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„Kirche ist nicht nur langweilig“Zwei junge Christen erzählen über ihr Engagement

Lesezeit 7 Minuten

„Kirche ist Teil meiner Identität“, sagt Thorge Joswig. Als Pfarrerssohn wurde er quasi in den Glauben hineingeboren.

Euskirchen – Warum engagieren Sie sich in der und für die Kirche?

Thorge Joswig: Es ist ein Teil meines Lebens. Ich bin als Pfarrerssohn in dieses Medium Kirche reingeboren worden. Und es ist ein Teil meiner Identität. Ich mache es, weil ich gefragt werde und weil es mir Spaß macht. Es ist schön, sich engagieren zu können.

Pfarrerssohn

Thorge Joswig ist 19 Jahre alt und Sohn von Oliver Joswig, dem Pfarrer in der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Schleidener Tal. Er wohnt mit seinen Geschwistern und Eltern in Hellenthal und absolviert zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr beim kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum des Kreises Euskirchen.

In der Kirche unterstützt er seinen Vater momentan bei der Web-Video-Produktion von Online-Andachten und Online-Gottesdiensten. Joswig ist außerdem Stammesführer des Hellenthaler Stamms Wilhelm Hermann der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands. (jre)

Anna Komp: Ich finde, dass man sich in die Kirche einbringen sollte. Und auch seine Meinung und seine Interessen vertreten sollte. Viele Angebote sprechen eher die ältere Generation an, die jüngere kommt dabei etwas zu kurz. Ich möchte zeigen, dass die Kirche nicht nur langweilig ist, sondern auch viele Angebote hat, die man auch mit jüngeren Menschen machen, und so in Kontakt kommen kann.

Medizinstudentin

Anna Komp ist 19 Jahre alt und die Tochter der Engagementsförderin der Zülpicher Kirche, Marianne Komp. Die ehemalige Marienschülerin studiert seit diesem Semester Medizin in Münster. Der Abstand größte Teil ihrer Vorlesungen absolviert die Studentin derzeit online. Anna Komp wohnt, wenn sie nicht gerade in Münster ist, mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in Bessenich.

Ursprünglich wollte die 19-Jährige Tierärztin werden, tendiert nun aber zur Allgemeinmedizin. Durch die Arbeit ihrer Mutter ist sie frühzeitig mit der Kirche in Kontakt gekommen. (tom)

Wie ist das Engagement entstanden?

Komp: Nach meiner Kommunion bin ich Messdienerin geworden. Und ich habe natürlich viel von der Arbeit meiner Mutter mitbekommen, die Engagementförderin bei der katholischen Kirche in Zülpich ist. Da habe ich eigentlich alle Projekte mitbekommen.

Joswig: Ich bin immer mitgenommen worden und habe dann immer mehr Sachen übernommen. Und irgendwann kommt dann der Punkt, wo man dann einfach gefragt wird: Machst du? Kommst du? Hilfst du? Können wir das so machen?

Was muss und könnte die Kirche tun, um für junge Menschen attraktiver zu sein?

Joswig: Das, finde ich, ist immer eine schwierige Frage. Es muss für Jugendliche ein gutes, gesundes Angebot geben, womit sie auch etwas anfangen können. Wie beispielsweise vor Ostern der Jugendkreuzweg. Da ist ja auch immer eine sehr große Beteiligung der Jugendlichen da. Die Kirche muss sich dahingehend ändern, dass man nicht nur Ü-50 als Zielgruppe sieht, sondern dass man explizit auch Kinder und Jugendliche als Zielgruppe sieht.

Letztendlich sind die der Nachwuchs und wenn man das aus den Augen verliert, was geschehen kann, dann verbaut man sich die Zukunft. Die Kirche muss sich wandeln, in die Richtung, dass man für Jugendliche attraktivere Angebote hat, als das vielleicht bisher der Fall ist.

Komp: Ich finde schon ein paar Sachen echt spannend. Beispielsweise die Adventsmomente, wo jeder mitmachen und einen Impuls mitnehmen kann. Und eben nicht nur denkt: Ach ja, da sitzt man da zusammen und redet, sondern dass es eben auch kreative Sachen gibt. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche über den Tellerrand hinausschauen würde. Und mal überlegen: Womit könnten wir jüngere Leute ansprechen und dementsprechend in Projekte einbeziehen, die vielleicht nicht direkt Kirche mit verknüpft wird.

Haben Sie ein Beispiel?

Komp: Wir waren im Firmunterricht im Klettergarten. So etwas verknüpft man nicht auf den ersten Blick mit dem Glauben. Dabei spielt sowohl beim Glauben als auch beim Klettern das Vertrauen eine wichtige Rolle – zum Beispiel ins Material und in den Partner, dass er einen sichert. Genauso ist das mit Gott. Ihm vertraue ich auch.

Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?

Joswig: Es ist ein Medium, woraus man Kraft tanken kann, in einer gewissen Weise. Etwas, was einen stärkt auf seinem Wege. Das haben wir auch oft bei den Pfadfindern, wo dann Erlebnisse sind, die man sich so nicht unbedingt erklären könnte.

Komp: Dass man immer wen hat, an den man sich wenden kann – egal, in welcher Situation. Und, dass man ganz offen sein kann und sich nicht verstellen muss. Egal, ob man Sorgen hat oder sich einfach mal bedanken möchte. Durch den Glauben findet man mit anderen Menschen zusammen. Das finde ich schön und wichtig.

Wie reagieren Ihre Freunde, wenn Sie erzählen, dass Sie für die Kirche aktiv sind?

Komp: Die meisten wissen, dass ich mich in der Kirche engagiere. Wenn ich irgendwo übernachte, ist es klar, dass ich sonntags um spätestens 10.30 Uhr weg muss. Manche sagen, dass sie es nicht unbedingt so machen würden, aber es ist auf keinen Fall so, dass da irgendwelche negativen Sprüche kommen.

Joswig: Tatsächlich kommt ein Großteil meiner Freunde nicht unbedingt aus diesem Milieu. Aber meistens lernen sie mich schnell damit kennen, dass ich der Pfarrerssohn bin. Daher ist es manchmal Unverständnis, aber häufig auch nicht.

Wie wichtig ist Ihnen Weihnachten?

Joswig: Oh, das ist mir sehr wichtig. Heiligabend ist bei uns eigentlich auch immer mit viel Arbeit verbunden. Normalerweise haben wir drei Gottesdienste, einen um 15 Uhr, einen um 17 Uhr und einen um 23 Uhr. Demnach ist Heiligabend für uns immer gut voll, aber danach wird es schön.

Komp: Weihnachten ist ein Grundstein des Glaubens. Deswegen ist wichtig, dass wir uns in dieser Zeit daran erinnern, warum wir Weihnachten feiern. Und ich finde schön, dass man mit der Familie zusammenkommt und eine besinnliche Zeit hat – abgesehen von den Geschenken. Wir genießen die Advents- und Weihnachtszeit immer sehr.

Wie feiern Sie Weihnachten?

Komp: Wir werden Weihnachten in diesem Jahr im engsten Familienkreis feiern. Normalerweise mit Messe, Bescherung und und und. In diesem Jahr wird es allein schon, weil die Messen abgesagt sind, etwas reduzierter werden.

Joswig: Auch unter Corona haben wir „fast“ normale Gottesdienstzeiten. Ab 13 Uhr: Vorbereiten des Gottesdienstes, 15 Uhr: der erste Gottesdienst. Danach ist meistens Kirche umbauen angesagt. Dann ist 17 bis 18 Uhr die Christ-Vesper. Nach dem Gottesdienst gibt es dann bei uns Essen, dann gibts Bescherung. Dann ist es meistens so 20 Uhr, dann wird sich noch unterhalten, je nach dem noch ein Film geguckt oder wir müssen noch etwas vorbereiten.

Weil plötzlich noch eine Idee kam, wie man noch was an der Christmette bearbeiten könnte. Ab 22 Uhr singen wir uns, normalerweise, mit dem Chor ein. Da wir dieses Jahr nicht singen werden, entfällt das natürlich. Um 23 Uhr ist der Gottesdienst und um 24 Uhr ist der Gottesdienst vorbei mit großem Geläut und dann geht es normalerweise ins Bett. Und der erste Weihnachtstag beginnt dann meistens mit Ausschlafen – dieses Jahr auch ein bisschen, denn der Youtube-Gottesdienst beginnt um 11 Uhr.

Jetzt mal Hand aufs Herz: Bleibt das Handy während einer Messe komplett in der Tasche?

Komp: Ja. Manchmal lasse ich es sogar im Auto. Es hat auch noch nie laut geklingelt. In der Zeit schaffe ich es tatsächlich, dass Handy Handy sein zu lassen. Bei meinem Papa hat es während der Messe aber schon mal geklingelt (lacht).

Joswig: Nein. Alleine jetzt momentan mit den Online-Gottesdiensten, da dient es als Zeitmesser. Ich habe hier auch ein Diensthandy. Darüber haben wir in der ersten Zeit des Corona-Lockdowns Fürbitten reinschicken lassen für die Andachten. Aber das Handy muss stumm sein, das ist ganz wichtig. Für private Nachrichten bleibt dann keine Zeit. Während der normalen Gottesdienste bleibt es auch in der Hosentasche.

Hat die Corona-Pandemie ist Engagement in der Kirche beeinflusst?

Joswig: Ich sage mal, es ist in ein anderes Themenfeld gerutscht. Vorher habe ich hier ein bisschen als Küster gearbeitet. Dieses Feld ist natürlich weggefallen. Es ist jetzt dieses große Feld der Youtube-Gottesdienste dazu gekommen, mit viel Arbeit, viel Freuden – ich habe viel lernen dürfen. Ansonsten habe ich vor der Corona-Pandemie bei den Konfi-Freizeiten mitgemacht, wo ich als Teamer dabei war. Das ist ja gerade eher schwierig. Also das fehlt schon.

Komp: Ja. Allein schon, weil bei den Messen zunächst keine Messdienerinnen und Messdiener mehr dabei waren. Entsprechend war es weniger. Ich habe in diesem Jahr bei den Adventsmomenten und der Nacht der Lichter mitgeholfen – trotz Corona-Pandemie.

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Herr Joswig, Sie als Pfarrerssohn: Wollen Sie irgendwann in die Fußstapfen ihres Vaters treten und ebenfalls Pfarrer werden?

Joswig: Eigentlich nicht, eigentlich möchte ich Verkehrswesen studieren. Theologie ist zwar ein spannendes Thema – ich kann das auch jedem empfehlen– aber ich möchte es nicht machen. Ich glaube es wird mich auch so mein Leben lang irgendwie begleiten.