Befürchtetes Chaos ist ausgebliebenSo startete die Ausgabe der FFP2-Masken im Kreis
Kreis Euskirchen – Wird das klappen? Eine bundesweite und kostenlose Verteilung tausender FFP2-Schutzmasken an Über-60-Jährige und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen – so, wie es sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor noch nicht einmal einer Woche vorgestellt hat? Am Dienstag war der erste Ausgabetag, und die rund 50 Apotheken im Kreisgebiet stellen fest: das klappt!
„Die ersten standen schon kurz vor 8 Uhr vor der Tür“, berichtet Hermann Josef Beyen, Inhaber der 1747 gegründeten Adler-Apotheke an Zülpichs Münsterstraße. Er und sein Team hatten noch mehr zu tun als an normalen Werktagen. Doch „normal“ war am ersten Ausgabetag der Gratis-FFP2-Masken in den Apotheken wenig.
Windhundrennen um die Schutzmasken
Binnen fünf Tagen sollten die 29900 stationären Apotheken in Deutschland umsetzen, was laut Bundesgesundheitsministerium gezielt Ältere (ab 60 Jahre) und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen vor der Infektion mit dem Coronavirus schützen soll – neben den bekannten Empfehlungen zu Abstand, Handhygiene und Kontaktreduzierung. Drei FFP2-Masken sollen sie erhalten. Die Apotheken bekommen die Kosten über den Nacht- und-Notdienst-Fonds des Apothekerverbands erstattet. Für die Apotheker war sofort klar: Das wird ein Windhundrennen um die Schutzmasken. Denn jeder von ihnen braucht nun Hunderte, Tausende davon.
Drei Zyklen
Bis zum 31. Dezember werden 27 Millionen Bürger, die ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben oder älter als 60 Jahre sind, in einer ersten Welle mit je drei kostenlosen FFP2-Schutzmasken versorgt. Die Ausgabe erfolgt über die Apotheken. Mund-Nase-Schutz dieses Typs schützen den Träger vor festen oder flüssigen Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen. Der FFP2-Standard ist der zweithöchste nach dem FFP-3-Niveau.
Weitere zwölf Masken pro Anspruchsberechtigtem werden danach in zwei Ausgabezyklen zu je sechs Masken verteilt: vom 1. Januar bis 28. Februar 2021 und vom 15. Februar bis zum 15. April 2021. Wer diese FFP2-Masken bekommen kann, definieren die Krankenkassen anhand der Gesundheitsdaten. Sie verschicken von der Bundesdruckerei erstellte, fälschungssichere Berechtigungsscheine per Post. Diese zwölf Masken werden zwei Euro pro sechs Masken Eigenbeteiligung kosten. (sli)
„Es sind ausreichend vorrätig“, beruhigt Apotheker Beyen seine Kunden. Darunter sind viele Stammkunden, die ihm bekannt sind und bei denen die Berechtigung für die Masken kein Problem ist. Dennoch hatte Beyen einen Vordruck vorbereitet, auf dem neben Datenschutzhinweisen und dem „Kleingedruckten“ zur kostenlosen Ausgabe der Schutzmasken auch Felder für die Kontaktdaten vorgesehen waren.
Ausgabe auf Treu und Glauben
War sein Team unsicher, bat es ergänzend um den Personalausweis. „Wir müssen die Ausgabe prüfen und sind dafür auf die Solidarität der Menschen angewiesen“, so Beyen. Wie sich zeigen sollte, dachten seine Kollegen ebenso. Dennoch war Beyen klar: Dass nur der ein Dreier-Set mit den kostenlosen Schutzmasken erhält, dem sie auch wirklich zustehen – es wäre zu schön, um wahr zu sein. Das alles geschehe eben auf Treu und Glauben, so der Apotheker.
Doch Beyen erhielt schnell ein positives Feedback. „Die Maskenausgabe ist mal was Sinnvolles. Das kann man nicht von allen Maßnahmen sagen, die bisher in der Pandemie angeordnet wurden“, lobte etwa Hubert Hoch, 71, aus Zülpich seinen Apotheker.
Ausgabe der Schutztextilien vom normalen Geschäft getrennt
Auch bei Iris Korte, Apothekerin in der Linden-Apotheke in Mechernich, war die Nachfrage sehr hoch. „Ich befürchte, dass wir gegen Mittag ausverkauft sind.“ Sie musste die Kunden auf den heutigen Mittwoch und neue Lieferungen vertrösten. Dabei hatte das Apothekenteam auch hier bestellt, was lieferbar war. In der Apotheke ist die Ausgabe der Schutztextilien separat aufgebaut, so dass die „Masken-Kunden“ vom normalen Geschäft getrennt. Ein Merkblatt liegt bereit, Kontaktdaten werden zur Inventur der Maskenausgabe erbeten. „Das hat sich alles schon schnell bewährt“, freute sich Korte.
Ein paar Ecken weiter hatte auch Alena Leesch, Tochter von Apotheker Dr. Werner Klinkhammer, in der Adler Apotheke stetig zu tun. Die junge Frau war eigens für die Maskenausgabe zum „Halbtagsjob“ gekommen – und fühlte sich wie in Alfred Hitchcocks „Fenster zum Hof“. Im Hinterhaus der Apotheke verteilte sie durch das vergitterte und mit Plexiglasscheibe samt Ausgabeschlitz gesicherte Fenster eines Nebenraums die Masken an die Berechtigten. Auch hier wurde der Erhalt dokumentiert. Den ganzen dritten Adventsonntag hatte man im Hause Klinkhammer die gelieferten FFP2-Schuzmasken in Tüten mit Dreier-Sets umgepackt.
Not machte erfinderisch
„Man denkt auch an die Älteren. Das ist eine gute Idee“, fand Gabriele Lock aus Mechernich, als sie sich ihren Dreierpack von Leesch durchs Fenster aushändigen ließ. Damit sprach sie auch ein Thema an, das viele Apotheker umtreibt: Wie versorgt man die Älteren, die nicht persönlich die ihnen zustehenden Masken abholen können und niemanden haben, der es für sie tut?
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„Eine Variante ist, man bringt zur Ausgabe den Personalausweis etwa seiner Eltern mit“, so Anita Rütz, Inhaberin der Eifel Apotheke in Dahlem, die weitere Standorte in Gemünd und in Lissendorf hat. Die Nachfrage der älteren, nicht mehr mobilen Kunden sei da, so Rütz. Also hat sie den Fahrer ihres Apothekenbotendienstes beauftragt, den Betreffenden einfach den Berechtigungsvordruck vorbeizubringen. „Die können das über Nacht ausfüllen, am nächsten Tag sammelt unser Fahrer die Zettel ein und verteilt gegebenenfalls die Masken“, so Rütz. Bei den Alten- und Pflegeheimen in ihrem Beritt hat sie telefonisch bei den Heimleitungen den Bedarf abgefragt.
Die Apotheker im Kreisgebiet machte die Not also erfinderisch – nicht nur des Umsatzes wegen. Die Bestellungen geschahen noch ohne rechtliche Absicherung und nur auf Basis eines Referentenentwurfes aus dem Hause von Jens Spahn. Erst am Dienstagmorgen wurde daraus ein förmlicher Erlass – da landete ein entsprechender Hinweis des Apothekerverbands, der an mancher Apothekentür zu finden war, schlicht im Papierkorb.