Neue Expertin im Kreis EuskirchenStarkregen-Karten sollen vor künftiger Flut schützen
Kreis Euskirchen – Welche Straße ist wie stark von einem Hochwasser oder Starkregenereignis betroffen? Gibt es links und rechts des Flusses Personengruppen, die sich nicht selbst in Sicherheit bringen können? Fragen, auf die der Kreis künftig Antworten haben will.
Die Antworten liefern soll im Idealfall Sarah Nolting. Die 28-Jährige arbeitet seit dem 1. November beim Kreis. Die gebürtigen Euenheimerin ist Hochwasser-Expertin, hat ihre Masterarbeit zum Thema „Hochwasserschutz in NRW“ geschrieben. Nun soll ihre Expertise den Kreis Euskirchen besser auf Starkregen – und schlimmstenfalls Katastrophenereignisse wie das am 14. Juli – vorbereiten.
Auf Flusshochwasser, vor allem am Rhein, sei das Land „relativ gut“ vorbereitet, lautet Noltings Fazit. Auch, weil dort die Vorhersagemöglichkeiten exakt seien. „Bei anderen Flüssen haben wir noch Verbesserungspotenzial“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung.
Expertin entwickelte Algorithmus für Flutprognosen
Auf Starkregenereignisse konnte sie nach eigenen Angaben wegen Zeitmangels in ihrer Masterarbeit nicht eingehen. Dennoch kann sie auch in diesem Bereich dem Kreis schon jetzt wertvolle Tipps geben. Der Grund: Nolting hat im Rahmen ihrer Abschlussarbeit einen Algorithmus entwickelt, der aufschlüsselt, wie viele Menschen tatsächlich von einem Hochwasser betroffen wären.
Dies sei anhand der Zensus-Daten in der Theorie zwar recht schnell ermittelt. Allerdings spiegele diese Erhebung selten die Wirklichkeit wider. „Die Menschen sind nicht zu Hause, arbeiten, sind in der Schule oder sonst wo“, sagt Nolting. Grundlage für ihre Methode seien dennoch weiterhin die detaillierten Zensus-Erhebungen. „Da kann man herauslesen, wer wohin pendelt, wer in der Landwirtschaft arbeitet, wer in der Industrie“, sagt sie.
Gleiches gelte für die Gebäude in den Gefahrenbereichen: Wo befindet sich eine Senioreneinrichtung, wo ein Kindergarten, wo ein Hotel? „Mit dem Algorithmus konnte ich herausfinden, wie viele Menschen sich tatsächlich in den Gebäuden befinden, und nicht nur, wie viele es theoretisch sein müssten“, so Nolting: „Gerade in Flussnähe befinden sich aus der Erfahrung touristische Betriebe – beispielsweise die Kölner Altstadt – oder auch Industrie, was gleichbedeutend mit einem hohen Schaden sein kann.“
Kreis Euskirchen will resiliente Region werden
Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen, Pandemien, Cyberattacken und andere krisenhafte Ereignisse haben Auswirkungen auf Städte und Regionen als Wohn- und Arbeitsorte. Vorsorge gegen solche Auswirkungen ist ein prioritäres Anliegen. Der Kreis Euskirchen bewirbt sich darum, „Resiliente Region“ zu werden. Ziel ist es, zukunftsweisende Lösungsansätze für solche Herausforderungen zu haben. (tom)
„Bei einem leichten Flusshochwasser ist die Gefahr im Kreis Euskirchen nicht so groß“, sagt die 28-Jährige. Der 14. Juli habe aber gezeigt, dass es auch im Kreis eine enorme Gefahr gebe. Von der Flut-Katastrophe erfuhr die Euenheimerin aus erster Hand. Von ihrer Familie, die selbst von den Wassermassen betroffen war.
Euenheimerin schickte Initiativbewerbung
In den Folgetagen saugte sie in ihrer Wahlheimat München jeden Bericht auf, den sie über das Hochwasser finden konnte. Und fasste einen Entschluss: „Ich wollte meine Expertise einbringen und habe dem Kreis meine Hilfe angeboten“, erzählt Nolting. Ohne, dass eine Stelle ausgeschrieben war, bewarb sich die 28-Jährige bei der Kreisverwaltung.
Und wurde angenommen. Nun arbeitet sie mit Leiterin Heike Schneider in der „Stabsstelle Wiederaufbau“ als Projektkoordinatorin. Zu ihren Aufgaben gehört nicht nur der schwierige Spagat zwischen dem schnellen und dem nachhaltigem Wiederaufbau, sondern auch die interkommunale Zusammenarbeit. Dazu gehört die Erstellung von Starkregengefahrenkarten.
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Diese Aufgabe hat der Kreis in Person von Sarah Nolting für die elf Kommunen übernommen. Etwa ein Jahr gibt die 28-Jährige als Zeitrahmen vor – nicht nur für die Erstellung der Starkregengefahrenkarten, sondern auch , um möglichst viele Fördermittel zu generieren. „Wir wollen mit den Karten die Basis schaffen, um zu sehen, welche Bereiche wirklich gefährdet sind“, so Nolting.
Mithilfe der nun zu erstellenden Grundlage sollen künftige Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Jeder Starkregen, jedes Hochwasser sei anders. „Wir haben Bereiche, die diesmal nicht betroffen waren, aber gefährdet sind“, sagt die Expertin. Es gehe nicht in erster Linie darum, einen Notfallplan zu erstellen, der aus der Schublade gezogen werden kann, wenn sich eine Katastrophe ankündigt. „Sondern es geht darum herauszufinden, wo Menschen für Starkregegefahren sensibilisiert werden müssen“.
In Kölns Altstadt gibt es keine Restaurants mit Küchen im Erdgeschoss
So sei es in der Kölner Altstadt ein ungeschriebenes Gesetz, dass in Restaurants die Küche nicht im Erdgeschoss ist. So soll laut Nolting der materielle Schaden bei einem Hochwasser möglichst gering gehalten werden. „Solche Maßnahmen müssen in touristischen Angeboten in Flussnähe auch hier etabliert werden“, sagt sie.
Auch auf den Regionalplan der Bezirksregierung werden sich, geht es nach Nolting, die Gefahrenkarten auswirken – beispielsweise bei der Ausweisung von Baugebieten. Aber auch in kleinerem Rahmen ist eine Einflussnahme der Kommunen beim Bauantrag aufgrund der Karten denkbar, wenn etwa im Erdgeschoss nur Abstellfläche vorgesehen werden sollte, weil Wohnraum dort zu gefährlich sein könnte.
Laut Nolting können die Karten fortlaufend aktualisiert werden. Wenn beispielsweise ein Haus gebaut wird, wenn sich der Durchmesser des Kanals verändert. Dann kann die Karte sofort neu berechnet werden.