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Über Tauben und ihre HinterlassenschaftenSie sind gekommen, um zu bleiben

Lesezeit 5 Minuten

Tauben und ihre Hinterlassenschaften sind nicht nur in der Stadt ein Ärgernis, wie unsere Autorin erfahren musste.

  1. Tauben und ihre Hinterlassenschaften sind nicht nur in der Stadt ein Ärgernis, wie unsere Autorin erfahren musste.

Euskirchen/Eifel – Ich habe häufiger Mitbewohnerinnen und Mitbewohner auf Zeit. Au-pair-Mädchen, Couchsurfer, frisch getrennte Freundinnen, Studierende ohne Bleibe. Im Freundeskreis verlieh man mir schon scherzhaft den Titel „Herbergsmutter“. Bislang trug ich ihn mit Würde.

Seit einigen Monaten aber hat das Prinzip „Offene Tür“ ein wenig an Glanz eingebüßt. Wurde ich bislang immer freundlich gefragt, ob ich Unterschlupf gewähren kann, ist da plötzlich wer, der einfach bei mir eingezogen ist. Ungefragt und demnach unverschämt.

Der Taube wurde schnell nichts Gutes mehr gewünscht

Anfang Juli landete die Taube erstmals auf meinem Badezimmer-Fensterbrett und bettete sich dort zur Nacht. Nun ja, dachte ich. Vorne am Haus nisten die Spatzen, hinten unterm Dach Stare, und nun eben eine Taube. Was soll’s. Der kleine Unterschied: Tauben haben offenbar des Nachts eine prächtig funktionierende Verdauung. Und so schabte ich alle paar Tage eine Handvoll sommerlich festgebackenen Kot von meinem Fensterbrett.

Ich mag Tiere, wirklich. Ich esse sie nicht einmal! Ich habe zwei wunderbare Katzen, ein gut besuchtes Bienenhotel, eine Art Kreuzspinnenzucht auf der Terrasse. Einzig Lebensmittelmotten finden in meinem Haus einen ganz, ganz schnellen Tod. Doch – ich gestehe – der Taube wünschte ich schnell nichts Gutes mehr.

Eins-A-Knister-Glitzer-Taubenschreck-Girlande zur Abwehr

Wenn man bei Google das Stichwort „Taube“ eingibt, vervollständigt sich die Vorschlagsliste schon an dritter Stelle mit „Taubenabwehr“. Ein lukrativer Handel aus Taubenabwehrspikes, Perlondraht, Stromstoßgerätschaften, Raubvögelimitaten, Ultraschall- und Blitzlichtinstallationen tut sich da auf. Wer Geld übrig hat, kann richtig aufrüsten gegen die ungebetenen Gäste.

Ich für meinen Teil habe den Erste-Hilfe-Kasten, Schere und Tacker geholt und aus der Rettungsdecke eine Eins-A-Knister-Glitzer-Taubenschreck-Girlande gebastelt. Und die zeigte sogar Wirkung, die Taube verzog sich. Aber nur eine Etage höher. Auf den äußersten Rand der Regenrinne meines Daches.

Vogel beschloss zu bleiben

Dort entleert sie sich gnädigerweise meist in die Dachrinne, die ich unter Einsatz meines Lebens hin und wieder frei schaufele, in dem ich mich halb aus dem Gaubenfenster hänge. Oftmals platscht der grau-weiße Schleim aber auch auf das Glasdach meiner Küche – und damit gefühlt auf meinen Esstisch, der direkt darunter steht.

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Ich habe wirklich einiges versucht, um es meinem ungebetenen Gast so unwirtlich wie möglich zu machen. Ich habe ihn mit Wasser nass gespritzt, ihn laut klatschend weggescheucht, ihn angebrüllt, mit Piff-Paff-Geräuschen und imaginärer Knarre vom Dach geholt. Nichts. Der Vogel hat beschlossen zu bleiben. Und wie immer, wenn jemand scheitert, gibt es auch jene, die sich daran erfreuen. Meine Familie jedenfalls amüsiert sich köstlich über meinen verbissenen Kampf gegen das Tier. „Team Taube“, frotzelt meine Jüngste gerne und tippt sich dabei auf die Brust.

Abendliches ein Ritual

Vor etwa vier Wochen hatte ich eine neue Idee, eine geniale, wie mir schien. Warum das Tier nicht einfangen und irgendwo aussetzen, wo es sich ein neues Zuhause suchen kann?

Ich investierte also in einen großen Kescher und schlich mich damit des Abends an das Gaubenfenster. Schon beim zweiten Versuch hatte ich die Taube tatsächlich im Netz – was mich jedoch so maßlos erschreckte, dass ich den Kescher fallenließ und der Vogel in die Nacht entschwand. Abend für Abend folgten die Taube und ich nun unserem Ritual: Sobald die Dämmerung hereinbrach, landete sie auf dem Rand der Rinne und mich kitzelte das Jagdfieber. Meine Fangtechnik wurde immer ausgefeilter. Zackig und keineswegs zögerlich musste es gehen, meist hatte ich nur einen Versuch pro Abend.

Mit dem Stolz einer Großwildjägerin

Und dann endlich, endlich ging mir der Vogel vergangenen Donnerstag ins Netz! Ich kreischte wie eine Neunjährige, beruhigte mich aber schnell genug, um das Tier sanft aber beherzt in einen Katzenkorb zu verfrachten. Mit dem Stolz einer Großwildjägerin setzte ich mich, begleitet von meiner Jüngsten, ins Auto, um nach Monaten des Genervtseins eine neue, eine ganz gewiss schönere Umgebung zu finden für das Tier.

Einmal über den Berg und durch den Wald und noch ein Stück weiter. Rund zwölf Kilometer von meinem Haus entfernt entließen wir das Tier zurück in die Freiheit. Das verlief keineswegs so rührend, wie ich mir das ersonnen hatte. Die Taube erhob sich nicht etwa in die Lüfte und schenkte uns einen letzten warmen Gruß aus ihren Gedärmen. Nein, sie blieb einfach dort auf der Erde sitzen. Vorwurfsvoll. Regelrecht anklagend. „Ganz, ganz schlecht fürs Karma“, kommentierte das Mitglied des „Teams Taube“ mit diabolischem Grinsen. Und ich fühlte mich tatsächlich für einen klitzekleinen Moment schlecht.

Der wahre Gewinner des Matches

„Kann’s geben im Leben ein größres Plaisir, ois des Tauben vergiften im Park“, sang schon Georg Kreisler. Natürlich ist es nur die metaphorische Ebene des Songs, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und überhaupt: Wer braucht schon Gift, wenn er einen Kescher und sehr viel Geduld hat? Ich hatte gewonnen. So einfach ist das.

Doch ein echtes Happy End schreibt das Leben bekanntlich selten. In der Dämmerung des Sonntagabends wanderte mein Blick in alter Gewohnheit durchs Glasdach in Richtung Gaube. Was ich sah, entlockte mir ein geschlagenes Wimmern. Sie war zurückgekehrt. Hockte dort, als ob nichts gewesen wäre, plusterte ihr Federkleid und zeigte mir, wer der wahre Gewinner dieses Matches ist.

Bald geht's wieder auf Jagd

Damit hatte ich nicht gerechnet. Auf die scherzhafte Frage meiner Tochter, was ich denn mache, wenn sie wieder auftaucht, hatte ich am Abend der Entführung vollmundig erklärt: „Dann gehört sie natürlich zur Familie, bekommt einen Namen und ein Brett, auf dass sie kacken kann.“ Zerknirscht schlich ich ins Dachgeschoss, öffnete das Fenster, diesmal ohne Kescher, dafür mit einem Friedensangebot. Um in Erfahrung zu bringen, ob ein Männer- oder Frauenname zu wählen ist, knipste ich die Lampe an und besah mir das Tier zum ersten Mal in Ruhe.

Dabei entdeckte ich ein kleines Detail, das ich bislang übersehen hatte, eine Winzigkeit am Fuß der Taube – einen Ring. Sie hat also einen Besitzer! Jemanden, zu dem sie gehört, der sie seit Monaten sicherlich schmerzlich vermisst. Dafür aber muss ich die Nummer auf dem Ring ablesen. Und das kann ich nur, wenn ich die Taube wieder einfange. Mit der Nummer ließe sich über den Dachverband der Taubenzüchter also doch noch ein Happy End einläuten. Heute Abend gehe ich wieder auf die Jagd. Soviel ist sicher.