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Kreis EuskirchenZeugniskonferenzen und -ausgaben nehmen skurrile Formen an

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So ist es geplant: Euskirchens Gesamtschulleiter Thomas Müller überreicht einer Schülerin das Zeugnis durchs Fenster – mit Abstand und Mundschutz selbstverständlich.

Kreis Euskirchen – Zeugniskonferenzen in Zeiten der Pandemie kann man sich in etwa so vorstellen. Fragt der Schulleiter: „Frau Kollegin, was können Sie zu Nummer 14 sagen?“ Die Antwort kommt aus dem Lautsprecher, das Livebild aus der Küche der Kollegin ruckelt ein wenig: „Nummer 14 hat sich stark verbessert.“

Das dürfte Nummer 14 freuen. Ihr oder sein Name tut hier nichts zur Sache. Tut er in der Lehrerkonferenz Anno 2021 ja auch nicht. Junge Menschen werden zur Nummer. Bei aller Liebe zu Zahlen, da schüttelt’s selbst die Mathelehrer. Corona, was machst du mit uns?

Ministerin lässt den Schulen offen, wie sie es machen

Die Landesregierung lässt den Schulen bei der Vergabe der Noten sowie bei der Verteilung der Zeugnisse viel Spielraum. Natürlich müssen die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden.

„Die im Zusammenhang mit der Zeugnisvergabe bestehenden Beratungspflichten, namentlich in der Grundschule, bleiben unverändert. Über die Modalitäten der Zeugnisübergabe entscheiden die Schulen in eigener Zuständigkeit“, heißt in einem Erlass von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Es komme sowohl eine postalische Versendung als auch eine Abholung der Zeugnisse an den Schulen oder eine sonstige Form der Bekanntgabe in Betracht, wenn dabei die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben der Coronabetreuungsverordnung und der Coronaschutzverordnung eingehalten werden.“

Hilfsweise könne mit Zustimmung der Eltern auch eine elektronische Vorabübermittlung mit späterer Aushändigung erfolgen. (sch)

„Die Schüler werden anonymisiert und in der Konferenz spricht man nur über Nummern, die jeder zuhause zuordnen kann“, beschreibt Michael Mombaur das Prozedere. „Auch die Noten wurden zuvor aus dem Homeoffice verschlüsselt übertragen. Keine Probleme“, fügt der Leiter des Euskirchener Gymnasiums Marienschule hinzu. Wenigstens online kein Virus!

Die Lehrerzimmer sind verwaist, Konferenzen finden oft von der heimischen Küche oder dem Arbeitszimmer aus statt. Jeder für sich. Es hat Zoom gemacht, es wird in Teams beraten. Das bedeutet nicht, dass der Blitz einschlägt angesichts der ein oder anderen Note mit Luft nach oben. Grüppchenbildung im Kollegium ist auch nicht angesagt. Zoom und Teams, so heißen Plattformen, auf denen die Online-Konferenzen der Lehrer zuweilen stattfinden. Dem Vernehmen nach soll es da friedlicher zugehen als in mancher Schalte der Kanzlerin mit den Länderchefs.

Hier wie da geht’s schließlich um viel. In wenigen Tagen gibt’s Halbjahreszeugnisse. Sind halt nur Zwischenzeugnisse, könnte der Laie die Schultern zucken. Doch gerade die sind für jene Schüler wichtig, deren Schulweg im Sommer eine Abzweigung nimmt – etwa in Richtung Gymnasium, Real-, Haupt- oder Gesamtschule oder in ein Berufskolleg und in einen Ausbildungsbetrieb. Manche rennen quasi nach Erhalt des Notenblattes zur Bewerbung oder zum PC, um sich digital vorzustellen.

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Die Gesamtschule in Weilerswist greift daher zu einer Doppelstrategie, wie Schulleiter Stephan Steinhoff erläutert. Die Zeugniskonferenz finde online statt – weitgehend zumindest. Handele es sich jedoch um Schülerinnen und Schüler, über deren weitere schulische Karriere entschieden wird, treffen sich die Pädagogen in der Schule. „Die Corona-Krise darf nicht zum Nachteil der Schüler werden“, stellt Steinhoff klar. Das Virus hat auch schon genug Unheil angestiftet, da soll später nicht auch noch der unsichtbare Stempel „Corona“ auf den Zeugnissen den Personalentscheidern ins Auge springen.

Lehrerkonferenzen in Präsenz, man glaubt es kaum, gibt es nämlich auch noch. Etwa in der Katholischen Grundschule in Mechernich. Da trafen sich die Pädagogen, wie ihr Chef Ulrich Lindner-Moog berichtet, im Schulgebäude. Zwar nicht im Lehrerzimmer, aber im geräumigen Foyer. So mancher Hausmeister verdient sich dieser Tage die Ehrenbezeichnung „Gute Seele des Hauses“ redlich. Es sind wohl die aufwendigsten Konferenzen ihrer Berufslaufbahn. Mit Abstand!

Als dann Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) den Bildungseinrichtungen am 15. Januar per Erlass offen ließ, ob sie in Präsenz oder per Video beraten wollten, konnten sie in Mechernich nur noch müde lächeln. Das hatten sie längst entschieden und umgesetzt – eine Woche, bevor die Mail aus Düsseldorf auf dem Schirm aufploppte.

Mehr oder weniger normale Zeugniskonferenz

Am Sturmius-Gymnasium in Schleiden wird es laut dessen Leiter Georg Jöbkes eine mehr oder weniger normale Zeugniskonferenz geben, nur der Treffpunkt ist ein anderer, sagt Jöbkes: „Wir gehen für die Zeugniskonferenz in die Sporthalle“, so Jöbkes. Körperbetonte Spiele sind ohnehin verboten. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen im Online-Verfahren seien sehr hoch, daher habe man sich zu diesem Schritt entschlossen, sagt Jöbkes.

Auf einen Mix aus Digital und Analog setzt Anne Schorlepp, Leiterin des St.-Michael-Gymnasiums in Bad Münstereifel. Online seien Klarnamen natürlich tabu, es werde mit Synonymen gearbeitet, so Schorlepp. Wegen des Datenschutzes. An der Gesamtschule in Euskirchen werden die Noten digital vergeben, so Schulleiter Thomas Müller.

Kontaktvermeidung ist dann aber auch angesagt, wenn die Zeugnisse verteilt werden. Auch hier bieten Fantasie und Ministerin Gebauer einige Möglichkeiten. „Moodeln“ zum Beispiel. An der Weilerswister Gesamtschule spielt das Lehrerteam um Steinhoff intensiv mit dem Gedanken. Die Klassenlehrer teilen ihren Schülern die Noten dabei über die passwortgeschützte Lernplattform Moodle mit. Das eigentliche Zeugnis wird später nachgereicht. In der Euskirchener Gesamtschule könnte es, so Leiter Thomas Müller, ein Ausgabefenster geben. „Für einige Schüler ist das Zeugnis wichtig, beispielsweise, um sich bei den Berufsschulen zu bewerben“, betont Müller. Deshalb gebe es am Freitag die Zeugnisse auch zunächst einmal nur für die 10er-Klassen. Alle anderen Schüler erhielten ihre Beurteilungen nur auf Nachfrage, da sie für sie nicht so wichtig seien. Für die „Zehner“ gibt es ein Zeitfenster fürs Zeugnisfenster. Ab 10 Uhr hat jede Klasse 30 Minuten, um das Papier in Empfang zu nehmen. Die Kombination aus corona-gemäßen Lüften der Räume bei gleichzeitiger Ausgabe der Zeugnisse kommt auch an der katholischen Grundschule in Mechernich zum Tragen. „Wir werfen quasi die Zeugnisse aus dem Fester raus“, sagt Schulleiter Ulrich Lindner-Moog mit einem Lachen. Spaß muss sein, auch in schwierigen Zeiten. Sie werden natürlich gereicht, samt Kopie, damit die Eltern gleich vor Ort den Empfang quittieren können. Wer weiß, wann die Kinder mal wieder in den Klassen sitzen! Der postalische Weg sei schon sehr aufwendig.

Zeugnisse werden per Post verschickt

Am Sturmius-Gymnasium werden laut Jöbkes alle Zeugnisse dennoch per Post verschickt. An der Clara-Fey-Schule werden den angehenden Abiturienten Päckchen gepackt – mit allen zurückzugebenden Klausuren und den Zeugnissen, berichtete Schulleiterin Roswitha Schütt-Gerhards. Diese könnten dann zu vorgegebenen Zeitpunkt abgeholt werden. Für die anderen Jahrgangsstufen gebe es ebenfalls ein Zeitfenster.

Die Klassen fünf bis neun können ihre Zeugnisse dann in ihrem Klassenraum abholen, die Jahrgangsstufe EF in der Sporthalle und die Q1 in der Mensa. Auch Mitschüler können die Zeugnisse für andere mitnehmen, sofern der betreffende Schüler vorab eine Vollmacht an die Schule schickt.

Schlechte Zeiten also auch für die, die insgeheim gehofft hatten, dieses Mal kein Zeugnis zu bekommen. Ein „Zeugnisverweigerungsrecht“ gibt es auch diesmal nicht. Selbst hier ist Corona keine Hilfe...