Mehr als 100 Gäste kamen zur Kuxgewerke-Versammlung des Besucherbergwerks in Hellenthal-Rescheid. Landrat Markus Ramers vertrat den Bergmeister.
Bergbau-TraditionZinsen werden in Rescheid in Form von Bier und Schnaps ausgezahlt
Die Nachrichten aus der Finanzwelt sind, wenn es um die Leitzinsen geht, nicht für alle erfreulich. Denn nach einem kurzen Hoch tendiert die Europäische Zentralbank wieder zu niedrigeren Zinsen. Wie gut, dass die Eifeler dabei nicht mitmachen und für die Kuxanteilsscheine des Besucherbergwerks Rescheid auch in der Zukunft eine ordentliche Ausschüttung garantieren.
47 Prozent kann jeder der Glücklichen, die sich einen der Scheine gesichert haben, erwarten. Auch wenn diese sich vielleicht nicht auf dem Konto bemerkbar machen, den Magen wärmen sie auf jeden Fall. Denn wer so einen Kux im Portfolio hat, darf sich zuverlässig auf ein Bier und einen Schnaps freuen – jedes Jahr und jedes Mal in der Adventszeit. Am Samstagabend fand die 29. Kuxgewerke-Versammlung in der Rescheider Gaststätte „Zum Bergmannstreff“ statt. Mehr als 100 Besucher nahmen teil.
Wie sich das bei einer offiziellen Versammlung von Anteilseignern gehört, darf dabei auch der Rechenschaftsbericht des Vorstandes nicht fehlen. Doch wenn am Ende des Rituals ein Bier und ein Schnaps stehen, so ist schon damit zu rechnen, dass die gesamte Veranstaltung nicht todernst ist, sondern von den Verantwortlichen als vergnüglicher Abend gestaltet wird.
Idee zur Finanzierung des Besucherbergwerks entstand 1992
1992 hatte Ralf Sawatzki, Regionalbotschafter der NRW-Stiftung, die Idee, Kuxe zur Finanzierung des Besucherbergwerks „Grube Wohlfahrt“ auszugeben. Damit griff er eine alte Tradition aus dem Bergbau auf, als diese Anteilsscheine zum Aufbau und Betrieb einer Grube verwendet wurden. Als Patin stand damals die Reichsgräfin Marie Christine Wolff Metternich zur Gracht den Rescheidern zu Seite, deren Vorfahre im Jahre 1543 den Bergmeister Sebastian von Stuckardt ernannt hatte. Auch in diesem Jahr musste die Reichsgräfin sich wieder einmischen.
Denn seit Prof. Dr. Wolfgang Schumacher verstorben ist, ist das Amt des Bergmeisters der Grube Wohlfahrt verwaist. Ein neuer sei zwar gefunden worden, berichtete Sawatzki, der die Moderation des Abends übernommen hatte, doch der habe kurzfristig dem Heimatverein absagen müssen. „Wir wollten nicht jemanden überrumpeln, so dass wir heute zwar auf einem guten Weg sind, aber keinen Bergmeister zur Einforderung des Deputats haben“, so Sawatzki. Eine kritische Situation, denn laut den Statuten der Kuxe muss das Deputat von dem Bergmeister eingefordert werden.
Landrat Markus Ramers vertritt in Rescheid den Bergmeister
Eine Anfrage bei der Reichsgräfin brachte allerdings eine Lösung: Ein integrer Mann aus der Region solle gefunden werden, um vertretungsweise das Amt des Bergmeisters zu übernehmen, den Rechenschaftsbericht des Grubendirektors Karl Reger zu verlesen und das Deputat einzufordern, so das Verdikt der Kux-Patin. „Da kommt nur unser Landrat Markus Ramers in Frage“, sagte Sawatzki.
„Als SPD-Mann kommt mir das ‚Glück auf‘ leicht über die Lippen“, begrüßte Ramers die Anwesenden. Zum ersten Mal sei er bei einer Kuxgewerkeversammlung, allerdings habe er vor mehr als acht Jahren einmal das Bergwerk besucht, was er nun bald wiederholen wolle. „Es ist ein eindrucksvolles Bild, wenn die Kittelträger mit ihren Fahnen zum Steigerlied in den Saal einziehen“, freute er sich.
Früher habe es immer ein Risiko dargestellt, wenn die Arbeiter in die Grube eingefahren seien, so Ramers. Die Solidarität sei damals wichtig für das Überleben der Bergleute gewesen, eine Tradition, die uns heute wieder zugute käme.
Insgesamt kamen schon fast 350.000 Gäste ins Besucherbergwerk Rescheid
Für den erkrankten Reger übergab Sascha Dederichs vom Förderverein der Grube Wohlfahrt den alljährlichen Rechenschaftsbericht an den Landrat, den Ramers öffentlich verlas. 40 Bergführer gebe es aktuell, so hieß es in dem Bericht, die täglich außer an Heiligabend und dem ersten Weihnachtsfeiertag die Besucher unter die Erde bringen – und wieder hinauf, wie es auch im Motto der Grube betont wird. Mittlerweile summiere sich die Gesamtzahl der Gäste auf fast 350.000. Allerdings würden sich mittlerweile in den Stollen Schäden durch die Flut bemerkbar machen, als die Grube mehrere Stunden unter Wasser stand. Insgesamt aber sehe die Grube Wohlfahrt einer hoffnungsfrohen Zukunft entgegen.
Grund genug für Ramers, nun bei den Vertretern der beiden in der Region aktiven Kreditinstitute, die sich zur Bereitstellung der flüssigen Deputate verpflichtet hatten, nun deren Ausschüttung einzuklagen. Eine Forderung, der Christina Dederichs und Nico Deatcu von der VR-Bank Nordeifel sowie Karl-Heinz Daniels von der Kreissparkasse Euskirchen gerne nachkamen.
Heinz-Bert Weimbs unterhielt Besucher mit humorvollen Eifel-Anekdoten
Es ist das Wesen der Rescheider Kuxgewerke, dass die Gewinnausschüttung als gemütlicher Abend gestaltet wird. So sorgte der Musikverein Reifferscheid für die musikalische Eröffnung. Nach der Deputatübergabe an die Anteilseigner kam „D'r anger Mann“, Heinz-Bert Weimbs, auf die Bühne. Er widmete sich der Vergangenheit des einstigen Armenhauses Eifel und berichtete Humoristisches aus seiner Kindheit. „Früher war alles besser, obwohl – wir hatten ja nichts“, sagte der in dem Hellenthaler Ortsteil Wahld aufgewachsene Weimbs.
Eindrücklich und blumig beschrieb er das allwöchentliche Bad in der „Säuesbütt“, das erst sein älterer Bruder, dann sein zweitältester und dann er selbst nehmen durften. „Kann man sich vorstellen, was das für eine Brühe war“, sagte er, nicht ohne zu erwähnen, dass der Einstieg in die Bütt ihm damit schmackhaft gemacht worden sei, dass er als letzter in der Reihe auch im Wasser pinkeln dürfe. Auch die Schweineschlachtung in der Eifel beschrieb er. Die Schweinehälften seien zur Kühlung in den kältesten Raum des Hauses gehängt worden; das Wohnzimmer, das traditionell nur zweimal im Jahr geheizt worden sei, wenn der Pastor vorbeikam.
Für den Abschluss der Veranstaltung sorgten wie schon seit vielen Jahren die Boischer Brass Band aus Alsdorf-Mariadorf, die eine langjährige Freundschaft mit dem Heimatverein verbindet.
Mehr als 900 von 1000 Kuxe sind bereits fest vergeben
Nichts anderes als Anteilsscheine an einem Bergwerk sind die Kuxe, die damit ähnlich wie Aktien sind. Doch anders als bei den historischen Kuxen dürfen sich die Inhaber der Rescheider Kuxe über eine Sonderregelung freuen. Denn für sie besteht nicht die Nachschusspflicht, sollte unvermutet bei dem Bergwerk neuer Finanzbedarf entstehen. 100 Mark oder entsprechend 51,13 Euro kosten die Anteilsscheine. Von den 1000 Kuxen, die insgesamt ausgegeben werden, sind mittlerweile mehr als 900 fest vergeben.
Sie dienen nicht nur lebenslang als Eintrittskarte zur alljährlichen Kuxgewerke-Versammlung, sondern sind auch noch als Spende steuerlich beim Finanzamt absetzbar. Erhältlich sind sie per E-Mail an den Heimatverein Rescheid. (sev)