ArchäologietourDer Boden im Kreis Euskirchen steckt voller Überraschungen
Kreis Euskirchen – Vom schlechten Wetter wollten sich mehrere Hundert Besucher weder den Sonntag noch den Besuch der Archäologietour Nordeifel vermiesen lassen. Sie machten sich auf zu den sechs Stationen quer durch den Kreis Euskirchen, die die Nordeifel Tourismus GmbH und das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege für diese Auflage ausgewählt hatten. Experten standen dort bereit, um Ausgegrabenes und Entdecktes zu erläutern.
„Hier war einst die Eifeler Südsee“, berichtete etwa Sven Hartenfels vom Geologischen Dienst NRW an einer Geröllwand. Die Station Kalksteinbruch am Ortsrand von Blankenheimerdorf bietet für ihn Offensichtliches: Der Hang, von 1888 bis 1902 Kalksteinbruch mit bis zu 30 Beschäftigten, ist an die 390 Millionen Jahre alt – Devonzeitalter.
Blankenheimerdorf lag südlich des Ädquators
„Damals lag Blankenheimerdorf südlich des Äquators. Es herrschten tropische bis subtropische Bedingungen. Es bildeten sich Korallen, es war vergleichbar mit den Malediven“, so Stephan Helling, Paläontologe beim LVR.
Die Vorstellung hat angesichts des usselijen Herbstwetters 390 Millionen Jahre später etwas Tröstliches. Also fuhren auch die Gäste in den fünf Reisebussen, die die gesamte Tour absolvierten, eigentlich in die Südsee.
Die Wand, vor der sie dann standen, ist genauer eine Kalkriffschüttung. Im rhenozynischen Becken, einem Seitenarm des Rheischen Ozeans, der wiederum Teil des mittleren von drei Kontinenten war, brachen nach Stürmen Gesteinsbrocken samt Lebewesen ab, die jetzt als Fossilien an der Oberfläche liegen: Stromatoporen (Schwämme), Krinoiden (Seelilien), Brachiopoden (Armfüssler) und anderes mehr.
Oberhalb von Kreuzweingarten wartete der Römerkanal-Experte auf die Besucher
Die Korallenwand von Blankenheimerdorf sei der Szene der Fossiliensammler durchaus bekannt, so Prof. Renate Gerlach vom LVR. An die 25 Kilometer weiter nördlich, unweit des Sportplatzes oberhalb von Kreuzweingarten, stand der Archäologe Professor Dr. Klaus Grewe am Aufschluss des Römerkanals.
Das kurze Teilstück der einst 95 Kilometer langen Wasserleitung nach Köln kennt Grewe bestens. Er gilt als der Römerkanal-Fachmann schlechthin. Bis zu 40 Zentimeter stark waren hier die Kalksinterablagerungen über der hydraulischen Abdichtungsschicht aus Opus Signentium – ein Kalk-Ziegelmehl-Gemisch – und dem darunter verbauten Opus Cementitium, die die Innenwände der gemauerten Kanalleitung bildeten.
Kalksinter war als Schmuckbaustoff in Romanik und Mittelalter sehr beliebt, so Grewe: „Die Wege zu den Marmorsteinbrüchen in Italien waren zerstört.“ Also behalf man sich mit dem ähnlich fein geäderten Material aus dem Eifelkanal. „In so gut wie allen romanischen Kirchen des Rheinlands und der Niederlande, auch in Paderborn, Soest oder Hildesheim, finden Sie heute den Kalksinter“, so Grewe.
In der Stiftskirche von Bad Münstereifel wurde Material aus dem Eifelkanal verbaut
Am beeindruckendsten seien die Beispiele in der Stiftskirche von Bad Münstereifel. Auch die zu einzelnen Stationen radelnde Gruppe des ADFC Bonn hörte Grewe staunend zu. In diesem Jahr standen für die Fahrrad- und Archäologiefreunde die Stationen Iversheim mit der römischen Kalkbrennerei, die seit kurzem Teil des Unesco-Kulturerbes ist, der Römerkanal und Zülpich auf der Route.
Radlergruppenleiter Albert Plümer aus Rheinbach kann sich daheim im sehenswerten Infozentrum umschauen, wie und warum römische Ingenieure eine 95 Kilometer lange Wasserleitung lediglich unter Ausnutzung des natürlichen Gefälles bauen konnten. In Zülpichs Innenstadt, dem Militärstützpunkt und Vicus Tolbiacum der Römerzeit, sind Funde aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nichts Besonderes.
„Kümmere dich schnell um eine Bodenplatte, sonst hast du einen Baustopp“
„Bei uns heißt es: Wenn du hier neu baust, kümmere dich schnell um eine Bodenplatte, sonst hast du einen Baustopp“, so Annemarie Schneider vom Geschichtsverein. Wie zum Beweis entdeckten die Archäologen beim Bau des Herbert-Salentin-Museums in einem mittlerweile überbauten Hinterhof eines einstigen Einzelhandelsgeschäftes auf wenigen Quadratmetern an die 2000 Jahre Besiedlungsgeschichte. Dr. Petra Tutlies, Leiterin der Außenstelle Wollersheim des LVR-Amts, berichtete von einer für die römische Geschichte Zülpichs sensationellen Entdeckung, die dort gemacht wurde.
Die Archäologen fanden erstmals außerhalb der bekannten Thermenanlage im Bademuseum eindeutige Spuren einer Bodenheizung in einem Wohnhaus. Dazu wurden Artefakte seit dem Mittelalter bis in die 1930er-Jahre entdeckt.
Reste der römischen Agrippa-Fernstraße zwischen Kall und Mechernich
Juliane Vetter von der Vetter-Stiftung aus Langendorf, die das Salentin-Museum für die städtische und ihre Sammlung baut, kann sich vorstellen, Teile der Funde im künftigen Museum zu zeigen. Hier, wie an der Archäologietour-Station zwischen Kall und Mechernich, wo Reste der römischen Agrippa-Fernstraße im Feld zu sehen sind, oder auch an einem alten Hohlweg im Wald bei Hellenthal, waren die Experten vor Ort und erklärten bisher Unbekanntes. „Ein Denkmal ist dann am besten geschützt, wenn es der Öffentlichkeit bekannt ist und es besucht wird“, sagt Römerkanal-Experte Klaus Grewe.
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Er habe vor kurzem bei Langendorf Reste einer weiteren römischen Wasserleitung, in diesem Fall für Zülpich, entdeckt. Genaueres will er nicht mitteilen, doch klar ist: Der Boden der Börde wie der Nordeifel ist nach wie vor für Überraschungen gut.