Die kreisweit erste Berufswahlmesse für Arbeitnehmer mit Unterstützungsbedarf fand in der Alten Tuchfabrik in Euskirchen statt.
BerufeMesse in Euskirchen schlägt Brücke ins Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen
Unentschlossen läuft Nadja Müller aus Kall durch die Halle der Alten Tuchfabrik in Euskirchen. Unter dem Motto „Leben – arbeiten – dabei sein“ geht dort der „Markt der Möglichkeiten“, eine Berufswahlmesse für Menschen mit Behinderungen, über die Bühne. Ziel des Angebots ist es, jungen Leuten, die auf der Suche nach einer passenden Arbeit sind, einen umfassenden Überblick über die Angebote in der Region zu verschaffen.
Nadja Müller freut sich über die Chance. Um eine Tätigkeit zu finden, die ihr Freude bereitet, müsse sie die einzelnen Berufsfelder erst einmal kennenlernen, findet die Kallerin. „Kennenlernen und ausprobieren“, ergänzt sie. Dann treibt es sie in Richtung Stand des Berufsbildungszentrums Euskirchen (BZE). Dort werden Handyhalterungen aus Holz hergestellt.
BZE bietet Programme für Menschen mit besonderem Förderbedarf an
„In unserem Projekt BVB-Reha bieten wir berufsberufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen für Menschen mit besonderem Förderbedarf an“, erklärt Nadine Esser vom BZE. Das Projekt widme sich all den Schülern, die die Schule ohne Abschluss verlassen hätten. In den Berufsfeldern Handel, Lager, Logistik und Holz können sie sich im Rahmen der Maßnahme ausprobieren und auch ihren Hauptschulabschluss nachmachen.
In einer Hand hält Müller inzwischen ein Stück Holz, in der anderen ein Schmirgelpapier. Neben ihr schmirgelt Maximilian Meyer. Es sieht so aus, als tue er das nicht zum ersten Mal. „Die Arbeit mit dem Holz liegt mir nahe“, sagt er. Sein Bruder sei Treppenbauer und er könne sich „so etwas Ähnliches“ auch für sich vorstellen. Nadja Müller möchte sich lieber erstmal noch weiter umschauen.
An einer Lasermaschine und einem Computer sitzen zwei junge Erwachsene. Sie gravieren die Namen von einzelnen Besuchern in Flaschenöffner. „Die Auszubildenden aus dem Metallbereich haben den Laser selbst entwickelt“, erklärt Beate Hilzenbecher vom Berufsbildungsnetzwerk Volmarstein, das spezielle Angebote für Menschen auf dem Autismusspektrum anbietet. „Das fängt bei einer Arbeitsplatzanpassung an“, erklärt sie. Reize müssten abgeschirmt werden, die Auszubildenden bekämen dann etwa Noise-Cancelling-Kopfhörer.
Inklusion in der Arbeitswelt funktioniert teils mit einfachen Dingen
Auch spezielle bildgestützte Arbeitsanweisungen könnten schon helfen. Wo die neurotypischen Auszubildenden beispielsweise im Hauswirtschaftsbereich ein schriftliches Rezept bekommen, bekämen die autistischen Teilnehmer ein Rezept, auf dem Rührschüssel und Mixer als Piktogramme abgebildet seien. Solche einfachen Maßnahmen ermöglichten Inklusion in allen Bereichen der Arbeitswelt, erklärt sie. „Mit viel Liebe und viel Aufwand wollen wir jungen Menschen eine berufliche Perspektive eröffnen“, erklärt sie.
Für viele junge Männer an der Schwelle zum Berufsleben ist das Räumfahrzeug vor den Türen der Halle das Highlight der Messe. Mitarbeiter vom Kreis-Bauhof lassen die jungen Besucher ein- und aussteigen. Ein junger Mann erklärt anderen Besuchern das Fahrzeug, als sei es sein eigenes. Doch er arbeite „leider“ nicht beim Bauhof, sondern in den Nordeifelwerkstätten (NEW), sagt er.
Im Kreis Euskirchen gibt es verschiedene Förderangebote
Über die habe der Bauhof heute auch schon einen neuen Praktikanten vermittelt bekommen, erklärt Johannis Oppl vom Abfallwirtschaftszentrum des Kreises. Jetzt müsse erst einmal geschaut werden, ob der Kandidat geeignet und sich den Gefahren bewusst sei. Doch Arbeitsangebote für Förderschüler beim Kreis Euskirchen gebe es nicht nur im Bauhof als Unterstützung der Straßenwärter, sondern auch in der Verwaltung, bei einfachen Tätigkeiten, erklärt Rita Schneidereit vom Kreis: „Zum Beispiel im Scan-Bereich.“ Ausbildungen biete der Kreis zwar auch an, doch dafür brauche es einen Hauptschulabschluss, den eben nicht alle Förderschüler hätten.
Beim Qualifizierungs- und Bildungszentrum Eifel (QuBi.Eifel), einem Angebot der NEW, könnten die jungen Menschen, die in einer Werkstatt arbeiteten, aber ein Zertifikat für verschiedene Lehrgänge erwerben, die von den Industrie- und Handelskammern angerechnet werden, erklärt Silke Müller Kulpa vom QuBi Eifel. Etwa in den Bereichen Baugewerbe, Büro, Gartenbau oder Gastgewerbe. „Jedoch müssen wir immer individuell schauen, wie viel der Einzelne leisten kann.“ Das große Berufs- und Bildungszentrum eröffne demnächst neu in Mechernich.
Nadja Müller steht inzwischen an einem Stand für Landschaftsgartenbau. Patrick Rogers, verantwortlich für die Auszubildenden, erklärt: Es komme nicht darauf an, ob man einen Schulabschluss habe oder eine Behinderung, sondern ob man eine Arbeit gerne mache. Und das gilt nicht nur für den Gartenbau, sondern für alle Tätigkeiten.