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MotorradlärmEifeler Initiative: „Laut werden, damit es leiser wird“

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt eine große Gruppe von Motorradfahrern auf einer Straße, die durch ein Waldgebiet führt.

Sie sind wieder unterwegs – Motorradfahrer, die mit ihrem Lärm viele Anwohner in den Eifelorten nerven.

Seit Jahren kämpft der Verein Silent Rider gegen Motorradlärm in der Eifel. Jetzt nimmt das Thema wieder Fahrt auf.

Auch wenn die Kälte die Eifel weiter fest im Griff hat und die Motorradsaison noch längst nicht ausgerufen worden ist, war es bereits an den ersten sonnigen Wochenenden wieder zu hören: das unverkennbare Heulen der Motorradmotoren, das durch die Täler und über Feld und Wald zieht, wenn die Biker fröhlich am Gasgriff drehen.

Für sie ein Spaß und Nervenkitzel, für die genervten Anwohner allerdings ein nicht enden wollendes Ärgernis. 2019 gründete sich im Zuge der Beschwerden von lärmgeplagten Bürgern die Initiative „Silent Rider“, ein Zusammenschluss von Kommunen aus der Eifel, die das Thema Motorradlärm als ernsthaftes Problem angehen wollten. In einem ersten Aufschlag gelang es, eine Bundesratsinitiative zur Bekämpfung des Lärms auf den Weg zu bringen. Doch seitdem ist „Silent Rider“ mehr und mehr aus dem Fokus des Interesses verschwunden.

Auch der Nationalpark Eifel gehörte zu den Gründern des Vereins

Völlig zu Unrecht, findet Marco Schmunkamp, Bürgermeister von Nideggen. Denn der Verein sei weiterhin sehr aktiv und arbeite unverdrossen an dem Thema. Schmunkamp ist einer von sieben Bürgermeistern, die mit dem Nationalpark Eifel und dem Kreis Düren „Silent Rider“ als Verein gründeten. Als Vorsitzender beerbte er seinen Simmerather Amtskollegen Karl-Heinz Hermanns, der 2020 nicht mehr zur Wiederwahl angetreten war. „Ich habe fast täglich damit zu tun“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Zahl der Mitglieder in dem Verein sei nicht gesunken. „Wir treffen uns monatlich“, so der Nideggener Bürgermeister.

Der kleinen Eifelinitiative sei es gelungen, das Thema auf die Tagesordnung der hohen Politik zu bringen. Doch das Problem gehe weit über die Eifel hinaus. Und so hat sich Silent Rider mit anderen Initiativen wie auch dem BUND und der Deutschen Umwelthilfe zusammengetan und den „Bundesverband gegen Motorradlärm“ gegründet. „Wir müssen laut werden, damit es leiser wird“, zeigt er sich kämpferisch.

Der Vorsitzende des Vereins kritisiert Land und Bund

Denn die Widerstände sind groß, die Trägheit der Institutionen nicht minder. „Ich werde nie vergessen, was geschah, nachdem der Bundesrat sich des Themas angenommen hat“, erinnert sich Schmunkamp. Bereits am nächsten Tag hätten 3500 Biker vor dem Landtag in Düsseldorf demonstriert. Und wenn es auch gelungen sei, Land und Bund für das Thema zu interessieren, habe das Bundesverkehrsministerium gesagt, es wolle es nicht übernehmen. „Bund und Land schieben sich den Schwarzen Peter hin und her“, moniert er.

Doch mittlerweile sei der Bundesverband, den Schmunkamp mit Holger Siegel vertritt, beim Lobbyregister des Bundestages eingetragen und habe somit besseren Zugang zu den Politikern. Und auch die Gerichte werden sich des Themas annehmen müssen, wenn es nach dem Bundesverband geht. „Wir bereiten eine Klage gegen die Lärmmessung des Kraftfahrtbundesamtes bei der Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) von Motorrädern vor“, kündigt er an. Das sei für ihn ein Reizthema. Denn dabei werde nur das Standgeräusch eingetragen, aber nicht, wie viel Lärm so ein Motorrad entwickelt, wenn richtig Gas gegeben wird.

Das Foto zeigt die Vertreter der Kommunen, die sich hinter einem Motorrad aufgestellt haben.

Im September 2019 gaben die Vertreter von sieben Eifelkommunen mit dem Kreis Düren, dem Nationalpark Eifel und dem Bundesverband der Motorradfahrer den Startschuss zur Gründung des Vereins Silent Rider.

Dazu, so informiert der Bundesverband auf seiner Internetseite, müssten die Hersteller auf einem DIN-A-4-Formular erklären, dass alle Lärmgrenzwerte eingehalten würden, auch wenn spezielle Technologien wie serienmäßige Klappensysteme eingebaut wären, mit denen die Schalldämpfer umgangen werden könnten. „Es findet keinerlei Überprüfung der realen Werte durch das Kraftfahrtbundesamt statt“, kritisiert der Verband. Zurzeit werde ein Testverfahren vorbereitet, ergänzt Schmunkamp. „Da ist viel Bewegung drin“, betont er.

Wir sind in Masse noch nicht laut genug, um Erfolg zu haben.
Marco Schmunkamp, Bürgermeister von Nideggen

Doch hörbare Auswirkungen auf die Anwohner hat das alles bisher nicht, das ist auch Schmunkamp klar. „Wir sind in Masse noch nicht laut genug, um Erfolg zu haben“, bedauert er. Die Kommunen hätten kaum eine Handhabe, um ihre Bürger zu schützen. Möglichkeiten biete da das Instrument des Lärmaktionsplans, den eine Gemeinde aufstellen könne.

Dabei spiele den Verwaltungen ein Gutachten der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) über Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-19) in die Hände. „Darin werden Motorräder gleichgestellt mit Lkw mit Anhängern, die eine hohe Belastung verursachen“, so Schmunkamp.

Es ist nicht einfach, Raser mit Blitzanlagen gerichtsfest zu überführen

Auch werde derzeit die Möglichkeit erarbeitet, dass die Kommunen die Überwachung des fließenden Verkehrs in die eigene Hand nehmen könnten, wenn sie mehr als 60.000 Einwohner haben oder sich mit einer anderen Kommune zu so einer Größe zusammenschließen. Denn: „Schnell ist laut“, sagt er. Doch noch gibt es Probleme, Raser mit Blitzanlagen auch gerichtsfest zu überführen, erinnert Schmunkamp an die alte Forderung, Frontkennzeichen auch für Motorradfahrer einzuführen.

Probleme mit Lärm gebe es aber nicht nur in Deutschland. „Es muss für alle deutlich werden, dass es ein europaweites Problem ist“, so der Bürgermeister. Der Bundesverband sei in engem Austausch mit Belgien und den Niederlanden. Doch in anderen EU-Ländern gebe es bereits Maßnahmen, die realisiert worden seien, wie das „Tiroler Modell“. „Da gibt es Regionen, in die nur Motorräder fahren dürfen, die nicht mehr als 90 Dezibel Lärm entwickeln“, erläutert er. Die Erfahrungen damit seien gut. Vor allem sei festzustellen gewesen, dass nicht etwa weniger Motorradfahrer in diese Bereiche gefahren seien, sondern mehr. „Die Lauten stören die Leisen“, schließt Schmunkamp daraus.

Er wünscht sich auch eine Lärmplakette, ähnlich wie die Umweltplakette. Aber auch Schmunkamp ist klar, dass sich kurzfristig wenig ändern wird. „Das sind langwierige Prozesse, eine Hoffnung auf schnelle Ergebnisse sehe ich nicht“, sagt er.