Karneval im Kreis EuskirchenVeranstalter suchen Lösungen für Gewalt und Exzesse
Kreis Euskirchen – Ein herrliches Kostüm gehört dazu, schunkeln und tanzen zur Musik – klarer Fall. Dann noch ein Bützje und vielleicht ein leckeres Bierchen – und schon ist der Jeck im siebten Karnevalshimmel. Blootwosch, Kölsch un e lecker Mädche halt.
Der Rheinländer braucht in der Regel nicht allzu viel, um glücklich zu sein. Doch ein einziger aggressiver Zeitgenosse reicht aus, um die schönste Party zu sprengen.
Davon kann Albert Meyer ein Lied singen. Der Vorsitzende des Festausschusses Mechernicher Karneval organisiert mit seinem Team seit Jahrzehnten die Großveranstaltungen an Weiberfastnacht und zum Zugausklang. Und dabei halten sich nicht alle Gäste an die Devise Friede, Freude, Eierkuchen.
13 Verletzte bei Schlägerei in Mechernich
„Einer fing an, verteilte Kopfnüsse und schlug sogar mit Tischen um sich. Es gab mehrere Verletzte und ein Großaufgebot der Polizei hatte alle Hände voll zu tun, den Tobenden zu bändigen. Die Veranstaltung mussten wir abbrechen“, klagt Meyer.
Die Bilanz dieser Schlägerei an Karnevalssonntag 2006 in der Mechernicher Dreifachturnhalle waren zwölf Leicht- und ein Schwerverletzter. Der Täter, von Beruf ausgerechnet Sozialarbeiter, wurde ein Jahr später vom Euskirchener Amtsrichter wegen schwerer Körperverletzung zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.
Randale am Euskirchener Zoch
Leider kein Einzelfall. Immer wieder fliegen an Karneval die Fäuste. So auch 2018 während des Rosenmontagszuges in Euskirchen. In der Nähe des City-Forums waren sich Jugendliche und Erwachsene in die Haare geraten. Die Streithähne wurden von Zugteilnehmern und der Security getrennt. Zu diesem Zeitpunkt war gefühlt bereits Aschermittwoch für die Jecke, die einfach nur feiern wollten.
Für Meyer war der Ausbruch von Gewalt in der Mechernicher Dreifachturnhalle ein Schock. „Da ist man ziemlich hilflos.“ Der 64-Jährige hat festgestellt, dass es vielen inzwischen am nötigen Respekt mangele. Wenn dann noch große Mengen an Alkohol oder Drogen hinzukämen, steige die Bereitschaft zur Gewalt erheblich: „Einige unserer Besucher haben schon vorgeglüht. Das verträgt leider nicht jeder.“
3700 Euro für Sicherheit in Mechernich ausgegeben
Die Mechernicher haben mit ihrer Weiberfastnachtsparty vor 30 Jahren klein angefangen. „Damals saßen zwei Mann an der Kasse, ein Security-Unternehmen brauchten wir nicht“, so Festausschuss-Chef Meyer. Inzwischen kämen im Schnitt 1000 Leute. Ohne Sicherheitsdienst gehe das gar nicht mehr: „Dann hätten wir alle ein mulmiges Gefühl.“ Doch die Sicherheit hat ihren Preis.
3700 Euro, so Meyer, müssten für die Security für die beiden Karnevalspartys hingeblättert werden. 15 Männer und Frauen seien dann jeweils im Einsatz. Ihr Job sei es unter anderem, die Jecke direkt am Eingang zu kontrollieren. „Sie glauben gar nicht, was die bei den Kontrollen so alles finden. Das reicht vom Schnaps, der reingeschmuggelt werden soll, bis hin zum Messer oder Reizgas“, so Meyer.
Veranstalter und Security wollen knallhart durchgreifen
Das Security-Team sei in Mechernich angewiesen, bei Gästen, die sich daneben benehmen, knallhart durchzugreifen. So würden Betrunkene am Eingang gleich abgewiesen. Rausgeworfen würden auch diejenigen, die Frauen belästigten oder Streit suchten: „Wir wollen keine Randale.“
Urlaubssperre für die Polizei
Für Polizeisprecher Lothar Willems steht fest, dass die Security für seine Kollegen keine Konkurrenz darstellt: „Im Gegenteil, wenn sie ihren Job gut machen, haben wir mehr Zeit, unser Kerngeschäft zu erledigen: Gefahrenabwehr und die Verfolgung von Straftaten.“ Das dürften die Security-Mitarbeiter nicht. Sie hätten eine Ordner-Funktion. Nach Angaben von Willems gibt es für die Polizei in der heißen Phase des Karnevals eine Urlaubs- und Dienstfreisperre: „Da brauchen wir jede Frau und jeden Mann für den Drei-Schicht-Betrieb. Auch aus dem Innendienst müssen die Kollegen auf die Straße.“ Doch nicht jeder kleine Zug könne von einem Streifenwagen oder Beamten begleitet werden. Die Kollegen rückten zu den größeren Umzügen aus. Da gelte es etwa, Straßen zu sperren. Für die Sicherheit innerhalb des Zochs seien in der Regel die Wagenengel zuständig, die von der Vereinen oder der Feuerwehr gestellt würden. (pws)
Mit Randale kennt sich Claudia Hahn beruflich bestens aus. Sie ist Geschäftsführerin von ESA-Security mit Sitz in Kall. „Wir sind keine Türsteher, sondern sorgen für Sicherheit“, stellt sie gleich klar. Das Unternehmen hat 87 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch im Karneval im Einsatz sind. Betriebsleiter ist der ehemalige Polizist Axel Dulz, der an den tollen Tagen schon einiges erlebt hat. Angst hat er nach eigenem Bekunden nie verspürt: „Ein mulmiges Gefühl schon. Das ist auch wichtig, denn man muss in unserem Job immer wachsam und reaktionsbereit sein.“ Die Gefahr ist ein ständiger Begleiter der Sicherheitskräfte, die nicht zimperlich sein dürfen. „Wir sind im Fall einer Schlägerei zum Eingreifen verpflichtet“, sagt Dulz.
Auch Security ist in Gefahr
„Wenn zwei sich schlagen, kann es passieren, dass die sich gegen uns verbünden“, weiß der 59-Jährige aus Erfahrung. Sobald die Fäuste fliegen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch die Security Blessuren davonträgt. „Einem Kollege hat ein Angreifer einen Aschenbecher auf den Kopf geschlagen und ihn erheblich am Schädel verletzt. Einem anderen wurde die Kniescheibe zertrümmert“, so Dulz.
Der Ex-Polizist hat ein deutlich höheres Aggressionspotenzial als noch vor zehn Jahren ausgemacht – auch an Karneval: „Inzwischen werden ja auch Sanitäter und Polizisten angegriffen.“ Er legt großen Wert darauf, auch wenn das ein heißes Thema sei, „dass dies nichts mit Ausländern zu tun hat“. Es gehe um einen grundsätzlichen Mangel an Wertevermittlung in der Gesellschaft. Als Beispiele nennt er Defizite in der Erziehung und der Schulbildung.
Hausrecht durchsetzen
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von ESA-Security sind unter anderem in der Damensitzung „Hölle von Vettweiß“ im Einsatz und begleiten die Züge in Gemünd, Schleiden und Zülpich. Dabei geht es vorwiegend darum, Unfälle zu verhindern. Bei den karnevalistischen Saalveranstaltungen gibt nach Angaben von Betriebsleiter Dulz der Kunde, also der Veranstalter, vor, was geht und was nicht: „Wir setzen in dessen Auftrag das Hausrecht durch.“ Eine Durchsuchung dürfe das Sicherheitspersonal im Gegensatz zur Polizei nicht durchführen.
Freiwillige Sichtung lautet das Zauberwort. Doch was passiert, wenn dabei ein Besucher nicht mitspielt? „Dann kommt er nicht rein“, so Dulz, dessen Kollegen häufig Reizgas und Messer aus dem Verkehr ziehen. Sollte einer verbotene Gegenstände mit sich führen, werde die Polizei hinzugezogen.
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„Sie kommen hier nicht rein“, gilt laut dem ESA-Mann auch in der Regel für Betrunkene, die unbedingt noch in den Saal torkeln wollen. Doch dabei spielten die Kunden nicht immer mit, „weil sie Umsatz machen wollen“. Dann drückten sie schon mal beide Augen zu.
Gute Zusammenarbeit mit der Polizei
Die Zusammenarbeit im Kreisgebiet mit der Polizei bezeichnet Dulz als „hervorragend“. Die Beamten seien dankbar, wenn das Ordnungspersonal etwa Randalierer und Schläger vorläufig festnehme. Die Festnahme sei in diesen Fällen eine Jedermannsrecht: „Das dürfen Sie auch.“
Eine vorläufige Festnahme musste das Sicherheitspersonal aus Kerpen bei der Weiberfastnachtsparty in Euskirchen „Jeck im Casino“ laut Hermann Verbeek noch nie durchführen. Wenn man dem Event-Manager zuhört, gewinnt man schnell den Eindruck, dass diese Veranstaltung eine Insel der Glückseligen ist. Gewalt oder Randale? Fehlanzeige!
Weniger Gewalt bei Feiern mit vielen Frauen
„Bei uns sind die Frauen in der Überzahl. Da ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass es bislang immer friedlich abgelaufen ist. Eine Schlägerei hat es nie gegeben“, so Verbeek. Ein weiterer Grund dafür sei wohl auch, dass im Casino kein Schnaps ausgeschenkt werde. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die Tresen- oder Kassen-Dienst verrichteten, seien für die Gäste Respektspersonen.
„Ein Euskirchener Karnevalist hat gesagt, ,bei euch ist eine tolle Atmosphäre, da kann man auch die Frauen alleine hinschicken’“, so Verbeek. Auf die Security-Mitarbeiter würde er trotzdem nicht verzichten. Allerdings wüssten die auch, „dass wir die Regeln aufstellen“. Wenn die Gäste eine Stunde in der Schlange stünden, um herein zu kommen, sei Freundlichkeit am Eingang Trumpf. „380 dürfen rein. Weitere erhalten erst dann Zutritt, wenn andere den Saal verlassen“, so der Euskirchener.