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DarlehenDer Immobilienmarkt im Kreis Euskirchen nimmt wieder Fahrt auf

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt die Baustelle eines Hauses.

Die Nachfrage nach Baufinanzierungen nimmt wieder zu, teilen die Kreditinstitute mit.

Nach Corona, Flut und Krieg verzeichnen Banken im Kreis Euskirchen wieder mehr Finanzierungsanfragen. Das löst aber ein großes Problem nicht.

Zu Jubelgesängen bestehe noch kein Anlass, aber das zarte Pflänzchen entwickele sich weiterhin gut. So lassen sich die Bautätigkeit und die Situation auf dem Immobilienmarkt im Kreis Euskirchen zusammenfassen.

Sowohl die Kreissparkasse Euskirchen als auch die Genossenschaftsbanken im Kreis sehen Licht am Ende des Tunnels. „Wir merken seit einigen Monaten, dass die Anfragen wieder steigen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der VR-Bank Nordeifel, Mark Heiter. Es tue sich wieder etwas auf dem Immobilienmarkt. „Es ist natürlich beileibe nicht auf dem Niveau von vor ein paar Jahren, aber wir spüren schon eine deutliche Belebung im Vergleich zu den Jahren 2022 und 2023“, so Heiter.

Die Leute haben inzwischen wieder mehr Vertrauen.
Hans-Jürgen Lembicz, Volksbank Euskirchen

Nach den Schocks von Corona über die Flut bis hin zum russischen Angriff auf die Ukraine ziehe die Nachfrage nach Baufinanzierungen wieder an, bestätigt Hans-Jürgen Lembicz, Vorstandssprecher der Volksbank Euskirchen, Heiters Aussagen.

Auch bei der Kreissparkasse Euskirchen (KSK), so berichtet Marius Linden von der Abteilung Strategische Unternehmensentwicklung, sei eine erhöhte Nachfrage nach Baufinanzierungen zu spüren: „Die Menschen haben weiterhin ein starkes Interesse an Wohneigentum – auch aufgrund der steigenden Mieten.“ Allerdings, so Linden, profitiere davon vor allem der Gebrauchtimmobilienmarkt: „Denn aufgrund der gestiegenen Baupreise wird weniger neu gebaut.“

Er lebt also offenkundig noch, der Traum von den eigenen vier Wänden. „Die Leute haben inzwischen wieder mehr Vertrauen“, stellt Lembicz fest. Energiemarkt und Inflation hätten sich entspannt, geben die Institute als Gründe an.

Der Zinsschock scheint überwunden, die Nachfrage steigt

Inzwischen sei es auch wieder leichter, Handwerker zu beauftragen. „Wegen der Bewältigung der Flutfolgen war das in den vergangenen Jahren ja auch eins der großen Probleme“, so Volksbank-Chef Lembicz. Zudem, so Mark Heiter, seien die Zinsen gesunken und die Tariflöhne gestiegen, so dass sich mehr Menschen ihren Traum vom Eigenheim erfüllen könnten.

„Man hat sich inzwischen auch an das Niveau gewöhnt“, benennt Heiter den psychologischen Faktor: „Wenn man bei den Zinsen eine Eins vor dem Komma hatte und dann innerhalb von wenigen Wochen dort eine Vier steht, löst das erstmal einen Schock aus“, erinnert der Chef der VR-Bank Nordeifel an die vergangenen Jahre.

Gemessen an den Zinsen, die unsere Eltern gezahlt haben, ist dies immer noch sehr günstig.
Mark Heiter, VR-Bank Nordeifel

Von diesem Schock haben sich viele inzwischen erholt. Ihnen werde verstärkt klar, dass bei längerfristiger Betrachtung eher die Vier vor dem Komma normal ist und die Eins außergewöhnlich. Zurzeit melden die Kreditinstitute Zinsen im Bereich von 3,1 bis 3,4 Prozent – sofern die Bonität stimmt. „Gemessen an den Zinsen, die unsere Eltern gezahlt haben“, so Heiter, „ist dies immer noch sehr günstig.“

Und für nicht wenige auch zu stemmen, ohne sich zu ruinieren. „Mit den derzeitigen Zinsen können die Kunden gut kalkulieren“, rechnet Volksbank-Vorstandschef Lembicz vor: Benötige ein Kunde beispielsweise 200.000 Euro und wolle zwei Prozent im Jahr tilgen, um nach 30 Jahren abbezahlt zu haben, komme er mit rund 1000 Euro im Monat hin. „Das ist eine Größenordnung, die für viele wieder passt“, so Lembicz – auch mit Blick auf die Mieten, die man ansonsten zahlen müsste.

„Abenteuerliche Preisvorstellungen“ in der Niedrigzinsphase

Im Zuge dieser Entwicklung habe auch der Gebrauchtmarkt Fahrt aufgenommen, sagt Lembicz: „Unsere Immobilienabteilung hat nach wie vor gut zu tun.“ Inzwischen sei auch wieder Vernunft in diesen Markt eingekehrt, so Lembicz. In der Niedrigzinsphase habe es hier und dort schon „abenteuerliche Preisvorstellungen“ bei potenziellen Verkäufern gegeben.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den Wohnungsmarkt dürften allerdings nicht allzu groß sein. Zwar könnte sich die Lage geringfügig entspannen, weil die Wohnungen auf den Markt kommen, die bislang von den neuen Eigenheimbesitzern gemietet worden waren – aber die Lösung, die zu mehr bezahlbarem Wohnraum führt, ist das sicher nicht.

Und dass nun Investoren von Mehrparteienhäusern den Bankberatern die Türen einrennen würden, sei nicht zu erkennen, verlautet es aus den Kreditinstituten. Die steigenden Aktivitäten beschränkten sich dann doch eher aufs klassische Eigenheim. In der Niedrigzinsphase habe es einen Trend zum Bau von Mehrfamilienhäusern gegeben, weil sich das für Investoren gerechnet habe, sagt Lembicz: „Aber die sind noch sehr zurückhaltend.“

Banken im Kreis Euskirchen halten sich mit Prognosen zurück

Oder warten sie noch ab? Bei Prognosen der künftigen Marktentwicklung üben sich die Experten in den Kreditinstituten eher in Zurückhaltung. „Aus meiner Sicht werden wir aber keine Zinsen mehr um ein Prozent bekommen“, sagt Lembicz.

Der Markt ist voller Überraschungen. „Als die Darlehenszinsen eine Eins vor dem Komma hatten, hatte sich auch kaum einer vorstellen können, dass da so schnell wieder eine Vier stehen würde“, sagt Heiter. Doch das war vor Corona, Flut, Krieg, Energiepreisexplosion und Inflation. „Darauf“, so Heiter, „musste die EZB, die die Inflation lange ignoriert hatte, reagieren – und die Zinsen gingen schlagartig nach oben.“

Ausschließen kann man Heiter zufolge derzeit wenig, selbst eine erneute drastische Zinssenkung nicht. „Wenn die Wirtschaft einbricht oder wir in Europa eine klare Rezession bekommen, kann es sein, dass die Zentralbanken die Zinsen wieder senken müssen, um die Wirtschaft zu beleben“, gibt er zu bedenken. Und das wirke sich dann auch auf die Finanzierungen in der Eifel aus.


Kreditinstitute im Kreis Euskirchen empfehlen Anlagemix

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 18. September, den Leitzins von 4,25 Prozent auf 3,65 Prozent zu senken, hat Einfluss auf die Zinsen aufs Tagesgeld oder einjährige Anlagen. „Die Zinsen für kurzfristige Anlagen sind rückläufig“, sagt Hans-Jürgen Lembicz, Vorstandssprecher der Volksbank Euskirchen.

Lagen die Zinsen bei Letzteren in den vergangenen Jahren schon mal bei drei Prozent, gibt es derzeit um die 2,3 Prozent. „Es könnte sein, dass die Zinsen für die Einlagen durch die Entwicklung bei der Zentralbank tendenziell eher runtergehen“, so Lembicz.

Es sei aber aus seiner Sicht ohnehin falsch, sich ausschließlich auf kurzfristige Anlagen zu konzentrieren: „Man sollte streuen.“ Eine Mischung habe sich in den vergangenen Jahren immer als gut erwiesen. Um die richtige Anlageform für den Kunden zu finden, sei es immer wichtig, individuelle Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen, sagt auch Marius Linden von der Kreissparkasse Euskirchen.

„Daher empfehle ich jedem, der Geld anlegen möchte, sich bei unseren Kundenberatenden umfassend und kostenfrei beraten zu lassen.“ Die Entwicklung der Konditionen hänge dabei stark von den zinspolitischen Entscheidungen der EZB ab, so Linden.

Dabei richten sich die Entwicklungen nicht immer datengenau nach den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank, wie Mark Heiter, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Nordeifel, erläutert. Der Markt habe etwa die jüngste EZB-Entscheidung schon im Vorfeld ein Stück weit vorweggenommen, so dass das Zinsniveau für kurzfristige Anlagen bereits gesunken war, als die Entscheidung in Frankfurt am Main verkündet worden sei.

„Auf dem Kapitalmarkt wird jetzt schon spekuliert, was die EZB als nächstes tut“, erläutert Heiter: „Denn es ist ja nicht so, dass sich die Zinsen in unmittelbarer Abhängigkeit zu den EZB-Entscheidungen entwickeln.“

Auch Mark Heiter rät den Kunden der VR-Bank Nordeifel „ weiterhin zu einem Anlagemix, um sich das jetzige Zinsniveau zu sichern – aber längerfristig und nicht nur für ein Jahr“.