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VernetzungEifeler wollen gemeinsam stark sein gegen Rechtsradikale

Lesezeit 4 Minuten
Ein Glas mit der Aufschrift Omas gegen Rechts steht auf einem Tisch. Im Hintergrund sind eine brennende Kerze und Menschen an weiteren Tischen zu erahnen.

Im alten Kino in Kall trafen sich die „Omas gegen Rechts“ mit Gleichgesinnten, um sich gegen Extremisten zu vernetzen.

Im alten Kino in Kall traf sich eine Gruppe, die sich gegen antidemokratische Kräfte wehren will.

Es war ein Weckruf. Seitdem der Rechercheverbund Correctiv über ein Treffen von Mitgliedern der AfD mit Rechtsextremen in Potsdam berichtet hat, gehen immer mehr Menschen auf die Straße, um für Demokratie und Menschenrechte zu demonstrieren. In den großen Städten versammeln sie sich zu Tausenden, um ihre Meinung kundzutun. Aber auch in der Eifel rufen immer wieder Menschen zu Demos, Mahnwachen oder Menschenketten auf.

Verglichen damit war es nur eine kleine Gruppe, die ins alte Kaller Kino gekommen war. Dort trafen sich diejenigen, denen es nicht mehr ausreicht, mit einem Schild auf der Straße zu stehen. Sie fragen sich, wie sie persönlich noch mehr gegen Rechtsextremismus in der Eifel unternehmen können. Manche von ihnen engagieren sich schon länger in diesem Bereich, andere waren zum ersten Mal dabei. Manche kamen aus der Region, andere aus den Nachbarkreisen.

Teilnehmer werden auch mit Anfeindungen konfrontiert

Alle äußern beim Treffen die gleiche Bitte. Namentlich wollen sie nicht zitiert werden. Und auch nicht fotografiert werden. Ihre Gegner seien nicht zimperlich in der Wahl der Mittel, sagen die Teilnehmer. Wer sich in die vorderste Front stelle, müsse damit rechnen, auch persönlich angefeindet zu werden.

„Ich halte mich zurück, mich kennt niemand im Internet“, sagt eine Frau. Dort sei sie unter einem Pseudonym aktiv. Die Vorsicht sei begründet: „Kollegen aus anderen Kommunen stehen schon auf Listen, die in rechtsextremen Kreisen geführt werden.“ Sie hätten auch Drohungen erhalten. „Viele Leute haben sich schon zurückgezogen und trauen sich nicht mehr, öffentlich Stellung zu beziehen“, berichtet die Frau. Für sie werde es nun immer wichtiger, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Darum sei sie zu dem Treffen gekommen. Damit, wenn es einmal eng werde, Freunde um Hilfe gebeten werden könnten.

Von der Aufbruchstimmung nach „Arsch Huh“ blieb nicht viel

Doch manche der Menschen, die sich in Kall treffen, geben an, den Rechtsradikalen im Kreis bestens bekannt zu sein. Sie sind bei den „Omas gegen Rechts“ aktiv, die sich an Mahnwachen beteiligen oder Infostände betreiben, wenn sich Menschen zu Montagsspaziergängen treffen. Querdenker, Rechtsextreme, aber auch Reichsbürger seien dabei: „Dann werden wir auch fotografiert“, sagt eine Frau. Scheu seien die Rechtsextremen dabei nicht, denn sie wüssten genau, dass im Gegenzug auch ihre Gesichter bestens bekannt seien.

Gegenveranstaltungen würden von ihnen unterwandert. So hätten diese sich zum Beispiel beim Mechernicher Gedenkmarsch am 10. November anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht eingereiht. Doch wie wird es nun weitergehen? „Vor 30 Jahren gab es schon einmal eine Aufbruchsstimmung, als sich in Köln ,Arsch Huh' gegründet hat“, sagt eine Teilnehmerin. Davon sei später nicht viel übrig geblieben. Sie sei deshalb eher pessimistisch, was die Fortdauer der derzeitigen Demonstrationen angehe.

47 neue Ortsgruppen der „Omas gegen Rechts“ haben sich gebildet

„Wir können es nur probieren, weiterzumachen“, betont eine der Omas. Ermutigend sei, dass sich seit Beginn der Demonstrationen mittlerweile 47 neue Ortsgruppen der „Omas gegen Rechts“ gebildet hätten. Bald werde es eine weitere geben: „In Düren wird jetzt auch eine Ortsgruppe gegründet.“

Die Anwesenden tauschten sich aus. Wer kennt wen? Wer sind die Organisatoren von Montagsspaziergängen? Namen werden genannt, Vorfälle diskutiert. Wer war der, der auf dem Kaller Gewerbefest mit einem deutlich erkennbaren Hakenkreuz-Tattoo auf der Wade gesehen wurde? Eine Frau berichtet, dass ihre Tante inzwischen offen rechtsextreme Ansichten verbreite. Sie werde deshalb nicht mehr zu Familienzusammenkünften eingeladen. Doch auch im Internet sei die Tante zugange. „Ich melde inzwischen jeden Post von ihr“, sagt die Frau.

Das AfD-Programm zur Europawahl soll analysiert werden

Auch konkrete Maßnahmen werden besprochen. Einzelgespräche würden manchmal helfen. Es gelte, geduldig zu bleiben, sich mit den Menschen und ihren Ängsten auseinanderzusetzen. Aufklärung sei wichtig. So solle unbedingt das Parteiprogramm der AfD zur Europawahl analysiert werden, um deutlich zu machen, dass gerade die Gruppen, die die Partei wählen, am meisten unter deren Politik zu leiden hätten. „Da gibt es zum Beispiel den AfD-Faktencheck im Internet, da ist das auch gut aufgearbeitet“, sagt eine Teilnehmerin.

Wie wäre es mit Plakaten? Mit einer Präsenz auf TikTok? Und was sei überhaupt aus dem „Eifeler Bündnis gegen Rechts“ geworden? Das sind Fragen, die im Gespräch aufgekommen sind.

Doch vor allem macht das Treffen denen Mut, die tiefer in die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus einsteigen wollen. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, Unterstützung gegen die kaum einzuschätzende Bedrohung durch antidemokratische Kräfte zu haben, gibt den Anwesenden sichtlich Stärke. Die ist notwendig, denn auch wenn die Entschlossenheit da ist, so läuft auch die Angst mit.