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Zinsen und InflationLust zu bauen ist im Kreis Euskirchen arg getrübt

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Der Bau der eigenen vier Wände ist für viele Menschen in weite Ferne gerückt. 

Kreis Euskicrhen – Inflation, steigende Baupreise, höhere Zinsen – dieser Dreiklang verheißt nichts Gutes. Vermehrt platzen zurzeit die Träume vom Eigenheim. Die Nachfrage nach Baukrediten habe in den vergangenen Monaten teils spürbar abgenommen, vermelden die Geldinstitute im Kreis Euskirchen auf Anfrage.

„Ja, das spüren wir deutlich“, sagt Hans-Jürgen Lembicz, Vorstandssprecher der Volksbank Euskirchen. Sein Kollege von der VR-Bank Nordeifel, Mark Heiter, bestätigt, „dass viele Projekte, insbesondere der Einfamilienhausbau, für manche einfach unerschwinglich sind“.

Marius Linden, Sprecher der Kreissparkasse Euskirchen, sagt: „Grundsätzlich spüren wir ein verändertes Nachfrageverhalten unserer Kunden: Während die Anfragen nach Baufinanzierungen in den letzten Monaten leicht abgenommen haben, steigt das Interesse an einer Finanzierungen zur energetischen Sanierung.“

Zinsen und Inflation trüben Freude auf die eigenen vier Wände

Letzteres nehmen auch andere Banken wahr. Aber das kompensiere den Rückgang bei den Baukrediten keineswegs. Natürlich gibt es immer noch Vertragsabschlüsse für Baudarlehen. Warum auch nicht, wenn die Eigenmittel reichen und Doppelverdiener mit Reserven genug Sicherheiten bieten?

Für viele Banken eine schwierige Phase

Zinsanstieg um drei Prozentpunkte

Allgemeine Aussagen zu den Bauzinsen sind schwierig, weil es immer auf den Einzelfall ankommt. Darauf weist Marius Linden hin. „Der Kundenzins wird auf Basis vieler Parameter individuell ermittelt“, so der Sprecher der Kreissparkasse Euskirchen: „Legen wir eine durchschnittliche private Baufinanzierung zugrunde, so ist der Zinssatz seit dem letzten Jahr um rund drei Prozentpunkte gestiegen.“ Bundesweit werden bei einer Laufzeit von zehn Jahren im Schnitt 4,08 Zinsen aufgerufen, teilte kürzlich die FMH-Finanzberatung mit. So lange sei es noch gar nicht her, dass eine „0“ vor dem Komma gestanden habe, sagt Hans-Jürgen Lembicz, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Euskirchen. Nun stehe man nahe der „4“.

Monatsraten gehen durch die Decke

Vor allem die Geschwindigkeit der Zinsentwicklung bereitet Sorgen. Laut FMH-Berechnungen zahlten Kreditnehmer, die vor einem Jahr zum durchschnittlichen Zins mit einer Summe von 300.000 Euro abgeschlossen haben, 790 Euro Monatsrate, beim aktuellem Zins 1393 Euro. „Und der Zinssatz ist es ja nicht allein“, weist Lembicz auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten hin.

Auch die Anleger fordern mehr

Wer nun aber glaube, dass die Kreditinstitute mit den höheren Zinsen große Gewinne machten, irre sich, so der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Nordeifel, Mark Heiter: „Wenn die Nachfrage nach Krediten signifikant einbricht, ist das natürlich nicht der Fall.“ Zudem, so Lembicz, zahlten die Kunden, die bis vor kurzem ihre Verträge abgeschlossen hätten, noch einige Jahre lang den niedrigen Zinssatz. Gleichzeitig forderten Neu-Anleger höhere Zinsen von der Bank. Bei einer Inhaberschuldverschreibung bis 2026 etwa seien inzwischen wieder gut zwei Prozent pro Jahr drin – weitaus mehr als noch vor kurzer Zeit. „Im Moment ist das für viele Banken eine schwierige Phase“, so Lembicz. (sch)

„Wir bemerken aber bei vielen anders gelagerten Fällen eine starke Zurückhaltung“, beschreibt Volksbank-Vorstandschef Lembicz die Lage. Denn wenn die Ausgaben für Lebensmittel, Kraftstoff und Heizen steigen, werden die Hürden der monatlichen Ratenzahlungen höher – und für manche zu hoch.

„Es ist diese Kombi, die Probleme bereitet“, sagt Lembicz. Wobei die Abzahlung eines Hauses noch kalkulierbar sei. Wie aber entwickeln sich die Kosten für Energie, Sprit, Essen und Trinken und für all das, was man sich noch so leisten muss oder will? Lembicz: „Die Unsicherheit ist groß, das macht es derzeit so schwierig.“

Banken stellen höhere Anforderungen an die Kunden

Darauf weisen die Bankberater die potenziellen Kunden auch hin. Naturgemäß verleihen Banken gerne Geld, aber ebenso naturgemäß versuchen sie, das böse Erwachen in der Zukunft zu vermeiden – für die Kunden und für sich.

Lembicz zufolge ist die gesunkene Zahl an Baukrediten auch darauf zurückzuführen, dass die Bankberater die Pauschalen für künftige Energiekosten und die sonstigen Lebenshaltungskosten seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich höher ansetzen und auch die kalkulierten Kosten für Materialien und Handwerker in Frage stellten.

„Im Rahmen einer verantwortungsvollen Kreditvergabe“, so KSK-Sprecher Linden, „berücksichtigen wir die gestiegenen Lebenshaltungskosten bei einer Baufinanzierungsanfrage.

Förderprogramme des Bundes für Bauwillige sind ausgelaufen

Leider führt das auch dazu, dass wir in den letzten Monaten Kreditanfragen ablehnen mussten, die im letzten Jahr noch möglich gewesen wären.“ Auch der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank-Nordeifel berichtet von veränderten Parametern bei der Kreditvergabe: Das ist der Inflation und der Preisentwicklung geschuldet“, erläutert Heiter.

So spiele in den Gesprächen auch eine Rolle, wie die Restschuld nach dem Renteneintritt finanziert werden kann. „Auch dann muss das Projekt ja noch tragbar sein“, so Heiter, der für die Zurückhaltung auch ausgelaufene Tilgungszuschüsse Bundes ausmacht.

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Dabei werde deutlich, dass für manche Bauwillige ein Häuslebau nicht angebracht sei – zumindest nicht in dieser Gemengelage. „Bei Neubaumaßnahmen“, so Lembicz, „raten wir je nach Fall dazu, das geplante Vorhaben zu verschieben, um unkalkulierbare Risiken für die Zukunft zu vermeiden.“