FachkräftemangelSo kreativ wirbt das Handwerk in der Eifel um Auszubildende
Schleiden/Hellenthal – „Das Handwerk ist vom Image her kein Traumberuf“, sagt Margarethe Balter, Geschäftsführerin des Bauunternehmens „Geschw. Balter Bauunternehmung GmbH“ aus Losheim. Die Auftragsbücher sind zwar voll und die Vergütung sei bereits in der Ausbildung sehr gut. Dennoch haben Handwerksbetriebe in der Region immer noch Schwierigkeiten, ihre freien Stellen zu besetzen. „Im Baugewerbe merken wir deutlich den Fachkräftemangel“, sagt Balter.
„Der Anspruch an den Beruf hat sich gewandelt, das ist vielen Auszubildenden gar nicht bewusst“, sagt Balter. Denn in den vergangenen 30 Jahren habe sich vor allem im Baugewerbe einiges getan. Viele Maschinen sind dazugekommen, zum Teil GPS-gesteuert. Was früher noch mit Muskelkraft erledigt werden musste, geschieht heute fast automatisch.
„Wir legen viel Wert auf moderne Geräte“, so Balter. Die müssen aber auch bedient werden. Deswegen habe sich der Anspruch an die Mitarbeiter ebenfalls geändert, bestätigt auch Ausbildungsleiter Markus Quadt. „In kaum einer Branche sind die Anforderungen so hoch wie im Bau“, sagt Quadt.
Ausbildung im ersten Jahr kaum im Unternehmen
Das spiegele sich auch in der Ausbildung wider: Im ersten Jahr sind die Azubis kaum im Betrieb, werden überbetrieblich in Simmerath oder Kerpen ausgebildet.
Laut Balter hat das Vor- und Nachteile: „Wenn sie dort schon lernen, wie man sich beispielsweise richtig bückt, ist das später auf der Baustelle kein Thema mehr.“ Das sei gut, denn die Gesundheit der Mitarbeiter ist Balter sehr wichtig. Andererseits bauten die Auszubildenden noch keinen Bezug zum Unternehmen auf. Erst mit zunehmenden Ausbildungsjahren verbringen die Azubis mehr Zeit in den Betrieben.
Mit Kreativität vom Markt abgrenzen
Um trotzdem Auszubildende für sich zu begeistern, versucht sich das Unternehmen interessant zu machen und vom Markt abzugrenzen. Neben einem modernen Fuhrpark mit Baggern, die ein digitales Cockpit haben, selbst entwickelten und patentierten Maschinen oder dem Einsatz von Drohnen versucht das Bauunternehmen auch mit weiteren „Benefits“, wie Balter es nennt, zu punkten.
Digitale Messe
Mit ansässigen Unternehmen stellt die Stadt Schleiden eine digitale Ausbildungswoche zusammen. Von Montag, 7., bis Freitag, 10. Februar, finden täglich um 16 und um 17 Uhr digitale Treffen mit Auszubildenden der beteiligten Unternehmen statt. Dabei werden Berufe in sozialen, kaufmännischen, IT- und technischen sowie handwerklichen Bereichen vertreten sein.
Interessierte können sich online mit Auszubildenden der Betriebe ungezwungen austauschen und Fragen zu Besonderheiten in den Betrieben, schulischen Herausforderungen sowie Zukunftschancen stellen. Die Anmeldung erfolgt über ein Formular auf der Homepage der Stadt Schleiden. (jes)
Unter anderem werden den Mitarbeitern im Sommer langärmelige T-Shirts mit UV-Schutz gestellt, erzählt Balter. Auch versuche das Unternehmen, flexible Arbeitszeitmodelle zu finden. „Unsere Trupps, die auf Montage sind, arbeiten beispielsweise zehn Tage und haben dann vier Tage am Stück frei“, berichtet Balter.
In Zeiten von Corona auf das Unternehmen aufmerksam zu machen, sei schwer, sagt Balter. Normalerweise werden bei Ausbildungsmessen die großen Bagger aufgestellt, damit etwas gezeigt werden könne. Digitale Messen, so wie die in Schleiden ab Montag, brauchen andere Ansätze. „Im vergangenen Jahr habe ich versucht, anhand einer Baustelle zu erklären, was dort passiert, was zu der Ausbildung gehört“, so Quadt. Dabei sei ihm wichtig, weg vom klassischen Asphaltieren zu kommen und aufzuzeigen, dass dazu auch schöne Sachen gehören, etwa Natursteinpflasterarbeiten oder Wasserspielplätze: „Das kam ganz gut an bei den Teilnehmern.“
Maurer- und Betonbaumeister sucht bei Ebay nach Auszubildenden
Über die digitale Ausbildungsmesse sucht auch Maurer- und Betonbaumeister René Braune aus Schleiden einen Maurer-Azubi. Lange Zeit sei er über den Wochenspiegel und das Arbeitsamt gegangen – mit mäßigem Erfolg. „Dann hatte ich mal bei Ebay-Kleinanzeigen eine Anzeige geschaltet und irgendwann meldete sich eine ganze Kolonne. Dabei hatte ich die Anzeige schon wieder vergessen“, erzählt Braune lachend. Auch er habe Probleme, passende Auszubildende zu finden. „Viele wissen gar nicht, was wir machen“, sagt Braune. Dazu habe das Handwerk einen schlechten Ruf. Einfach eine Wand hochmauern ginge nicht mehr, oft überarbeite er Pläne. Das brauche Fachwissen.
Um Mitarbeiter und Auszubildende zu locken, hat auch Braune sich etwas einfallen lassen müssen. Er bezahle nach Tarif, wobei er nicht tarifgebunden sei und gebe seinen Mitarbeitern im Sommer freitags um 13.30 Uhr frei. „Überstunden machen wir nicht. Wenn etwas bis Freitag nicht fertig ist, kommen wir am Montag wieder“, so Braune. Dazu stellt er die Arbeitskleidung, lässt sie waschen, reparieren und bei Bedarf austauschen. Für die Mitarbeiter ist dies kostenlos. „Auf jeder meiner Baustellen gibt es einen Lastenkran. Wer den ganzen Tag schwer schleppt, ist selber Schuld“, so Braune – auch wenn schweres Tragen hin und wieder auch dazugehöre, räumt er ein.
Tankgutscheine für die Auszubildenden
Mit individuellen Lösungen wie Tankgutscheinen für Auszubildende mit einem weiten Fahrweg versucht auch das Stahlbauunternehmen Müller und Sohn in Kall Auszubildende zu locken. Seit 100 Jahren bilde das Unternehmen aus, so Ulrike Diederichs, Assistentin der Geschäftsführung: „Das ist kein Job mehr, bei dem die Arbeiter abends kohlrabenschwarz nach Hause kommen.“ Stattdessen gehöre das Bedienen und Programmieren von Maschinen zum Job. Aber auch sie merken, dass die Bewerbungen für Ausbildungsplätze rückläufig sind.
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Zu wenig qualifizierte Bewerbungen stehen einer unverändert hohen Nachfrage an Auszubildenden gegenüber, stellt auch die Kreishandwerkerschaft Rureifel fest. Die Corona-Pandemie mache es den Handwerkern der Region da nicht leichter, denn der Weg in die Schulen sei verwehrt, der Zugang zu Schülern und Eltern somit schwierig. Und Onlinemessen liefen eher durchwachsen, gesteht auch Uwe Günther, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rureifel.
Uwe Günther: Handwerk kann selbstbewusst bei Suche sein
Dabei könne das Handwerk durchaus selbstbewusst auf die Suche gehen, sagt Günther. Unternehmen gibt er mit auf den Weg, präsent zu bleiben. Beispielsweise durch Mund-zu- Mund Propaganda oder in den sozialen Netzwerken. Formate wie die WDR-Sendung „Passt, wackelt und hat Luft“ seien eine gute Werbung fürs Handwerk.
Für Ausbildungsinteressierte gibt Günther den Tipp, bei dem Unternehmen nach einem freiwilligen Praktikum zu fragen, um herauszufinden, ob der Beruf einem gefalle. Jeder Betrieb biete Praktika an, so Günther. Berufsorientierung gebe es auch bei der Agentur für Arbeit. Auf der Seite der Kreishandwerkerschaft seien zudem Stellenausschreibungen zu finden.