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Schulleiter berichtenSo sollen die Berufsschulen im Kreis Euskirchen aussehen

Lesezeit 4 Minuten

An vielen Stellen gleicht das Berufskolleg Eifel, das Holger Mohr leitet, nach der Flut noch einer Großbaustelle.

Kreis Euskirchen – Schule als Wohlfühlort – klingt wie die Quadratur des Kreises. Für Schüler und Lehrer. Doch genau das will Holger Mohr erreichen. Er leitet das Berufskolleg Eifel in Kall und hat eine Vision: die Berufsschule 2030. Was zunächst wie ein Arbeitstitel für ein Konzept auf dem Reißbrett klingt, wird in Kall mit Leben gefüllt. „An der Schule der Zukunft mitgestalten zu können, ist Ehre und Herausforderung zugleich“, sagt Mohr.

Die Perspektive, dass in Kall ein zukunftsfähiges Berufskolleg entstehen wird, sei nach der Flut für Kollegen und Schüler von unschätzbarem Wert. Das Hochwasser richtete nach Angaben des Kreises einen Schaden in Höhe von 60 Millionen Euro an, in Euskirchen am Thomas-Eßer-Berufskolleg (TEB) waren es sogar 87,5 Millionen.

Die langen Flure sollen der Geschichte angehören. Offene Lernlandschaften sind in pädagogischen Konzepten angesagt.

Beide Schulen sollen wieder aufgebaut werden. Bis alles fertig ist, werden noch Monate, wenn nicht gar Jahre vergehen. „Alle arbeiten mit Hochdruck daran“, berichtet Mohr im Gespräch mit dieser Zeitung, der eine genaue Vision des Berufskollegs Eifel vor Augen hat. „Wir wollen einen Lebensraum Schule schaffen“, sagt er.

Keine langen Flure mehr

Für die Berufsschule in der Eifel bedeutet das: keine langen Flure mehr, von denen Schüler und Lehrer in anonyme Klassenräume verschwinden. Das Konstrukt Schule soll dank eines neuen Raumkonzepts viel mehr Team- und Lernhäuser bieten. Das Zauberwort: offene Lernlandschaften inklusive digitalen Medien, Sofas und einem großen Bereich, der ganz individuell für unterschiedliche Gruppengrößen und pädagogische Konzepte genutzt werden kann.

Viele Wände sollen im Berufskolleg Eifel weichen

Umzusetzen ist das laut Mohr in Kall relativ leicht, da die Bauweise mit den Stahlträgern als tragende Elemente es zulasse, die Wände im Inneren zu entfernen und so größere Klassenräume entstehen zu lassen.

Wie Schulen mit modernen pädagogischen Konzepten aussehen, davon machten sich Vertreter der Kreisverwaltung und der Politik sowie die Leitungen beider Berufsschulen in Hamburg und Westerburg ein Bild.

Besuch bei anderen Schulen

Die dortigen Schulen wurden wie die beiden Berufskollegs des Kreises Euskirchen in den 1960er und -70er Jahren erbaut und in den vergangenen Jahren saniert, um moderne pädagogische Konzepte umsetzen zu können. Für Landrat Markus Ramers sowie den Kreistag steht fest: „Wir werden die beiden Berufskollegs nicht nur wiederaufbauen, sondern sie zukunftssicher gestalten – mit modernen Lehr- und Lernbedingungen.“

Kall konzipiert noch, TEB setzt schon um

Worauf man in Kall noch wartet, gibt es am TEB bereits – wenn auch in improvisierter Form. Die Metallwerkstatt wurde bei der Flut stark in Mitleidenschaft gezogen. Nutzbar sind die Räume zwar wieder, doch die Maschinen fehlen noch. Dafür ist das neue Lern- und Lehrgefühl schon da. Vier Klassen der Höheren Handelsschule werden aktuell in der eigentlichen Werkstatt beschult. „Die Erfahrungen sind richtig gut. Das war zunächst ungewohnt, aber alle sind längst begeistert – auch weil die anfänglichen akustischen Herausforderungen behoben sind“, berichtet TEB-Schulleiter Hermann Wilkens.

Vier Klassen in einem großen Raum – das sei zu Beginn durchaus etwas lauter gewesen. Schallfänge wurden installiert, die Lehrerin Carolin Holzhüter in Rücksprache mit dem Schulträger organisiert hatte. Genau wie in Kall wollen auch Wilkens und das Kollegium offene, transparente Lernlandschaften in der Schule. „Das Kollegium ist in die Entwicklung des künftigen TEB voll einbezogen“, berichtet Wilkens.

Workshops mit Schülern auf Vogelsang

So auch in Kall. Dort haben Lehrer, Schüler und Betriebe gemeinsam am Konzept Schule 2030 gearbeitet – in verschiedenen Workshops auf Vogelsang. Und was steht bei Schülerinnen und Schülern ganz oben auf der Wunschliste, wenn sie sich eine Schule konzipieren dürfen? „Ein grünes Klassenzimmer“, sagt Mohr. Der Wunsch nach einem Lernort an der frischen Luft, direkt auf dem Schulgelände, sei in den Workshops immer wieder genannt worden. Aber auch Aufenthaltsgelegenheiten in der Schule würden von der Schülerschaft gewünscht werden.

Schüler in Kall wünschen sich eine Cafeteria

Auf Platz zwei folgt eine Cafeteria. Außenstehende mag das verwundern, ist doch der Rewe-Markt und ein Schnellimbiss nur einen Steinwurf vom Berufskolleg Eifel entfernt. Für Mohr und seine Stellvertreterin Eva Samrotzki liegt der Wunsch der Schüler aber auf der Hand. „Sie wollen sich austauschen und Zeit miteinander verbringen. Und das auch mal über einen längeren Zeitraum – beispielsweise bei zwei Freistunden“, so die stellvertretende Schulleiterin.

Das Hochwasser hat in der Berufsschule in Kall einen Schaden von etwa 60 Millionen Euro angerichtet.

Als kurzfristiges Ziel hofft Mohr, dass die Sporthalle wieder freigegeben wird. Anfang des Jahres soll das der Fall sein. „Das ist für die Vereine rund um Kall wichtig, das ist aber auch für uns wichtig“, sagt er und fügt augenzwinkernd an: „Die Kurse Yoga 1, 2 und 3 in der Klasse hat mittlerweile jeder Kollege einmal durch.“

Mit Architekten und Fachplanern wird nach Angaben des Kreises Euskirchen nun die bauliche Umsetzung des didaktischen Konzeptes erarbeitet. Im Anschluss wird ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Derweil soll der Wiederaufbau weitergehen – inklusive Neugestaltung.

„Wir werden sicherlich nicht um die eine oder andere Containerlösung herumgekommen“, sagt Mohr: „Wichtig ist allen Beteiligten aber, dass nicht nur der Flutschaden beseitigt wird, sondern auch die nicht betroffenen Bereiche neugestaltet werden.“