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CoronaWie steigende Todeszahlen die Ärzte in Euskirchen belasten

Lesezeit 5 Minuten
Intensivbetten

Ärzte kämpfen um das Leben der Patienten, manchmal wochenlang – und nicht selten erfolglos. (Symbolbild)

Kreis Euskirchen – Am Dienstag waren es sechs, am Mittwoch acht, am Donnerstag vier. Täglich teilt die Kreisverwaltung mit, wie viele Menschen an oder mit Corona gestorben sind. In den vergangenen Wochen sind die Zahlen steil gestiegen. Auf 118 summierten sie sich bis Donnerstag. Gut zweieinhalb Monate zuvor waren es noch 30. Diesen täglichen Mitteilungen ist das Alter der Verstorbenen zu entnehmen, ob es sich um Frauen oder Männer handelt, und ob sie zu Hause, im Altenheim oder im Krankenhaus gestorben sind. Mehr geht die Öffentlichkeit nicht an. Für die meisten bleiben diese Menschen anonym.

Professor Rudolf Hering hingegen hat einige von ihnen kennengelernt. Mit seinen Kollegen im Kreiskrankenhaus Mechernich kämpfte er um ihr Leben, manchmal wochenlang – und nicht selten erfolglos. Als Mediziner kann er die Entwicklung der Todeszahlen sachlich erklären. Dann ist es reine Mathematik. „Doch es ist schwer“, sagt der 58-Jährige: „Wir haben eine große emotionale Belastung im Krankenhaus.“ Zu sehen, wie schwer die Covid-Verläufe seien, und dass das Ringen um das Leben der Patienten häufig nicht zum Erfolg führe, sei nicht einfach.

55 Covid-Patienten

Seit 2005 ist Hering Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie. Dort begegnet der Tod den Mitarbeitern berufsbedingt häufiger als anderen Menschen. Dennoch gehen ihnen die Sterbefälle nahe, sagt Hering. Er ist niemand, der dramatisch die Stimme erhebt, um Alarmismus zu verbreiten. Wozu auch, wenn Zahlen und Beschreibungen alleine ihre Wirkung nicht verfehlen? „Wir hatten auf der Intensivstation bislang knapp über 40 Covid-Patienten, davon sind elf gestorben.“ Mitte dieser Woche werden 45 Covid-Erkrankte im Mechernicher Krankenhaus behandelt. In der Spitze um Weihnachten und Neujahr waren es 55 – und damit gut ein Fünftel aller Patienten im Haus. Von den 14 Patienten auf der Erwachsenen-Intensivstation ist die Hälfe an Coronavirus Disease 2019, also Covid-19, erkrankt. Sechs von ihnen müssen beatmet werden. Es gibt drei Covid-Stationen in Mechernich, dazu eine Station, auf der Covid-Verdachtsfälle zunächst isoliert werden.

Triage musste noch nicht angewendet werden

Alle Patienten, die eine Intensivtherapie wünschten, konnten bislang auf der Intensivstation aufgenommen werden, so Professor Rudolf Hering. „Glücklicherweise mussten wir also bisher noch keine Triage anwenden.“ Die besagt, die Patienten auszuwählen, die aufgrund fehlender Kapazitäten ein Intensivbett und eine Beatmungstherapie erhalten können oder nicht. „Trotzdem haben wir auch für diesen Fall ein fertiges Konzept, da wir auch unabhängig von Covid, zum Beispiel im Fall eines Massenanfalls von Verletzten infolge einer Naturkatastrophe oder eines Unfalls, immer darauf vorbereitet sein müssen“, erklärt Hering.

Eine solche Triage würde immer in einem Mehr-Augen-Prinzip von mehreren erfahrenen Fachärzten rein nach medizinischen Kriterien durchgeführt, erläutert der Arzt. „Obwohl wir unabhängig von Covid in der Intensivmedizin häufig Entscheidungen in Bezug auf lebensverlängernde Maßnahmen treffen müssen, wäre eine Triagesituation noch einmal eine andere Dimension. Keiner von uns wünscht sich, jemals in diese Lage zu geraten. Und wenn ich ehrlich bin, schlafe ich aktuell deutlich schlechter als sonst.“ (sch)

Viel mehr geht dann auch nicht. Keineswegs, weil es an Betten oder Beatmungsgeräten mangelte – mitnichten. Von den 450 Betten seien rund 300 belegt, sagt Professor Hering. Am Standort Schleiden sind es 60 von 110. „Wir haben auch schon seit der ersten Welle im Frühjahr eine Reserveintensivstation mit 18 Betten und den dazu gehörigen Geräten eingerichtet“, erläutert der Mediziner: „Aber dafür braucht man Personal.“ Und daran hapert’s zunehmend. Denn auch vor den Mitarbeitern machen Krankheiten nicht halt, auch Corona nicht. Zeitlich verschiebbare Behandlungen werden daher, so weit es geht, reduziert. „Notfälle werden natürlich wie bisher behandelt, denn außer Covid gibt es natürlich nach wie vor noch alle anderen Erkrankungen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen“, stellt Hering klar. Da wäre ein Signal der Politik, wann das Personal geimpft werde, hilfreich, schlägt er kritische Töne an: „Ich fände es deutlich sinnvoller, zunächst diejenigen zu impfen, die im Zweifel auch das Leben der Coronaleugner und Impfverweigerer retten sollen.“

Personalprobleme nicht neu

Immer mehr Patienten, die bei Covid einer sehr intensiven Behandlung bedürfen, auf der einen, krankheitsbedingte Personalausfälle auf der anderen Seite – das ist derzeit Alltag in den Krankenhäusern. Ganz neu ist es indessen nicht. „Dieses Personalproblem wurde durch die Pandemie nur noch sichtbarer. Bereits davor war es extrem schwer, Pflegepersonal zu finden“, sagt Hering. Nach der Pandemie solle aber jedem bewusst geworden sein, dass die strukturelle und personelle Ausstattung der Krankenhäuser eine wesentliche Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge sei, die nicht ausschließlich marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen werden dürfe. „Die Feuerwehren und die Sicherheitsorgane erwirtschaften schließlich auch keinen Gewinn.“

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Zurzeit stecken Hering und seine Kollegen aber noch mitten in der Pandemie: „Wir sehen jetzt die Patienten, die sich über Weihnachten nicht an die Regeln gehalten haben. In einer Woche werden wir die Patienten sehen, die sich Silvester und Neujahr nicht daran gehalten haben.“ Die Zahlen der Neuinfektionen ziehen wieder an. Auch diese Zahl vermeldet der Kreis täglich. Am Dienstag waren es 57, am Mittwoch 80, am Donnerstag 45. Hering und sein Team ahnen, was das für die kommenden Wochen bedeutet. Am Ende ist es wieder Mathematik. Aber nicht nur.