Schienbeinschoner, Schweiß – Alltag im Sport. Doch auch Schmerzmittel scheinen für Hobbysportler genauso wichtig zu sein wie der Trainingsplan. Kaum ein Akteur scheint keine Aspirin, keine Ibuprofen oder keine Paracetamol in der Trainingstasche zu haben – egal, ob Hobbysportler oder Profi-Fußballer.
„Ich habe zu 80 Prozent mit Voltaren gespielt“, sagt Markus Pröll. Mit den entsprechenden Nebenwirkungen, wie der ehemalige Bundesliga-Torwart des 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt, zugibt. „Nach dem Spiel hatte ich immer Magenprobleme. Aber für die Schmerzfreiheit im Fuß nimmt man das halt in Kauf“, so der gebürtige Flamersheimer. Nicht nur der Fuß machte Probleme, auch die Patellasehne zwickte länger. Deshalb sei die eine oder andere Spritze gesetzt worden. „Die Spiele, die ich schmerzfrei absolviert habe, waren rar gesät“, sagt der ehemalige Torhüter, der sechs Partien für die U-21-Nationalmannschaft absolvierte.
Druck-Szenario aufgebaut
Natürlich habe sich ein Druck-Szenario aufgebaut. Schließlich habe er mit dem Fußball seinen Lebensunterhalt bestritten. Zudem sei die Situation bei Torhütern besonders, da es schwierig sei, wieder in den Kasten zu kommen, wenn man einmal raus sei und die Vertretung eine gute Leistung abgeliefert habe. Die Angst habe immer mitgespielt. Die Physiotherapeuten hätten bei der Einnahme einer Schmerztablette auf den Magenschutz hingewiesen, den habe Pröll aber so gut wie nie genommen – aus Angst, dass die Wirkung der Schmerzmittel geringer sei. Auch der ehemalige Bundesliga-Profi Neven Subotic sagt: „Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe – Ibuprofen wird wie Smarties verteilt.“
Es muss aber nicht um viel Geld gehen, damit Schmerzmittel im Spiel sind. „Natürlich nehme ich schon mal eine Ibuprofen oder eine Paracetamol“, sagt Niklas Müller, Handballer der HSG Euskirchen. Ein richtiges Thema sei der Schmerzmittel-Missbrauch aber nicht. Nach einem Trainingsunfall sei es nötig gewesen, Schmerzmittel zu nehmen. Er habe sich beim Sprung in den Bus eine Platzwunde am Kopf zugezogen, sodass er mit sieben Stichen genäht werden musste. Das Problem: Am nächsten Tag stand das Topspiel gegen Übach-Palenberg auf dem Programm. „Da hätte ich nicht spielen dürfen, habe es dann aber getan – nachdem ich die eine oder andere Paracetamol genommen hatte“, so Müller.
Die Einnahme darf nicht Überhand gewinnen
„Fit gespritzt wird bei uns keiner“, sagt Peter Trimborn, Trainer des TV Palmersheim. Der Handball-Coach kann im Umfeld seines Teams auf Expertenrat vertrauen. Mit Doktor Roland Wiese, der jahrelang für die erste Mannschaft des TVP auf dem Parkett stand, und Physiotherapeut Florian Müller sei wertvolle Expertise vorhanden, sagt Trimborn: „Ab und zu mal eine Ibu ist vollkommen ok.“ Er achte darauf, dass die Einnahme nicht Überhand nehme. Allerdings könne er nur das sanktionieren, was er mitbekomme. Er habe in seiner aktiven Zeit vor einer wichtigen Partie „irgendetwas bekommen“. Das habe gereicht, um zu spielen.
Von den Feierlichkeiten, das entscheidende Spiel wurde damals gewonnen, habe er nichts mehr mitbekommen. „Ich war fertig wie ein Brötchen“, sagt Trimborn: „Wenn ein Spieler Geld bekommt, hat der Verein einen gewissen Anspruch auf Leistung. Dass die Akteure sich dann was reinschmeißen oder sich auch spritzen lassen, ist klar. Er ist sich sicher, dass da auch mal was dabei ist, was nicht gut für den Körper ist. Das Problem mit dem Schmerzmittel-Missbrauch fängt an, wenn finanzielle Zuwendungen gezahlt werden“, berichtet Trimborn.
Kein neues Phänomen
Dr. Gerd-Rüdiger Wasmuth ist Arzt und Sportler zugleich. „Das Schmerzmittel beim Sport genommen werden, auch ohne Verletzung, ist nicht neu“, sagt der Leichtathlet. Diese könnten natürlich Auswirkungen auf die Gesundheit haben, so Wasmuth. Auch Osteopath Philipp Dordel warnt vor Schmerzmittel-Missbrauch. „Du betäubst nur den Schmerz. Das kann zu strukturellen Schäden führen“, sagt Dordel, der jahrelang Fußball gespielt hat: „Schmerzmittel haben natürlich eine Daseinsberechtigung, aber es kann nicht sein, dass sie jeden Sonntag vor einem Spiel oder vor jedem Training genommen werden.“
Dieter Höller spielte für den Euskirchener TSC in der Verbandsliga. Heute trainiert er den A-Ligisten SC Wißkirchen. Schmerzmittel habe er während seiner aktiven Zeit keine genommen, da er Asthmatiker sei und manches Mittel zur Gefahr werden könnte, so Höller. Schmerzmittel habe er eher am Morgen nach dem Spiel gebraucht – aber nur, weil der Mannschaftsabend zu ausschweifend gewesen sei. Aber auch da habe er keine Schmerzmittel genommen, so Höller: „Ich weiß, dass es früher und heute bei einigen Spielern dazu gehört, sich vor dem Spiel eine Ibu einzuwerfen.“
Die ungeschriebenen Gesetze
Ausfallen im Spitzenspiel? Verboten! So steht es in dem ungeschriebenen Gesetz, das es in jeder Kabine zu geben scheint. „Bei jedem Verein gab es Spieler, die wirklich vor jedem Spiel Schmerzmittel genommen haben“, sagt Sebastian Kaiser, Trainer des SV Frauenberg. Er habe sich auch mal eine Spritze setzen lassen, damit er spielen konnte. „Es ist alles möglich, wenn man die richtigen Leute kennt.“ Die Frage nach Ibuprofen und Co. gehöre vor dem Spiel dazu wie die Frage nach dem Treffpunkt.
Taekwondo-Sportlerin Jessica Rau dürfte sogar Salbutamol nehmen, ein Mittel das beispielsweise bei chronischer Bronchitis eingesetzt wird, aber auf der Dopingliste steht. „Aus Angst vor den Konsequenzen habe ich darauf verzichtet, zumal ich nie abschätzen konnte, wie es beispielsweise meine Konzentration beeinträchtigt“, sagt die Gemünder Kampfsportlerin.
Auch im Basketball seien Schmerzmittel genauso wichtig wie Tape und Franzbranntwein. „Beim Basketball können blindes Krafttraining und Mittelchen deinen Wurf ruinieren. Es gibt aber natürlich Spieler, die die gesamte Saison mit Ibu gespielt haben“, berichtet Zülpichs Center Christian Antons.
Nach Informationen dieser Zeitung werden Schmerzmittel auch in der Läufer-Szene gerne genommen – prophylaktisch, beispielsweise um dem Muskelkater nach dem Marathon entgegenzuwirken. „Ich habe die Tabletten genommen, um keine Gelenkschmerzen zu bekommen, heute kann ich kaum noch laufen, weil ich die Warnsignale des Körpers nicht gespürt habe – wegen der Ibus“, sagt eine ehemalige Langstreckenläuferin. Sie sei da kein Einzelfall.