Wegen ADHS-Diagnose entzogenDotteler klagt für seinen Führerschein gegen Kreis
Kall-Dottel – Eine Lösung ist nicht in Sicht: Das seit einem Jahr laufende Verfahren um den Führerschein von Ralf Meier aus Dottel geht weiter. „Es wird hart gekämpft. Zwischenzeitlich wurde mir telefonisch sogar gedroht, dass ich zur Fahndung ausgeschrieben werde“, berichtet Ralf Meier mit einem Kopfschütteln. Der 57 Jahre alte Mann aus Dottel hat eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) und kämpft darum, seinen Führerschein behalten zu dürfen.
Die Kreisverwaltung in Euskirchen hatte nach einem Verkehrsunfall von Meier 2019 Zweifel am Meiers Fahrtüchtigkeit angemeldet und ihn aufgefordert, sich einer psychiatrischen verkehrsmedizinischen Begutachtung zu unterziehen. Das lehnt der Vater zweier Töchter aber ab und spricht von Diskriminierung und Nötigung. Jetzt hat er Klage beim Verwaltungsgericht in Aachen eingereicht.
Auf einen Autounfall folgte ein Schock
Der Dotteler war nach dem Autounfall 2019 vom Amtsgericht in Daun in erster Instanz zu einer Strafe von 1600 Euro und drei Monaten Fahrverbot verurteilt worden. In der Berufung vor dem Trierer Landgericht war das Verfahren dann aber Anfang Januar 2021 wegen Geringfügigkeit gegen Zahlung von 1200 Euro eingestellt worden.
Die Kreisverwaltung hat nach den Aussagen eines Sprechers von dem Vorfall erfahren, weil die Polizisten, die den Unfall aufgenommen hatten, Anzeige gegen Meier erstattet haben. Deshalb sei der Kreis als Fahrerlaubnisbehörde informiert worden. Die Kreisverwaltung kam aufgrund der Aussagen eines Zeugen und des Notarztes sowie eines Attests, das der 57-Jährige selbst beim Landgericht vorgelegt hatte, zu dem Schluss, dass es Zweifel an Meiers Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebe. So habe der Dotteler nach dem Unfall unter anderem erklärt, er leide an psychischen Vorerkrankungen mit starken Angstzuständen und nehme ein Neuroleptikum ein.
ADHS
Eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung bezeichnet eine Verhaltensstörung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen, die durch Auffälligkeiten in folgenden drei Kernbereichen gekennzeichnet ist: starke Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, starke Impulsivität und ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität). Bei Jungen tritt ADHS wesentlich häufiger auf als bei Mädchen. (wki)
Meier hatte seine Aussagen unmittelbar nach dem Unfall damit erklärt, dass er nach dem Unfall unter Schock gestanden und vom Notarzt Dormicum bekommen habe: „Deshalb hatte ich keine Kontrolle darüber, was ich gesagt habe.“ Er habe seit seinem 18. Lebensjahr den Führerschein und sei egal ob mit dem Auto oder dem Motorrad ein defensiver Fahrer. Erst vor einigen Jahren habe er erfahren, dass er ADHS habe. Die Aufforderung des Kreises, das Gutachten beizubringen, hält er für eine „extreme Diskriminierung und für eine Nötigung“.
Meier zeigt Kreis Euskirchen wegen Diskriminierung an
In einem Schreiben aus dem vergangenen Jahr hatte der Kreis darauf verwiesen, dass Meier rechtskräftig verurteilt worden sei. Meiers Anwältin Steffi Hübner aus Kall hatte aber klargestellt, dass es keine Verurteilung gegeben habe. Der Dotteler hatte nach der Aufforderung des Kreises, den Test zu absolvieren oder den Führerschein abzugeben, Anzeige wegen Diskriminierung und Nötigung erstattet. „Die Staatsanwaltschaft in Bonn hat aber abgelehnt, Ermittlungen aufzunehmen“, erklärt Meier. Die Behörde sieht keine „Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten“.
Die Kreisverwaltung hat Meier zwischenzeitlich aufgefordert, den Führerschein abzugeben, da er sich keiner Begutachtung unterzogen habe. In der Ordnungsverfügung vom 4. Juli ist weiter festgehalten, dass der Dotteler nach deren Zustellung keine „fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge“ im Straßenverkehr führen darf. In dem Schreiben wird mit einem Zwangsgeld von 500 Euro gedroht.
Auch an die Bezirksregierung wandte sich der Dotteler
„Ich habe daraufhin alle Hebel in Bewegung versetzt“, sagt der Familienvater. So habe er Klage beim Verwaltungsgericht Aachen und eine Fachaufsichtsbeschwerde bei der Bezirksregierung Köln eingereicht. Ferner habe er auch seine Anwältin Steffi Hübner in Kall eingeschaltet. Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Aufforderung des Kreises, 500 Euro zu zahlen, habe er geklagt.
„Zudem habe ich regelmäßig Kontakt zu einer Mitarbeiterin von Claudia Middendorf, der Beauftragten der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in NRW“, erzählt Meier. Eine Mitarbeiterin von Middendorf habe auch schon beim Kreis nachgehört, habe dort aber bislang „auf Granit gebissen“. Die Kreisverwaltung teilte mit, dass sie sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern wolle.
Anwältin fordert Sensibiliserung für psychische Krankheiten
Für Rechtsanwältin Hübner ist der Fall ein gutes Beispiel dafür, dass Behörden unzureichend auf Menschen mit psychologischen Erkrankungen eingestellt sind. Sie würden deshalb oft schnell abgestempelt. Da die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen steige, müssten Verwaltungsmitarbeiter für diese Fälle mehr sensibilisiert und geschult werden.
„So eine Auseinandersetzung nimmt einen schon mit. Insofern ist für mich schon ein Riesenschaden entstanden“, sagt der 57-jährige Dotteler. Bis Ende 2019 habe er daran gearbeitet, wieder in das Arbeitsleben zurückzufinden. „Es ist nicht schön, wenn man bereits als 53-jähriger eine Erwerbsminderungsrente bekommt“, sagt Meier. Der Vorfall mit dem Unfall und der anschließenden, nicht enden wollenden Tortur mit den Behörden hätten diese Hoffnung mittlerweile endgültig zu Nichte gemacht.