Fluthilfe-AktionWie eine Euskirchenerin von England aus ihrer Heimat hilft
Euskirchen-Stotzheim/Kent – Die eine wohnt in England, die andere in Stotzheim. „Ich hätte niemals gedacht, dass aus dem, was ich angestoßen habe, nicht nur die ganze Hilfsbereitschaft erwächst, sondern auch diese besondere Freundschaft“, sagt Silke Kessel, Fluthelferin aus Kent. „Wir haben uns noch nie gesehen, aber es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen“, ergänzt Marion Dyken. Sie leitet eines der Spendenlager, an die Kessel Sachspenden für Flutbetroffene vermittelt.
Dass Kessel und Dyken nun eine Freundschaft über das Meer und Landesgrenzen hinweg pflegen, ist aber nur das glückliche Ende einer deutlich längeren Geschichte. Angefangen hatte alles damit, dass Kessel im Fernsehen Berichte über die Flutkatastrophe Mitte Juli gesehen hatte. „Ich habe Bilder von der Steinbachtalsperre gesehen, als sie randvoll gelaufen war. Plötzlich war die Katastrophe ganz nah für mich.“
Ausgewandert: Von Euskirchen nach Basingstoke
Denn aufgewachsen ist die 48-Jährige in Euskirchen. Als junge Frau war sie nach Basingstoke ausgewandert, um ihr Englisch zu verbessern. Möglich gemacht hatte das der damalige Bürgermeister Kurt Kuckertz, denn Basingstoke ist Euskirchens Partnerstadt. „Nachdem meine Zeit in England eigentlich vorbeigewesen wäre, wollte ich aber noch gar nicht weg. Da habe ich dann entschieden, zu bleiben, auch wenn ich einige Zeit später ins sonnige Kent gezogen bin“, erzählt Kessel. Ihre Familie aber sei in Euskirchen geblieben.
Der aktuelle Spendenbedarf
Vor allem Gegenstände des täglichen Bedarfs seien unter Flutbetroffenen nach wie vor gefragt, sagt Marion Dyken. Neben Lebensmitteln und Kleidung, vor allem für Kinder, würden aktuell vor allem Weihnachtsartikel wie Dekowaren und Geschenke gesucht.
Weiter benötigen viele Betroffene Werkzeuge unter anderem zur Sanierung der flutbetroffenen Häuser.
Wohnungslose Personen benötigen Heizkartuschen, da die Temperaturen allmählich zu sinken beginnen. (elp)
Und so waren auch sie von der Flutkatastrophe betroffen. „Ich habe direkt bei meinen Eltern angerufen, nachdem ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe. Doch es gab keine Verbindung, ich bin nicht durchgekommen. Ich wollte irgendwie helfen, aber wie?“, so Kessel. Die 48-Jährige habe dann überlegt, wie sie die Flutopfer unterstützen könne, ohne selbst vor Ort zu sein. Denn zusätzlich zu der Flutkatastrophe erschwerte unverändert die Corona-Pandemie das Reisen.
„Dann kam mir die Idee: Heute geht alles über soziale Medien. Bei Facebook bin ich dann auf Fluthilfe-Gruppen gestoßen. Dort vernetzen sich Helfer und Hilfsbedürftige“, erzählt sie. Zuerst habe Kessel Moderationsaufgaben übernommen, doch dann kam ihr ein neuer Gedanke: „Ich bin gelernte Speditionskauffrau und habe Supply Chain Management studiert, auch aktuell arbeite ich im Management einer Firma.
Durch die Gruppen konnte ich mir ein gutes Bild davon machen, welche Sachspenden benötigt werden.“ Statt darauf zu hoffen, dass jemand in den Facebook-Gruppen etwas Passendes anbieten würde, habe sie direkt Firmen angeschrieben und sie um Sachspenden gebeten. Und das ihr zufolge mit Erfolg, zumindest nach einigen Versuchen. „Viele Unternehmen reagierten nicht oder sagten, sie hätten bereits gespendet. Oft hieß es auch, man habe seine Sachspenden ans Ahrtal gegeben.“
Euskirchen sei etwas in den Hintergrund gerückt in der öffentlichen Wahrnehmung, so Silke Kessel. Umso wichtiger sei es für sie gewesen, nicht aufzugeben: „Zum Glück fanden sich dann doch viele Firmen, die helfen wollten.“ So sei etwa Besteck und Geschirr von einer großen Topf- und Pfannenmarke geliefert worden.
Fluthilfe: Erkältungsmittel sind gefragt
Noch immer schreibt Kessel täglich Unternehmen an: „Selbst Monate nach der Katastrophe helfen einige Firmen noch.“ Und ihr zufolge gibt es nach wie vor einen erhöhten Spendenbedarf. „Wir gehen auf den Winter zu. Die Menschen brauchen das Geld, um schnell ihre Häuser wieder bewohnbar zu machen, vor allem in der kalten Jahreszeit.
Und es kommen weitere Probleme hinzu“, so Silke Kessel. „Vor allem Lebens- und Erkältungsmittel werden aktuell stark nachgefragt“, bestätigt Dyken, die Kessel auch über die Hilfsgruppen auf Facebook kennt. Denn jetzt nähere sich die Erkältungszeit. Viele Menschen benötigen ihre finanziellen Rücklagen aber für die Sanierung ihrer flutbeschädigten Häuser, wie die beiden Helferinnen berichten.
In Marion Dykens Spendenlager finden aber längst nicht mehr nur Flutopfer etwas. „Ich habe früher schon in der Flüchtlings- und danach in der Obdachlosenhilfe gearbeitet. Wir versorgen hier natürlich jeden, der etwas braucht“, erzählt Dyken. Gemeinsam mit ihrem Verlobten, mehreren Helferinnen und Helfern, einem kleinen Hund und einer Hauskatze steht Dyken, selbst Hausfrau und Mutter, jeden Morgen im Innenhof an ihrer Wohnung und versorgt Bedürftige. Bei Bedarf könne das Team die Waren auch liefern. „Wir haben Glück, dass alle hier so zusammenhalten. Der Vermieter unterstützt uns und lässt uns den Hof nutzen“, sagt sie.
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Sobald die Corona-Situation es zulässt, wollen sich Dyken und Kessel persönlich treffen. Kessels Eltern kennt Dyken bereits. Ihnen hatte die Wahl-Engländerin schon bald von ihrer neuen Freundin erzählt, nachdem auch die Telefonverbindung wieder stabil gewesen war.