Die Fläche wurde erst jüngst zum Naturwald erklärt. Umso größer war die Verwunderung. Die Politik spricht von „Kommunikationsproblemen“.
Politik klärt aufHeide versus Wald – Wieso in Kall eigentlich geschützte Bäume gefällt werden
Das hört sich nach einem Schildbürgerstreich an, was Friede Röcher und Ulrich Meisen aus Dottel berichten: „Kaum war die Fläche des alten Sportplatzes unterhalb des Dorfes von der Gemeinde Kall als Naturwald ausgewiesen worden, wurde ein Teil der Bäume gefällt.“
Das Paar ging der Sache auf den Grund und fand nach einigen Recherchen heraus, dass sich in dem Fall zwei Naturschutzziele gegenüberstehen. Die gerodete Fläche gehört nämlich zu einem Naturschutzgebiet, das von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) beim Kreis Euskirchen betreut wird. Dort soll das Wachstum von Heidepflanzen gefördert werden. Um dafür die optimalen Voraussetzungen zu schaffen, mussten die Bäume weichen.
Zeitpunkt für die Fällung nicht der „glücklichste“
Das geschah, kurz nachdem der Bereich als Naturwald ausgewiesen worden war. „Der Zeitpunkt für die Fällung war sicher nicht der glücklichste“, sagte Revierförster Joachim Maeßen, der die Naturwaldflächen mit der Gemeindeverwaltung und der Kaller Politik festgelegt hatte. Für Bürger sei schwer nachvollziehbar, wenn in einer Naturwaldfläche Bäume gefällt werden.
Doch das könne vorkommen: „An anderen Stellen müssen beispielsweise auch Fichtenrestbestände entnommen werden, um einen Naturwald anzulegen.“ Dass in Teilbereichen eines Naturwalds andere Naturschutzziele entscheidend seien, ist für Maeßen kein großes Problem: „Wichtig ist, dass es dort keine Bewirtschaftung mehr gibt.“ Röcher und Meisen sind bei den Kaller Grünen aktiv.
Projekt wurde 2021 zurückgestellt
Die Partei hatte 2020 die Ausweisung von zehn Prozent der gemeindeeigenen Waldflächen als Naturwald beantragt. Der Gemeinderat hatte ein Jahr später entschieden, mindestens fünf Prozent des Gemeindewaldes für die Ausweisung als Naturwald zur Verfügung zu stellen. Der Fokus sollte dabei auf Flächen gelegt werden, die ohnehin nicht wirtschaftlich zu unterhalten sind. Wegen eines Wechsels in der Revierleitung Mitte 2021 war das Projekt zurückgestellt worden.
Erst im Dezember 2022 beschloss der Rat, die von Revierförster Joachim Maeßen vorgeschlagenen Flächen als Naturwald auszuweisen und die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung freizugeben. Insgesamt sind dafür nach Angaben der Verwaltung knapp 54 Hektar vorgesehen, die sich aus Kahl- (12,2 Hektar), Nadel- (14,7) und Laubholzflächen (27) zusammensetzen.
Der Umweltausschuss hatte zudem entschieden, zusätzlich eine rund 1,1 Hektar große Fläche am Sportplatz Scheven einzubeziehen. Auf der Liste steht auch die jüngst gerodete Waldfläche bei Dottel. „Die Bäume in dem dortigen Naturschutzgebiet sollten schon seit rund 15 Jahren gefällt werden“, erklärt Anne Hänfling von der UNB.
Hänfling spricht von Kommunikationsproblem
Die Maßnahme sei mehrfach verschoben worden. Nebenan gebe es zudem eine Stromtrasse, auf der auch bereits geförderte Maßnahmen zum Schutz der Heidelandschaft durchgeführt werden. Eine weitere Heidefläche existiere auf der anderen Seite des Dorfes. Hänfling spricht in dem Zusammenhang von einem Kommunikationsproblem: „Von der Ausweisung als Naturwaldfläche haben wir nichts gewusst.“ Sie widerspreche in dem Fall auch dem Ziel des Naturschutzgebiets. „Wir hätten es begrüßt, wenn mit uns alle für die Ausweisung von Naturwald ausgewählten Flächen besprochen worden wären“, sagte Hänfling.
An manchen Standorten mache die Ausweisung von Naturwaldflächen nämlich gar keinen Sinn. „Ich habe mit der UNB über viele geplante Naturwaldflächen gesprochen, aber nicht über alle“, sagte Maeßen. Eine Übersicht über die Flächen habe die Behörde noch nicht vorliegen, weil erst noch das Forsteinrichtungswerk mit entsprechendem Kartenmaterial und Planzielen für die Entwicklung der Waldflächen vom Ausschuss beschlossen werden müsse.
27 Hektar Naturwald in Dottel
Alle Maßnahmen seien auch mit der Kaller Politik abgesprochen. „Wir brauchen für die Tiere und Pflanzen zusammenhängende Bereiche und keine Inselbiotope“, betonte Meisen. Wenn zwischen den Bereichen große, landwirtschaftlich genutzte Flächen liegen, haben es die Arten schwer, sich zu verbreiten. In Dottel, so Maeßen, gebe es so eine zusammenhängende Waldfläche: „Dort sind insgesamt rund 27 Hektar Naturwald ausgewiesen.
Wenn da auf einer 0,4 Hektar großen Fläche Bäume abgeholzt werden und nebenan wegen der Stromtrasse keine Bäume wachsen können, sei das zu verkraften: „Es bleibt ja das gemeinsame Ziel, die Natur an der Stelle zu schützen.“ Meisen und Röcher kritisieren auch, dass bei der Fällaktion Harvester zum Einsatz kamen, die den Boden enorm verdichten. Dabei würden auch Bodenpilze und Mikroorganismen zerstört. Das kann Hänfling nicht bestätigten: „Wir hatten mit der Firma besprochen, dass bodenschonend gearbeitet werden soll.“ Sie habe bei einer Besichtigung keine Fahrspuren gesehen oder sonstige Beeinträchtigungen festgestellt. Maeßen stimmt ihr zu: „Mit den Arbeiten wurde extra bis zu einer Frostperiode gewartet, damit die Schäden möglichst gering sind.“
Damit die Heide sich wohlfühle, müsse eine Fläche komplett geräumt werden. Dafür seien die Harvester genau die richtigen Maschinen. Nach den Erfahrungen in dem aktuellen Fall wollen Röcher und Meisen künftig darauf achten, dass weitere Ausweisungen von Naturwaldflächen mit der Unteren Naturschutzbehörde und der Biostation des Kreises abgesprochen werden.