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„Wir sind lebendig tot“Reifferscheider Familie verliert Monate nach Flut die Hoffnung

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Ohne Heizung und  immer noch im Chaos lebt die Familie seit dem Einzug in ihrem von der Flut beschädigten Haus. 

Hellenthal-Reifferscheid – Woher kommt Hoffnung, wenn es keine gibt? Wenn kein Geld da ist? Wenn die Probleme immer größer werden, bis sie einem über den Kopf wachsen? „Herbert, wann kommt der Fußboden?“, fragt der achtjährige Junge den Freund seiner Mutter. Der sieht ihn traurig lächelnd an: „Ich weiß es nicht.“ Er steht auf dem blanken Lehm, der eigentlich trocknen sollte. Durch den Flur führen Bohlen und Trittbretter. Und es ist nichts in Sicht, was diesen Zustand in der näheren Zukunft ändern könnte.

In dem alten Haus in Reifferscheid ist es kalt. Die Feuchtigkeit sitzt in den Wänden und im Boden. Sie zieht nach wenigen Minuten in die Knochen. Die Heizung ist kaputt, die neue noch nicht installiert. Das Erdgeschoss ist seit der Flutkatastrophe nicht bewohnbar. Überall stapeln sich Dinge, die nach dem Einzug der Familie noch keinen Platz gefunden haben.

Herbert M. über die Wohnsituation: „Es ist Chaos“

„Es ist Chaos“, beschreibt Herbert M. (Name geändert) den Zustand. Wie es weitergehen könnte, bis die vielköpfige Familie wieder in annähernd normalen Verhältnissen wohnt, weiß er nicht. Herbert M. und seine Familie möchten anonym bleiben, da er berufliche Nachteile befürchtet.

Die Patchwork-Familie, die insgesamt sechs Kinder hat, die aber nicht immer alle in dem Haus wohnen, hat sich im ersten Stock eingerichtet. Die fünf Kinder, die zur Zeit hier leben, haben zwei Zimmer. Kleine Heizlüfter stehen darin und versprechen zumindest eine Idee von Wärme. Doch sie laufen nicht immer, zu groß ist die Sorge vor der Stromrechnung. Geld ist knapp im Haus, sehr knapp.

Als sein Haus am 14. Juli überflutet wurde, war Herbert M. nicht vor Ort. Der gebürtige Eifeler hatte das Haus 2011 erworben und bis 2019 saniert. Da er damals in Krefeld gelebt habe, habe er es vermietet, erzählt er. „Als die Mieterin anrief und erzählte, dass der Bach über das Ufer getreten sei, habe ich mir noch nichts dabei gedacht“, berichtet er von der Nacht. Erst am nächsten Tag sah er, was das Wasser angerichtet hatte. Eigentlich hätte das kein finanzielles Problem darstellen sollen, denn Herbert M. hatte eine Elementarversicherung abgeschlossen.

Versicherung der Familie aus Reifferscheid zahlt nicht

„Dann hat mir aber die Versicherung erklärt, dass durch den Bach angerichtete Schäden nicht in der Elementarversicherung enthalten seien“, sagt er. Einen Anwalt habe er sich nicht leisten können – also habe er das so hinnehmen müssen. Der Unterhalt für die Familie, die Tilgungen für das Haus und die Miete, die er in Krefeld noch zahlen musste, haben sein Budget aufgefressen. Der Keller, in den das Heizöl gelaufen war, musste leergepumpt werden, jede Menge Geröll war zu entsorgen – und jetzt ist die Kasse leer. Früher sei die neue Playstation das Thema gewesen, wenn er den Kindern habe sagen müssen, dass die zu teuer sei: „Jetzt ist die Salami wieder 40 Cent teurer geworden, und ich muss den Kindern sagen, dass dafür das Geld nicht reicht.“

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Der Fußboden ist herausgerissen, der Putz abgeschlagen – und die Feuchtigkeit sitzt noch in allen Ritzen.

Als die Mieterin ausgezogen war, ist die Familie in die Eifel gezogen. Der Umzug sei ohnehin lange geplant gewesen. Augenblicklich lagert ihre Habe im Erdgeschoss, auch im ersten Stock ist noch viel zu tun. „Wir wollen ein Zimmer nach dem nächsten fit machen“, gibt Herbert M. die Marschrichtung vor.

Die Heizung kann noch nicht eingebaut werden

Davon ist im Erdgeschoss noch nichts zu sehen. Die Fußböden sind herausgerissen, der Putz abgeschlagen. Diese Arbeit haben die „Dachzeltnomaden“ erledigt, die mit 40 Personen in dem Haus gearbeitet haben.

Eine Gastherme liegt zwar bereit, um angeschlossen zu werden, ein neuer Gastank ist installiert. Doch es sind noch Vorarbeiten zu machen. „Und die schaffe ich nicht“, sagt Herbert M. Außerdem sei der Gastank noch nicht gefüllt. „Und das bei den Preisen!“ Auch für Bautrockner habe er kein Geld.

An den feuchten Wänden bildet sich Schimmel

Und jetzt kommt der Schimmel. Aus den feuchten Wänden im eisigen Erdgeschoss blühen die weißen Fasern, auf den Tapeten an der Decke sind die ersten Punkte zu sehen. Zu allem Unglück zieht die Feuchtigkeit in dem ungeheizten Haus immer höher. An den Fenstern im ersten Stock, die 2012 neu eingesetzt wurden, sind die ersten Spuren zu sehen. Auch beginnt sich hier der Lehmputz von den Wänden zu lösen.

Ein Antrag auf Wiederaufbauhilfe wäre vielleicht die Rettung, doch für Herbert M. bildet das dafür notwendige Gutachten ein Hindernis. „Ich muss dafür in Vorkasse gehen – und ich habe das Geld nicht“, berichtet er. Mit 2000 bis 3000 Euro müsse er rechnen. „Man kann aber einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen“, so Herbert M.. Bei mehreren Gutachtern habe er angefragt, die Kosten seien stets ähnlich – und für ihn nicht tragbar.

Dubiose Männer wollten das Haus unter Wert kaufen

Groß war auch sein Erstaunen, als plötzlich zwei recht dubios wirkende Männer bei ihm im Haus standen, die ihm anboten, das Haus zu kaufen. Sie seien aus der Immobilienbranche und böten etwa 40.000 bis 60.000 Euro. Das Haus sei ja ölverseucht und es viel Arbeit nötig, um es zu sanieren. Er solle es sich doch einfach machen und das Geld nehmen. „Ich habe nur gelacht und gesagt: Allein das Grundstück ist mehr als 70.000 Euro wert“, berichtet Herbert M.. Die Männer seien ziemlich massiv geworden, bis er sie vom Grundstück gewiesen habe: „Ich finde das unmöglich, mit solchen Angeboten zu den Betroffenen zu gehen.“

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Von vielen Problemen berichtet Herbert M.. Von der Soforthilfe, die mittlerweile aufgebraucht sei. „Irgendwann kam die Scheiße mit Ansage“, sagt er. „Das ganze Werkzeug ist abgesoffen, Material kann ich nicht kaufen“, beschreibt er das Dilemma.

Wenn Steffi Pinz in Hellenthal und Björn Balter in Losheim nicht gewesen seien, die der Familie unter die Arme gegriffen hätten, hätte er nicht weiter gewusst, sagt er. Sie hätten der Familie geholfen, so dass die wenigstens zu essen gehabt hätten.

„Seit Corona sind wir lebendig tot“, sagt Herbert M.. Und er wisse nicht, wo er morgens anfangen solle, sagt er müde und sieht sich in der Baustelle um, die einmal sein Haus war.