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Der kleinste ZochSeit 1959 zieht der Wanderclub Rosenmontag alleine durch Zülpich

Lesezeit 4 Minuten

1965 zogen die Merzenicher als Holländer durch Zülpich.

  1. Seit 1959 zieht Herbert Meurer mit seiner Gruppe alleine durch Zülpich-Merzenich.
  2. Der Wanderclub Rosenmontag hält an der Tradition fest und sagt ganz deutlich über sich selbst: „Wir sind ein bisschen bekloppt, aber herrlich jeck bekloppt“.
  3. Warum hält die Gruppe auch alleine die Karnevals-Fahne im Stadtteil hoch? Und wie viel Vorbereitung fließt in den Solo-Zug?
  4. Ein Besuch bei der wohl raderdollsten Truppe im Kreis Euskirchen.

Zülpich-Merzenich – Ein bisschen bekloppt seien sie schon, sagt Herbert Meurer: „Aber herrlich jeck bekloppt.“ Mit seinen Mitstreitern bildet er seit Jahren den kleinsten Karnevalszug im Kreis. Eine einzige Gruppe zieht seit 1959 Rosenmontag durch Merzenich – Alaaf! Mit einer Ausnahme: im vergangenen Jahr waren es drei Gruppen. Rekord! „Wir hatten Unterstützung vom Sinzenicher Dreigestirn und dem Kinderdreigestirn der KG Thum“, sagt Dirk Schötzau, Vorsitzender des Wanderclubs „Heiterkeit“ Merzenich.

Doch was hat ein Wanderclub mit Karneval zu tun? In Merzenich ziemlich viel! Der Erste Weltkrieg war gerade einige Wochen vorbei, da hatten Fritz Breuer, Heinrich Dahmen, Karl Frings, Karl Schiffmann und Wilhelm Gerikus die Idee, das Kirchweihfest wieder aufleben lassen. Zu diesem Zweck – so jedenfalls war der Plan – wollten sie einen Junggesellenverein gründen. Doch unter der französischen Besatzung war ein derartigen Verein verboten.

Mit Spaß dabei: Dirk Schötzau (l.) und Domenik Berg bauen den Wagen für den Merzenicher Rosenmontagszug. Der besteht traditionell nur aus einer Gruppe.

Das schlitzohrige Quintett aus Merzenich ließ sich davon keineswegs entmutigen. Stattdessen hoben sie den „Wanderclub Heiterkeit“ (WCH) aus der Taufe. Gewandert wird beim WCH – damals wie heute – aber nur selten. Dafür wird Karneval gefeiert. Seit 1959. Und wie. „Wenn der böse Weingeist den Papa in das Bein beißt“, lautete das Motto des Festwagens.

101 Dalmatiner ziehen diese Session durch Merzenich

Vier Jahre später reichte der Karneval im eigenen Dorf den Jecken nicht mehr aus, also ging es nach Zülpich. 1963 zogen die WCH-Mitglieder als Kosaken an Rosenmontag durch die Römerstadt und wurden direkt als beste Gruppe ausgezeichnet. Ein Titel, den sie in den kommenden vier Jahren ebenfalls erhalten sollten. Zudem sicherten sie sich 1964, 1966 und 1967 den Preis für den schönsten Wagen im Zülpicher Rosenmontagszug. Den Preis der Herzen haben die Jecken des Wanderclubs in Merzenich seit nunmehr 61 Jahren abonniert.

Malen das Motto aus: Julia Berg (l.) und Jana Fischer.

In dieser Session ziehen die Merzenicher als Dalmatiner durch die Straßen in Merzenich und Zülpich. Angelehnt sei das Motto „101 Wanderdalmatiner sind auf Tour – vom Vlattener Bach bis an die Ruhr“ an die 101-jährige Geschichte des Vereins. Zurzeit wird fleißig am Wagen für die diesjährigen Rosenmontagszüge gebastelt. Die überdimensionale Hundehütte ist bereits fertig. In der Walt-Disney-Komödie aus dem Jahr 1996 spielt Glenn Close die exzentrische Cruella De Vil. Bei den Merzenichern ist sie wesentlich schweigsamer als im Film. Die Jecken haben eine Schaufensterpuppe mit einem schwarzen Cocktailkleid, roten langen Handschuhen und der markanten schwarz-weißen Perücke ausgestattet.

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So nah die Fälschung am Original ist, so sehr musste bei der Befestigung auf dem Karnevalswagen improvisiert werden. Weil Wagenbauer Domenik Berg keine Unterlegscheibe zur Hand hatte, nahm er kurzerhand den Kronkorken einer Bierflasche und schraubte ihn der Puppe durch den Mittelfuß. „Wir wissen uns schon zu helfen“, sagt Berg schmunzelnd. Zwar seien die Aufbauten auf den Karnevalswagen mittlerweile kleiner und mitunter weniger aufwendig als früher, doch weniger Liebe stecke deshalb nicht im Detail. Und dieses Detail kann auch mit den Kamelle zu tun haben. „Wir werfen in Merzenich seit Jahren keine Kamelle mehr, sondern drücken sie den Jecken am Wegesrand direkt in einem Jutebeutel in die Hand“, berichtet Schötzau.

Kamelle werden in Jutebeutel verteilt

So soll der Müll am Straßenrand vermieden werden. Es sei ein kleiner Beitrag zum Umweltschutz, sagt der Vereinsvorsitzende. Die Gruppe habe entschieden, für den Zülpicher Rosenmontagszug die Kamelle in eigens bestellte, recycelbare Hundekotbeutel abzupacken und diese nicht zu werfen, sondern in die Hände der Narren zu drücken. Auch bei den Materialien des Wagens wird auf Nachhaltigkeit gesetzt. „Wir haben das Grammophon aus dem vergangenen Jahr zur Hundehütte umgebaut. Die Huskies aus Holz, die wir am Wagen hatten, als wir Eskimos waren, werden nun zu Dalmatinern“, so Meurer.

Fehlt die Unterlegscheibe, muss der Kronkorken herhalten.

Seit einigen Wochen trifft sich die Gruppe, um die Rosenmontagszüge in diesem Jahr vorzubereiten. Während Domenik Berg die Schaufensterpuppe alias Cruella De Vil festschraubt, beschreiben seine Freundin Jana Fischer und seine Schwester Julia die Motto-Schilder. Etwa 30 Dalmatiner werden Rosenmontag durch die Zülpicher Straßen ziehen. In Merzenich werden es wohl ein paar weniger sein. „Wir haben immer mal wieder spontane Jecken dabei“, sagt Schötzau. Der eingruppige Zug finde in Merzenich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, sagt er: „Es gibt schon den einen oder anderen neuralgischen Punkt im Dorf – da ist echt was gebacken.“ Allerdings, so Schötzau, dürfe man keine Massen am Zugrand erwarten. „Ein Teil der rund 170 Einwohner geht ja schließlich mit uns“, sagt er und lacht.

In diesem Jahr werden die Kostüme gekauft. Vor Jahren wurden sie noch geschneidert. Rudolf Meurer, der Vater des heutigen Vize-WCH-Vorsitzenden, war gelernter Schneider und hatte in jeder Session die Fertigung der Kostüme übernommen. Überhaupt sei früher einiges anders gewesen – auch einfacher, so Meurer: „Die Auflagen des Tüv bei der Abnahme des Festwagens wurden immer höher. Das ist nicht spurlos an uns vorbeigegangen.“ Da sei ein Handlauf plötzlich Pflicht gewesen oder die Brüstung hätte erhöht werden müssen. Den Spaß am Karneval, am Jecksein habe das der Gruppe aber nie nehmen können. „Wir sind eben ein bisschen jeck“, so Meurer.