Zeit für frischen WindStichwahldesaster deckt Defizite in Euskirchener CDU auf
Kreis Euskirchen – Als Detlef Seif vor gut einem Jahr von dieser Zeitung nach Günter Rosenke befragt wurde, antwortete der CDU-Kreischef: „Günter Rosenke ist zwar aus der CDU ausgetreten, aber er ist Christdemokrat.“ Wie ein Gläubiger, der die Kirche verlassen habe, fügte Seif noch hinzu. Mag sein, aber daraus zu schließen, dass nach Rosenke mehr oder minder zwangsläufig wieder ein CDU-Mitglied Landrat wird, hat sich am Sonntag als folgenschwere Fehleinschätzung erwiesen.
Und während die CDU-Spitze diesem Trugschluss offenkundig aufsaß, machte sich ein knapp über 30-Jähriger aus der Eifel auf seinen Siegeszug durch die 294 Orte des Kreises, hinter dessen smarten Image die Christdemokraten offenkundig nicht rechtzeitig erkannten, dass er es machtpolitisch faustdick hinter den Ohren hat.
Bewahrung vor dem Auseinanderbrechen
Seif ist zugute zu halten, dass er die Partei 2009 vor dem Auseinanderbrechen bewahrte. Doch der Friede ging über in eine Friedhofsruhe, in der Parteitage zu netten Familien- und Ehemaligentreffen mutierten, anstatt zu Foren für lebhafte Debatten über die politische und strategische Ausrichtung. Mit Leo Lennartz starb der letzte Querdenker in der CDU.
Aufgearbeitet ist das Chaos von 2009 bis heute nicht, der Riss wurde lediglich überdeckt. Viele frühere CDU-Wähler sind eben nicht mehr zurückgekehrt, jetzt, da „ihr“ Landrat nicht zur Wahl stand. Sie hatten sich viel mehr mit Schaudern von der Partei abgewandt, die mit Rosenke so umgegangen war. Für sie war Rosenke nicht ein CDU-Politiker, der nur vergessen hatte, seinen Wiederaufnahmeantrag in der CDU-Geschäftsstelle einzureichen.
2009 und die Folgen
Sie sahen in dem Weilerswister den Bürgerlandrat, den er allzu gerne darstellte, in Abgrenzung zu politischen Machtspielchen im Allgemeinen und zur CDU im Besonderen – befreit von Scharmützeln, immer lockerer, immer selbstsicherer, immer beliebter. Und nicht wenige wandten sich nun dem zu, der nicht müde wurde, Rosenke sein Vorbild zu nennen: Markus Ramers. Als Seif und seine Vorstandskollegen das merkten, war es zu spät.
In einem Mitgliederschreiben bat der Parteichef wenige Wochen vor dem Urnengang die Wahlkämpfer, die Menschen doch verstärkt darauf hinzuweisen, dass Jurist Johannes Winckler der Fachmann sei, den es auf dem Landratsstuhl brauche, und nicht Ramers. Doch Wahlkämpfer ahnten schon, welche zwei Worte ihnen dann an den Ständen entgegenhallen würden: „Günter“ und „Rosenke“. 26 Jahre Landrat, fünf gewonnene Wahlen – ohne Jurastudium und anfangs bar jeglicher Verwaltungserfahrung.
Wahlaufbereitung: Die CDU geht in Klausur
CDU-Kreisparteichef Detlef Seif kündigt eine intensive Aufarbeitung der Niederlage in der Stichwahl vom Sonntag an. CDU-Bewerber Johannes Winckler kam dabei auf 39,6 Prozent, SPD-Bewerber Markus Ramers aber 60,4 Prozent.
Zur Aufarbeitung soll nun eine ganztätige Klausur im Kloster Steinfeld stattfinden, an der der Kreisparteivorstand und die Chefs der Städte- und Gemeindeverbände und der Vereinigungen teilnehmen. Seif attestierte dem künftigen Landrat Markus Ramers einen Wahlkampf, für „den man ihm Respekt zollen“ müsse. Es sei Ramers gelungen, sich – auch als stellvertretender Landrat und Kuratoriumsvorsitzender der Kreissparkassen-Stiftung – kreisweit einen Namen zu machen. Zudem habe er es als Eifeler Junge vermocht, im Südkreis ein „Wir-Gefühl“ zu etablieren, das ihm dort herausragende Wahlergebnisse beschert habe.
Die CDU habe hingegen Defizite im Wahlkampf aufgezeigt, die einer besonderen Analyse bedürften, so Seif. „Dass sich an unserem Auftritt in den Sozialen Netzwerken etwas verbessern wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Seif stimmt der Einschätzung des Kreisfraktions-Geschäftsführers Bernd Kolvenbach zu, der die Kampagnenfähigkeit der CDU in Frage stellte.
Der Kreisparteichef erinnert aber auch daran, dass die CDU bei der Kreistagswahl mit 38,5 Prozent der Stimmen und 14,5 Prozentpunkten Abstand zur SPD stärkste kommunalpolitische Kraft im Kreis Euskirchen sei – bei aller Trauer über den „schwarzen Sonntag“ der Landratsstichwahl. (sch)
Abgesehen davon, dass die Mitglieder gerade Plakate aufhängten mit den Konterfeis der erfolgreichen CDU-Bürgermeisterriege, in der es auch wenige Juristen gibt – und dass dieses Fach-Argument der Euskirchener Bürgermeisterkandidatin Christiane Loeb gegen den Verwaltungsmann Sacha Reichelt eine argumentative Hürde in den Weg stellte, über die sie letztlich nicht zu springen in der Lage war.
Ramers Beliebtheit war da bereits so groß, dass derartige Angriffe ihm nichts mehr anhaben konnten. Übrigens auch der Hinweis darauf, dass er seine Partei auf dem Wahlplakat verstecke. Spätestens nach den vorausgegangenen Wahlen in Blankenheim und Hellenthal müsste doch bekannt sein, dass es viele Wähler wenig interessiert, ob und welches Parteizeichen auf dem Wahlzettel steht, sondern nur, ob Namen wie Rudolf Westerburg (Hellenthal) oder Rolf Hartmann beziehungsweise Jennifer Meuren (Blankenheim) davor stehen. Beides einstmals tiefschwarze Kommunen.
Seif muss Zähne zeigen
Und dann ist das Leben auch noch ungerecht. Jene ehemaligen Großstädter, die sich in den von CDU-beherrschten Räten ausgewiesenen Baugebieten günstig ihren Traum vom Eigenheim erfüllten, „dankten“ es den Christdemokraten, in dem sie den Grünen tolle Wahlergebnisse bescherten – siehe Kommern-Süd, siehe Weilerswist-Süd. Darüber kann man wehklagen, muss den Neubürgern aber irgendwann attraktive inhaltliche und personelle Angebote machen.
Der nette Herr Seif muss auch mal Zähne zeigen und fängt am besten in seinem Heimatverband Weilerswist an, wo Fraktionschef Hans Peter Nußbaum selbst nach zwei (Ab-)Wahl-Klatschen gegen Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (parteilos) am Montag nichts Dringlicheres zu tun hatte, als seinen persönlichen Kleinkrieg gegen Horst fortzusetzen. Außenwirkung: haarsträubend. Zur Ehrenrettung der Weilerswister CDU: Parteichef Wolfgang Petersson schlug selbstkritischere Töne an.
Nicht mehr überall stärkste Kraft
Es ist ja richtig, dass die CDU immer noch die stärkste Macht im Kreis ist – aber nicht mehr überall, etwa in Kall, wo sie nicht nur 17 Prozentpunkte, sondern auch den Status der stärksten Ratsfraktion einbüßte. Von Ramers’ 80 Prozent in Blankenheim ganz zu schweigen.
Dass die Parteispitze nun in Klausur geht, um ihre Defizite aufzuarbeiten, ist dringend geboten. Das hätte schon 2015 geschehen müssen. Man wird sehen, wie ernst es den Christdemokraten ist. Allzu oft sitzen in diesen Runden diejenigen zusammen, die den schlechten Wahlkampf zu verantworten haben – wie Schüler, die ihre eigenen Klausur benoten und nun versuchen noch eine Vier minus herauszuholen – wohlwissend, dass man sie verbockt hat.
Einfacher wird’s nicht
Wenn es der CDU gelingt, Schönrederei zu vermeiden und die Konsequenzen aus den Wahlkämpfen zu ziehen, die sich – abgesehen von wenig beeindruckenden Auftritten in den Sozialen Netzwerken– von denen der 80er-Jahren kaum unterschieden, ist wieder mit ihr zu rechnen. Aber nur dann. Dazu muss sie lernen, dass es mit Sachpolitik allein nicht getan ist und dass man die Darstellung von Erfolgen nicht dem Koalitionspartner alleine überlassen sollte.
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Einfacher wird’s nicht. Sollte das Bündnis mit FDP und UWV realisiert werden, haben es die Christdemokraten seit 2009 erstmals wieder mit einer starken Opposition zu tun. Und wie umgehen mit Landrat Ramers? Nimmt man ihn zu sehr in die Mangel, steht man als schlechter Verlierer da. Lässt man ihn gewähren, baut er seinen Amtsbonus für 2025 aus. Vielleicht benötigt die CDU mehr als nur eine Klausur.