Lockdown im Kreis Euskirchen?Bis zu 1000 Corona-Tests an Mennoniten-Schule geplant
- Ab morgen beginnen in der Menno-Simons-Schule die umfangreichen Tests auf das Coronavirus. Man gehe von 1000 Tests aus, so der Kreis. Die Planung habe die Mennoniten-Gemeinde übernommen.
- Bereits nach dem Bekanntwerden des positiven Falls in einer Großfamilie habe sich die Mennoniten-Gemeinde sehr kooperativ verhalten.
- Ob der Kreis Euskirchen vor einem Lockdown stehe, lasse sich vor den Tests nicht sagen.
Euskirchen – Nachdem das Kreis-Gesundheitsamt am Montag eine Quarantäne-Anordnung für alle Mitglieder der Euskirchener Mennoniten-Brüdergemeinde erlassen hat, beginnen an diesem Mittwoch in der Menno-Simons-Schule die umfangreichen Tests auf das Coronavirus.
„Wir gehen aktuell von 1000 Tests aus“, sagte Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises, auf Anfrage. Durchgeführt werden sollen die Abstriche von Mitarbeitern des Gesundheitsamts, die auf die Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zählen können. Zudem habe die Mennoniten-Gemeinde personelle Unterstützung angeboten. Dabei handele es sich um Frauen, die im medizinisch-pflegerischen Bereich tätig sind. Getestet werde auch am Donnerstag.
Konzept für Tests
„Die Aktion ist für uns keine Herausforderung. Wir sind mittlerweile eingespielt“, sagte Rolf Klöcker, DRK-Geschäftsführer. Wichtig sei, dass die zu testenden Personen in einem vorgegebenen Zeitfenster zur Schule kämen. Die Planung habe die Mennoniten-Gemeinde übernommen, so Klöcker: „Ich gehe fest davon aus, dass das reibungslos funktionieren wird.“ Genug Testmaterial ist laut Kreissprecher Andres vorhanden.
Gottesdienste
In Sozialen Netzwerken kam nach Bekanntwerden der Quarantäne-Anordnung für die Mennoniten-Gemeinde und dem damit einhergehenden Verbot, Gottesdienste abzuhalten, schnell die Frage nach der Größe eines solchen Gottesdienstes auf. „Die Frage, ob Gottesdienste gefeiert werden dürfen oder nicht, hat nach der aktuellen Coronaschutzverordnung zunächst nichts mit der Anzahl der Teilnehmer zu tun“, so Wolfgang Andres.
Je nach Größe der Räumlichkeit könne eine unterschiedliche Zahl von Besuchern teilnehmen. Dabei seien die üblichen Hygienevorgaben zu beachten. Bereits nach dem Bekanntwerden des positiven Falls in einer Großfamilie habe sich die Mennoniten-Gemeinde sehr kooperativ verhalten.
Droht ein Lockdown?
Ob der Kreis Euskirchen vor einem Lockdown stehe, lasse sich vor den Tests nicht sagen, so Andres. „Für Corona-Kranke stehen grundsätzlich die drei Krankenhäuser in Euskirchen, Mechernich und Schleiden zur Verfügung. Derzeit befindet sich dort kein einziger Corona-Patient“, so Andres. Die Mutter der Großfamilie, bei der das Coronavirus zunächst festgestellt worden ist, werde zwar weiter in einem Krankenhaus behandelt, aber nicht im Kreis Euskirchen.
Die Quarantäne-Anordnung des Kreises gilt seit dem 4. Juli und dauert bis 18. Juli. Wie es in der Verfügung des Kreises heißt, betrifft sie alle, die Mitglied des Vereins zur Förderung der Mennoniten-Brüdergemeinde sind, alle Personen, die vom 17. Juni bis zum 3. Juli an Gottesdiensten und sonstigen Veranstaltungen des Vereins teilgenommen haben, sowie jene, die gemeinsam mit allen oben Genannten in häuslicher Gemeinschaft leben.
Anhörung
Zwei Verantwortliche des Vereins hätten in einer Anordnung erklärt, so der Kreis weiter, dass für die Gottesdienstbesuche „nach alphabetischer Zuordnung zwei Gruppen gebildet worden seien, um einen größeren Abstand untereinander sicherzustellen“. Anders als in der Corona-Schutzverordnung vorgesehen, seien die Teilnehmer aber nicht namentlich erfasst worden, um im Infektionsfall eine Rückverfolgung zu gewährleisten. Daher könne man Maßnahmen zur Verhinderung einer Virus-Verbreitung nicht auf die Besucher des Bethauses beschränken. Denkbar sei auch, dass infizierte Personen das Virus durch einen Besuch in der vereinseigenen Schule verbreitet hätten.
Nicht zuletzt habe die Anhörung ergeben, „dass auch ein reger privater Kontakt zwischen den Gemeindemitgliedern besteht. Dies begünstige die Gefahr einer Ansteckung mit Sars-Cov-2.
Kritik zurückgewiesen
Jakob Bergen, der die beiden Schulen der Brüdergemeinde leitet, sagte auf Anfrage, die Corona-Schutzvorschriften seien dort penibel eingehalten worden. Er wehre sich vehement gegen pauschale Beschuldigungen. Darüber hinaus gelte in der Gemeinde die Absprache, keine Informationen zu der Angelegenheit nach außen zu geben. „Wir werden das Ganze überstehen. Ich hoffe, dass der Herr uns Gnade schenkt“, sagte Bergen.
Spätaussiedler
Es waren Spätaussiedler aus der Sowjetunion, die 1990 in Euskirchen die „Evangeliums Christen Brüdergemeinde“ gründeten. Viele von ihnen hatten in ihrer Heimat darunter gelitten, dass der Staat ihre Religionsausübung unterdrückte.
Brüdergemeinde
In Euskirchen werden die Mitglieder der Brüdergemeinde landläufig „die Mennoniten“ genannt. Die Brockhaus-Enzyklopädie definiert sie als altevangelische Taufgesinnte, deren Bezeichnung auf den friesischen Theologen Menno Simons (1496-1561) zurückgeht.
Die Mennoniten, so heißt es weiter, stehen theologisch dem Calvinismus nahe, lehnen die Kindertaufe ab, ebenso jegliche Gewalt, staatlichen Zwang in Glaubensfragen, Kriegsdienst, Eid und Ehescheidung. (ejb)
Das Zentrum der Euskirchener Brüdergemeinde ist seit 1996 das Bethaus an der Kommerner Straße. Es ist in dem ehemaligen Kino der belgischen Garnison untergebracht, das die Gemeinde erworben und zum größten Teil in Eigenleistung umgebaut hatte.
Realschule gegründet
2009 gründeten die Mennoniten in Billig eine Realschule, die sie nach Simons benannten. Zwei Jahre später zogen sie in die frühere Gertrudisschule an der Unitasstraße in Euskirchen um. Träger dieser staatlich genehmigten Ersatzschule ist der Schul- und Kindergartenverein Beth-El. 2016 nahm in dem Gebäude auch eine Grundschule den Betrieb auf. Laut Bergen wurden im zurückliegenden Schuljahr in der Realschule 118 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, in der Grundschule waren es 96.
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Kritikern, die den Mennoniten vorwerfen, sich abzuschotten, hält Bergen entgegen: „Es ist nichts Falsches daran, dass wir unseren Kindern unser Religionsbekenntnis beibringen. So ist es doch auch in katholischen oder evangelischen Schulen. Im Übrigen unterrichten wir nach den Lehrplänen des Landes.“
Angenehme Zeitgenossen
Bürgermeister Dr. Uwe Friedl bekräftigte seine Einschätzung aus dem Jahr 2016, als er über die beiden mennonitischen Schulen sagte: „Ich bedauere diese Entwicklung sehr, da sie dem Integrationsgedanken zuwiderläuft.“ Am Dienstag erklärte er: „Ich fände es besser, wenn man sich integrieren würde.“ Über die Mitglieder der Gemeinschaft sagte Friedl: „Sie fallen im Stadtbild auf, aber nicht negativ.“ Sie seien „sehr seriöse Menschen“ und, abgesehen von dem fehlenden Integrationswillen, „sehr angenehme Zeitgenossen“.