten die Taschen, die gefüllt sind mit allerlei Überraschungen, Gutscheinen und Losen.
„Ich habe dieses Jahr schon 15 Stück gekauft“, sagt Karin aus Euskirchen. Tolle Dinge seien darin, vom Duftlämpchen über die Pflegedusche bis hin zu Süßigkeiten. „Wir hatten auch schon Glück – gerade haben wir eine Kaffeemaschine gewonnen, einmal eine Fritteuse. Und meine Mutter hatte schon mal den Hauptpreis: ein teures Topfset!“, erzählt die 52-Jährige, die auch sonst gerne auf Schnäppchenjagd in den Laden kommt.
Doch im Kleiderladen an der Kaplan-Kellermann-Straße geht es bei weitem nicht nur um den günstigen Wintermantel oder um ein neues Kopfkissen. Es geht ganz oft um Nähe, Verständnis und ein offenes Ohr. „Wir erleben hier oft herzzerreißende Dinge“, erzählen die Damen aus dem Team. „Einmal kam eine Stammkundin ganz aufgelöst hier rein, weil sie gerade von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte und nicht wusste, wie sie es ihrem Freund beibringen sollte“, erzählt Winkler. Also haben die Frauen ein Päckchen gepackt – mit Ministrampler, Mützchen und winzigen Söckchen. „Das hat sie dem werdenden Vater dann überreicht“, lacht Winkler.
Autoschlüssel, Tagebücher und Pistolen
Auch sonst erlebe man manch verrückte Geschichte: „Einmal haben wir in einer Kleiderspende eine echte Pistole gefunden“, so die 57-Jährige. Die habe sie direkt zur Polizei gebracht. „Wir haben auch schon Tagebücher und persönliche Briefe in den Sachen gefunden“, sagt Gemma Dusin. Ein Autoschlüssel samt Kfz-Brief gehören ebenso zu den ungewöhnlichen Funden. „Und einmal rief ein junger Mann an, weil seine komplette Tennisausrüstung versehentlich hier mitabgegeben wurde.“
Engagierte neue Mitstreiter gesucht
Fair und günstig lautet das Credo des Kleiderladens Kunterbunt, den das Diakonische Werk seit 2012 an der Kaplan-Kellermann-Straße 14 in Euskirchen betreibt. Gut erhaltene Kleidung für Erwachsene und Kinder, Accessoires, Spielsachen sowie Geschirr, Haushaltswaren, Bettwäsche und Dekoartikel zu günstigen Preisen finden sich in dem Sortiment. Alle Artikel werden gespendet von Menschen aus der Region.
Mit dem Verkaufserlös unterstützt das Diakonische Werk Euskirchen in Not geratene Menschen, die den Mitarbeitenden aus unterschiedlichsten Bereichen persönlich bekannt sind. Die Hilfe kommt eins zu eins bei den Menschen an.
Das Team des Kleiderladens besteht hauptsächlich aus Ehrenamtlichen. Durch die Corona-Pandemie jedoch sind viele dieser einsatzfreudigen Menschen weggebrochen, da sie zur Risikogruppe gehören. Gesucht werden deshalb engagierte neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Laden mit anpacken oder im Hintergrund arbeiten – Waren sortieren oder auszeichnen.
Auch regelmäßige Spenden sind willkommen: Kleidung, Spielzeug, Haushaltswaren oder ähnliches können montags und donnerstags von 14.30 bis 17 Uhr am „Kunterbunt“-Laden abgegeben werden.
Zurzeit ist der Kleiderladen geschlossen. Sobald die Geschäfte regulär öffnen dürfen, kann wieder geshoppt werden, montags bis donnerstags von 10 bis 14 Uhr. Weitere Infos, etwa zur ehrenamtlichen Mitarbeit, gibt’s unter Tel. 0 22 51/ 92 90 25 sowie per E-Mail. (hn)
kleiderladen@diakonie-eu.de
Allmählich legt sich der Andrang am letztmöglichen Einkaufstag vor Weihnachten. Die Regale und Tische mit der reduzierten Deko-Ware haben sich sichtlich geleert. Auch in der Schuhabteilung hat manches Paar noch kurz vor Heiligabend einen neuen Besitzer gefunden. Nun geht es ans Aufräumen und Zusammenpacken.
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„Das war ein schöner und sehr erfolgreicher Tag heute. Für alle“, sagt Geli Winkler zufrieden. Und wer den Betrieb im Kleiderladen „Kunterbunt“ kennt, der weiß, dass sie damit den abschließenden Kassensturz nur am Rande meint.