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Hunderte auf den StraßenGegendemo zeigt „Spaziergängern“ in Euskirchen Rote Karte

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Deutlich mehr „Spaziergänger“ als vergangenen Montag zogen durch Euskirchen. Am Alten Markt trafen sie auf die Gegendemonstranten.

Kreis Euskirchen – Die Plakate sind fertig, nun muss nur noch alles ins Auto gepackt werden. Walli Forner und Sabine Henze von der Kaller Gruppe von „Omas gegen Rechts“ machen sich fertig für die nächste Gegendemonstration. Normalerweise sind sie unterwegs, um gegen rechte Tendenzen wie Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu kämpfen. In der Corona-Pandemie sind es jetzt aber zunehmend auch die „Montagsspaziergänge“, gegen die die Omas zu Felde ziehen. „Dort treffen sich Corona-Leugner, Impfgegner, Querdenker, Esoteriker und die, die gegen die Corona-Maßnahmen sind und von einer Diktatur sprechen“, erklärt Forner, die die Teilnehmer gerne als „Schwurbler“ bezeichnet.

Bei den „Spaziergängen“ seien aber auch regelmäßig Reichsbürger, Neonazis, AfD-Mitglieder und andere aus der rechten Szene anzutreffen. Ein Grund mehr für die Omas, die Gegenbewegungen an verschiedenen Orten nach Kräften zu unterstützen.

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Ausgestattet mit verschiedenen Plakaten und Handzetteln, demonstrieren Sabine Henze (l.) und Walli Forner von den Kaller „Omas gegen Rechts“ bei den „Montagsspaziergängen“.

„Wer von einer Corona-Diktatur spricht, verhöhnt alle Menschen, die in Diktaturen leben oder gelebt haben“, betont Sabine Henze aus Mechernich-Lorbach. „Wir leben in einem gut funktionierenden Rechtsstaat, der verteidigt werden muss“, sagt die ehemalige Kriminalbeamtin weiter. Die Einschränkungen der Freiheitsrechte wegen der Corona-Pandemie seien angemessen, denn „es geht um unsere Gesundheit“.

Den „Schwurblern" den Kampf angesagt

„Schon nach den ersten Corona-Ausbrüchen im Raum Heinsberg tauchten auch die ersten ,Schwurbler’ auf“, berichtet Forner. Als dann auch „Montagsspaziergänge“ in mehreren Kommunen im Kreis Euskirchen stattfanden, entschieden sich die Omas, Gegenveranstaltungen zu organisieren oder zu unterstützen. „Wir sind die Mehrheit und müssen unser Gesicht zeigen“, nennt Henze ein Motiv. Das haben die Omas mittlerweile schon mehrfach getan, so in Mechernich und in Euskirchen. „Nicht alle, die da montags mitlaufen, sind Rechte, aber sie lassen sich von der Szene instrumentalisieren. Sie erkennen oft nicht, welche Ziele die Initiatoren im Hintergrund verfolgen“, führen Henze und Forner aus. Manche Menschen ließen sich auch durch unverfängliche Themen wie den Aufruf zum Kampf gegen Altersarmut blenden.

„In einigen Fällen sind auch Linke dabei, die so weit links sind, dass sie rechts wieder auftauchen“, sagt Henze, die selbst SPD-Mitglied ist. Immer wieder, so berichten die beiden Omas, seien bei den größeren Umzügen aber auch der Judenstern und der Hitlergruß zu sehen. Auffällig sei auch, dass einige Teilnehmer der „Spaziergänge“ an vielen Orten auftauchten. „Deshalb bekommt man den Eindruck, dass sich viele Menschen in mehreren Städten an den Aktionen beteiligen. Das ist aber nicht der Fall.“

Diskussionen nur in Einzelfällen möglich

Eine Diskussion mit den „Montagsspaziergängern“ sei nur in Einzelfällen möglich, weil sie Widerspruch nicht vertragen könnten. Forner erzählt: „Dann wird gleich von Diktatur gesprochen.“ Bei den Veranstaltungen gebe es auch immer wieder persönliche Anfeindungen. Zwei Omas im Kreis stehen nach Angaben von Forner und Henze derzeit sogar unter Polizeischutz. „Aber auch davon lassen wir uns nicht aufhalten“, unterstreichen die beiden Omas.

Um Mitstreiter gegen die „Spaziergänge“ zu gewinnen, werden nicht nur die Medien und das Internet genutzt. „Ich schwinge mich auch ans Telefon, um ältere Menschen zu erreichen, die gar kein Internet haben“, erzählt Henze.

550 Menschen in Euskirchen

Plötzlich trafen am Alten Markt in Euskirchen Welten aufeinander. Diejenigen, die die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und die Impfpflicht verteufeln. Und diejenigen, die die verteufeln, die sich gegen ebendiese Maßnahmen in Form von „Montagsspaziergängen“ wehren.

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Etwa 500 Menschen zogen durch die Euskirchener Innenstadt.

Gegen 19.15 Uhr bogen die etwa 500 Teilnehmer des „Montagsspaziergangs“ in Euskirchen auf den Alten Markt ab und zogen in Richtung Annaturmplatz. Dort hatte etwa eine Stunde zuvor der Gang durch die Euskirchener Innenstadt begonnen. Als die „Spaziergänger“ den Alten Markt erreichten, sprinteten die Gegendemonstranten vom Springbrunnen in der Mitte des Platzes in Richtung Neustraße. Dort hielten sie den „Spaziergängern“ Rote Karten entgegen oder präsentierten ihre Plakate, auf denen sie ihrem Unverständnis für derartige Spaziergänge Luft machten.

Vier Anzeigen gefertigt

Während die „Montagsspaziergänger“ hämisch applaudierten oder die Gegendemonstranten mit ihren Smartphones filmten, trat die Gegenpartei teils verbal-aggressiv auf. Allen voran Waltraud Forner, Mitglied der der „Omas gegen Rechts“ (siehe „Unser Rechtsstaat muss verteidigt werden“). Sie beschimpfte vor allem Teilnehmer, die sie nach eigenen Angaben auch in anderen Städten bei „Spaziergängen“ ausgemacht hatte.

Die Polizei äußerte sich offiziell nicht konkret zur Teilnehmerzahl, sprach davon, dass es „ungefähr so viele Teilnehmer gewesen waren wie in der Woche zuvor“. Besondere Vorkommnisse habe es nicht gegeben.

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Auch Gegendemonstranten hatten sich in Euskirchen versammelt.

Angemeldet seien die „Montagsspaziergänge“, die nach Angaben der Polizei nicht nur in Euskirchen, sondern auch in Mechernich, Zülpich und Weilerswist stattgefunden haben, nicht gewesen. Entsprechend wurden wieder vier Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gefertigt. In mindestens zwei Fällen seien bereits Personalien bekannt, so Pressesprecher Franz Küpper. In Euskirchen, Mechernich und Zülpich waren Küpper zufolge zudem drei Kundgebungen angemeldet – in zwei Fällen von den „Omas gegen Rechts“ und einmal von einer Privatperson. Auf Nachfrage berichtete Küpper, dass die Polizei Kenntnis über Teilnehmer habe, „die dem rechten Lager zuzuordnen seien“. „Insbesondere in Mechernich“, sagte der Polizeipressesprecher.

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Am Donnerstag ist wieder ein „Montagsspaziergang“ in Bad Münstereifel angekündigt. Für 17.30 Uhr ist zudem eine Mahnwache für die Opfer des Coronavirus vor der Stiftskirche angemeldet.