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BundestagswahlSo lief die Diskussion der Kandidaten mit Füssenicher Berufsschülern

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau und vier Männer stehen jeweils hinter einem Tisch, vor sich Mikrofone.

In Füssenich diskutierten Annegret Lewak (v.l.) von der SPD als Vertreterin von Andrea Kanonenberg, Georg Riemann (Linke), Christian Schubert (Grüne), Markus Herbrand (FDP) und Detlef Seif (CDU).

Etwa 400 Berufsschüler diskutierten im St.-Nikolaus-Stift in Füssenich mit Bundestagskandidaten über aktuelle Themen im Wahlkampf.

„Auf meine Entscheidung hat die Runde keinen Einfluss, aber dennoch war es interessant“, sagte eine Schülerin des Berufskollegs St.-Nikolaus-Stift in Füssenich. Ihre Freundin hingegen sagte, dass der Auftritt eines Politikers sie „enttäuscht“ habe und sie sich deshalb am 23. Februar wohl umentscheiden werde.

Gut eine Woche vor der Bundestagswahl waren mit Detlef Seif (CDU), Markus Herbrand (FDP), Christian Schubert (Grüne) und Georg Riemann (Linke) vier Direktkandidaten für die Wahl am kommenden Sonntag im St.-Nikolaus-Stift zu Gast. Annegret Lewak (SPD) vertrat die erkrankte Direktkandidatin der Sozialdemokraten, Andrea Kanonenberg.

Podiumsdiskussion: AfD reagiert laut Lehrer nicht auf Einladung

Die AfD sei eingeladen gewesen, berichtete Lehrer und Organisator Felix Hellmich. Er habe mehrere Mails an den Kreisverband der AfD geschrieben, aber jeweils nur die automatisierte Eingangsbestätigungsmail der Partei erhalten. Die habe er alle auf seinem Laptop und habe sie auch den Schülern gezeigt, die kritisch nachgefragt hätten.

Mehr als 400 Schülerinnen und Schüler hörten den Ausführungen der Politiker zu, darunter zahlreiche Erstwähler. Und sie brachten sich ein, stellten Fragen und baten Georg Riemann um ein Selfie.

Trotz des Fotowunsches war der Bundestagskandidat der Linken aber nicht der große Gewinner der eineinhalbstündigen Veranstaltung. Den gab es nämlich nicht. Alle Politiker punkteten bei den jungen Erwachsenen – zumindest, wenn der Applaus zwischen den Redebeiträgen als Maßstab genommen wird.

Ein etwas anderer Politikunterricht mit Bundestagskandidaten

Und wie war die Veranstaltung aus Sicht der Moderatoren? „Es war gut“, sagte Malte Stegh. Sämtliche Fragen seien aus der Schülerschaft zusammengetragen worden. Das zeige, dass man am Berufskolleg politisch interessiert sei, so Mitschüler Nick Weyers. Dem konnte Schulleiter Klaus Drotbohm nur beipflichten. „Politik muss raus aus dem Fernsehen, Politik muss raus aus TikTok. Politik muss anfassbar sein“, sagte er. Drotbohm hatte nach eigenen Angaben viel Freude an dem eineinhalbstündigen Politikunterricht.

In dem „Unterricht“ kam als Erstes die Frage nach einem verpflichtenden Sozialen Jahr auf. Und so einig waren sich die Kandidaten im Laufe der Veranstaltung nicht mehr, aber in diesem Fall lehnten alle ein verpflichtendes Soziales Jahr ab.

Das Bild zeigt das Publikum bei der Podiumsdiskussion in Füssenich.

Etwa 400 Schülerinnen und Schüler lauschten den Ausführungen der Politiker im St.-Nikolaus-Stift in Füssenich.

Das Bild zeigt die beiden Berufsschüler während der Podiumsdiskussion.

Moderierten die Podiumsdiskussion gemeinsam: die Schüler Malte Stegh (r.) und Nick Weyers.

Auch beim sogenannten bedingungslosen Grundeinkommen waren sich die Politiker grundsätzlich einig. „Ein bedingloses Grundeinkommen ist der falsche Weg“, sagte Markus Herbrand von der FDP.

Sein CDU-Kollege Detlef Seif ergänzte: „Die Eigenverantwortung steht für die CDU im Mittelpunkt. Wer keine Leistung bringt, hat keine Leistungen verdient.“ Wenn man genau hinsehen würde, gebe es ein bedingungsloses Grundeinkommen bereits, das heiße halt nur Bürgergeld. „Wir von der CDU wollen die Grundsicherung reformieren“, so Seif.

Bürgergeld ist nicht bedingungslos. Natürlich kann dabei sanktioniert werden – was auch getan wird.
Georg Riemann, Die Linke

Das brachte Georg Riemann von den Linken auf die Palme. „Bürgergeld ist nicht bedingungslos. Natürlich kann dabei sanktioniert werden – was auch getan wird.“

Christian Schubert von den Grünen sprach sich ebenfalls gegen eine bedingungslose Grundsicherung aus. Das Existenzminimum müsse gesichert sein. „Wir brauchen einen 15-Euro-Mindestlohn. So lässt sich Armut bekämpfen, und wir müssen die Kinderarmut endlich effektiv bekämpfen“, so Schubert.

Annegret Lewak von der SPD sagte, dass in ihrer Brust bei diesem Thema zwei Herzen schlagen. „Wir kämpfen dafür, dass gute Arbeit mit guten Löhnen entlohnt wird. Das ist die DNA der Sozialdemokratie.“

Kandidat der Grünen: Energiekosten müssen gesenkt werden

Auch der klimafreundliche Umbau des Wirtschaftsstandorts Deutschlands wurde während der Podiumsrunde diskutiert. „Die Grünen haben das schon sehr gut gemacht. Wenn wir den Weg von Herrn Habeck konsequent weitergehen, ohne eine Bremse, dann werden wir CO2-neutral werden“, sagte Georg Riemann. Der Arbeitsmarkt werde sich verändern, aber es werde genügend Arbeit geben.

„Wir haben für die Wärmewende alle Technologien in der Hand, wir müssen sie aber für uns nutzbar machen, beispielsweise durch Speicher“, meinte Lewak, die nach eigenen Angaben in der Wirtschaft arbeitet: „Wir dürfen keine Schattendiskussionen über Atomkraft führen. Das ist ein Problem und wirft uns immer wieder zurück.“

Christian Schubert: „Wir haben uns vorgenommen, bis 2045 in Deutschland klimaneutral zu sein. Das Vorhaben ist nicht neu. Und die Industrie ist schon deutlich weiter, als viele denken. Aber wir müssen die Energiekosten senken.“

Markus Herbrand sagte, dass man nicht so tun dürfe, als sei bisher noch nichts passiert. „Der Umbau in der Wirtschaft ist bereits in vollem Gang“, so der Liberale: „Wir müssen an den CO2-Zertifikaten festhalten. Dann müssen wir aber raus aus der Subventionspolitik, und wir müssen – da bin ich anderer Auffassung als viele andere – das Ganze technologieoffen angehen. Es wissen nicht Politiker, was gut ist. Das wissen Unternehmer.“

CDU-Mann Detlef Seif berichtete, dass der Umbau zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führe. Das sei in den vergangenen drei Jahren deutlich geworden. „Wir kommen bei der Wirtschaft in Deutschland nicht in Schwung. Das kommt nicht von ungefähr, weil wir wirklich sehen müssen, dass wir eine Technologieoffenheit haben“, sagte der Christdemokrat.

Bundestagsabgeordneter der CDU schließt Koalition mit der AfD aus

Der Bund müsse sich in Bildung einmischen dürfen. Bund und Länder müssen zusammenarbeiten, sagte Herbrand. Dem pflichtete CDU-Mann Seif bei: „Wir brauchen gleiche Standards.“ Der Christdemokrat verwies auch darauf, dass in den Kitas und Schulen seit Jahren aufgrund des Kriegs in der Ukraine eine Ausnahmesituation herrsche. „Viele Lehrer stoßen an ihre Grenzen. Die Klassen sind zu voll, und es gibt sprachliche Hürden zu meistern“, so Seif.

Georg Riemann entgegnete: „Zu volle Klassen in der Schule, zu große Gruppen in der Kita gab es in den 1970er-Jahren schon. Wir brauchen eine neue Struktur. Von Wertschätzung allein kann keiner leben. Wir brauchen Arbeitszeitmodelle, um den Beruf attraktiver zu machen.“

Seif betonte vor den Schülerinnen und Schülern, dass es mit der CDU keine Zusammenarbeit oder gar Koalition mit der AfD geben werde. „Wir brauchen aber eine gesteuerte Zuwanderung – nicht für den Arbeitsmarkt, auch für das Sozialsystem“, so der Bundestagsabgeordnete der Christdemokraten.

Die Sozialdemokratin Lewak entgegnete: „Wichtig ist, dass wir bei dem komplexen Thema als Teil der Europäischen Union agieren. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das immer noch Menschen sind, über die wir sprechen.“