Läuferin Christine BeckerVon der Runde um Scheven zum Marathon

Christine Becker auf einer ihrer Runden.
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Kall-Scheven – Sie läuft mehr Kilometer pro Jahr, als sie mit ihrem Auto fährt: Mehr als 5000 Kilometer hat Christine Becker im vergangenen Jahr auf Schusters Rappen absolviert. Mal etwas langsamer, mal etwas schneller – aber häufig lächelnd. „Laufen soll doch vor allem Spaß machen“, sagt die Schevenerin, die 2014 ihren ersten Halbmarathongelaufen ist. Erst wenige Monate davor joggte die gebürtige Kölnerin das erste Mal durch die Wahlheimat Scheven. „Eine Runde im und ums Dorf“, erinnert sich die 42-Jährige.
Das habe ihr so viel Spaß gemacht, dass sie sich sofort für den Halbmarathon in ihrer Heimatstadt anmeldete. „Ich bin ihn natürlich viel zu schnell angegangen, weil ich so berauscht war von der Stimmung“, erinnert sich Becker. Als sie dann im Schatten des Doms über die Ziellinie gelaufen sei, habe sie den Entschluss gefasst, zu trainieren: für den Köln-Marathon. Mit dem Zwischenstopp Halbmarathon in Berlin in unter zwei Stunden. In der Hauptstadt überquerte die gelernte Steuerfachangestellte nach 1:50 Stunde die Ziellinie.
Laufen gebe ihr Freiheit, sagt die 42-Jährige: „Das ist meine Zeit. Zeit, die ich ganz bewusst genieße, den Kopf ausschalte.“ Sie sei neugierig auf neue Strecken, neue Erlebnisse. Ein solches Erlebnis sei auch ihr Lauf nach Köln gewesen – von Scheven aus. 68 Kilometer. Am Stück. „Ich wusste nicht, was mich erwartet, deshalb bin ich gefühlt immer an der Bahnlinie entlang gelaufen. Im Notfall hätte ich mich eben in den nächsten Zug in Richtung Heimat gesetzt“, sagt Becker schmunzelnd. Dieser Notfall sei aber nicht eingetreten. Erst in Köln sei sie in den Zug gestiegen und mit der Eifelbahn in Richtung Kall gefahren.

Die Laufuhr gehört zum Trainingsprogramm selbstverständlich dazu. Auch der Puls wird dabei angezeigt.
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Das Ziel Köln faszinierte Becker aber ein zweites Mal. An Weiberdonnerstag machte sie sich als Lieschen Müller verkleidet auf den Weg in die Domstadt – mit Ringelsocken und geflochtenen Zöpfen. 42,195 Kilometer. Was für ein jecker Marathon.
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Es muss aber nicht immer ein Marathon sein. Im Gegenteil. Wie viele andere Läufer im Kreis Euskirchen hat Becker die Eifelschleifen für sich entdeckt. So stehen unter anderem regelmäßig der Wild- und Kräuterpfad auf dem Trainingsplan. „Die Strecken geben mir etwas. Der Blick ins Weite ist einfach toll. Das Laufen in der Natur gefällt mir sehr gut“, sagt Becker, die seit Jahren mit dem gleichen Laufschuh-Modell ihre Kilometer abspult.
Tipps von Christine Becker
1. „Wer mit dem Laufen beginnen möchte, sollte sich einen Lauf-Buddy suchen. Der hilft unheimlich, den inneren Schweinehund zu überwinden.Sich selbst zu sagen, dass man vielleicht keine Lust hat oder das Wetter zu schlecht zum Laufen ist, ist einfacher, als es auch noch jemand anders zu sagen.“
2. „Feste Trainingstage helfen unheimlich. An diesen Lauftagen wird dann gelaufen, der Rest des Tages um die Laufeinheit herum geplant.“
3. „Ziele setzen mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Dann ist die Motivation am Größten. Wenn man ein festes Ziel vor Augen hat, ist es einfacher alles dafür zu tun. Das kann ein bestimmter Lauf sein, an dem man teilnehmen möchte oder eine bestimmte Strecke.“4. „Einfach machen. Mit ein bisschen Mut ist alles möglich.“ (tom)
Etwa 14 Paar habe sie in den vergangenen Jahren verschlissen. Obwohl sie ein Lieblingsmodell habe, empfiehlt Becker für unterschiedliche Untergründe unterschiedliche Schuhe.
Viel wichtiger als die Schuhe sei aber der eigene Antrieb und der Spaß am Laufen. Und der vergeht der 42-Jährigen auch nicht, wenn die Strecken ein wenig anspruchsvoller werden. Höhenmeter kitzeln bei der Wahl-Eifelerin noch ein wenig Extra-Motivation hervor. Und Höhenmeter gab es beim Urlaub in Österreich mal mehr als genug. 2094 Höhenmeter auf 20,7 Kilometer langen Strecken bewältigte sie auf dem Alpe-Adria-Trail.
Der ist insgesamt etwa 750 Kilometer lang. „Das war mein erstes erlaufenes Gipfelkreuz. Ein Wahnsinnsgefühl“, erinnert sie sich an den Halbmarathon auf dem Tschiernock. Doch es muss nicht gleich Österreich sein. Die Eifel geht auch. Becker läuft nach eigenen Angaben gerne am Rursee oder im Nationalpark rund um Gemünd. Wie überall sonst, gilt auch dort bei ihr das Motto: „Ich verlaufe mich nicht. Das sind alles Zusatzkilometer.“

Christine Becker verschleißt im Jahr durchschnittlich zwei Paar Laufschuhe.
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Der eine oder andere Zusatzkilometer sei durchaus schon zusammengekommen, sagt Becker schmunzelnd und fügt hinzu: „Unter vier Stunden gibt bei uns keiner eine Vermisstenanzeige auf.“ Und Zusatzkilometer können auch weitere schöne Momente bedeuten. Eine ihrer Lieblingsstrecken führt durch den Eickser Busch zwischen Kommern und Eicks. Dort gebe es tolle Strecken mit ein wenig Profil, viel Wald, erlebenswerte Ausblicke und weichen Waldboden. Ihre Familie sei bei ihrem Hobby der große Rückhalt. „Wenn die nicht so hinter mir stehen und mir die Freiheiten geben würde, wäre das alles so nicht möglich“, berichtet Becker, die gerne noch mehr Lauferfahrungen in den Bergen sammeln möchte.

Auge auf, Auge zu: Die Socken dürfen modisch sein.
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Und noch etwas hat – oder besser hatte – sie sich vorgenommen: den Marathon unter 3:30 Stunden zu laufen. Die persönliche Bestzeit war mittlerweile vier Jahre alt und sollte unterboten werden. Um das zu erreichen, erstellte sich Becker einen eigenen Trainingsplan. Einen, der sie auch mal auf eine Laufbahn bringt. Das sei zwar nicht so schön wie im Wald, doch für das persönliche Ziel müsse eben mal ein Opfer gebracht werden, sagt sie. Am eigentlichen Laufpensum, das pro Woche zwischen 90 und 120 Kilometer liegt, ändert das aber nicht viel. Nur die Intensität der Trainingseinheiten habe sich seit einigen Wochen geändert. In diesem Jahr hat sie schon 2121 Kilometer in 111 Läufen abgespult – viele davon auf dem Eifelsteig, den sie auch ambitionierten Läufern nur wärmstens empfehlen kann.
Und der persönliche Rekord? Der ist aufgestellt. Becker lief acht Runden um den Zülpicher See – inklusive Geschwindigkeitsmacher und Versorgung durch die eigenen Kinder. Da war sie wieder, die Familie, die das Hobby der Schevener Extremläuferin mitträgt.