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FachkräftemangelExpertin erklärt Chefs im Kreis Euskirchen, wie junge Menschen ticken

Lesezeit 6 Minuten
Das künstlich hergestellte Bild zeigt ein modernes Büro, lichtdurchflutet, mit großen Fenstern, Laptops auf den Tischen und Menschen unterschiedlichen Alters, die konzentriert und glücklich blickend zudammenarbeiten.

So stellt sich die Künstliche Intelligenz die Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen vor. Dass sie aber auch eine Herausforderung sein kann, wurde bei einer Veranstaltung der Dienstleistungs-Genossenschaft Eifel deutlich.

Die Generationen Y und Z ticken anders als die Babyboomer. Ein Vortrag gab Interessierten aus dem Kreis Euskirchen spannende Einblicke.

Am Ende der zweistündigen Online-Veranstaltung ließ Moderator Edmund Komar ein Bild auf den Monitoren der rund 30 Teilnehmer aufploppen: ein modernes Büro, lichtdurchflutet, große Fenster, Laptops auf den Tischen und Menschen unterschiedlichen Alters, die konzentriert und glücklich blickend ihrer Arbeit nachgehen – im Team natürlich.

Zu schön, um wahr zu sein? „Das ist der Künstlichen Intelligenz zum Thema ,Multigenerationenteams' eingefallen“, erklärte Komar. Darum ging es schließlich an diesem Abend, den die Dienstleistungs-Genossenschaft Eifel (DLG) veranstaltete: „Generationen und Werte“.

Moderator zeigte, wie sich KI die künftige Arbeit vorstellt

Was bedeutet es, wenn Menschen unterschiedlicher Generationen zusammenarbeiten? Hat es doch immer schon geben, könnte man sagen. Doch Professorin Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen, machte den Teilnehmern klar, was die aktuelle Situation so besonders macht.

Die jungen Menschen hätten mehrheitlich gelernt, Wünsche zu artikulieren und einzufordern. Sie seien es gewohnt, zu Hause mitzuentscheiden, wohin es in den Urlaub geht, wie die Freizeit gestaltet wird. Das hätten sich die Boomer (geboren vor 1970) mal erlauben sollen.

Diese ältere Generation musste zudem noch massenweise Bewerbungen schreiben, auch Jutta Rump. „Von mir gab es viele, und es gab nicht so viele Ausbildungsplätze“, blickte die Professorin zurück. Als sie dann bei einer Firma unterkam, habe sie diesem Unternehmen „ewige Treue geschworen“. Aus reiner Dankbarkeit.

Leistungsbereit, wenn die Voraussetzungen stimmen

„Glauben Sie, ich hätte es gewagt, nach drei Monaten mit meinem Ausbildungsleiter über meine Work-Life-Balance zu reden?“, fragte sie in die Runde, wohlgemerkt ganz ohne Früher-war-alles-besser-Attitüde.

Die Generationen Y (1985-2000) und Z (2000-2015) haben Rump zufolge andere Sozialisationsmuster als ihre Eltern: „Und gleichzeitig ist sie das knappe Gut.“ Arbeitgeber müssten sich „hübsch machen“ für sie – nicht umgekehrt. Die Marktmacht auf dem Arbeitsmarkt habe sich verändert.

Die Generation X (1970-1985) liege dazwischen, nicht nur, was die nackten Jahrgangszahlen betrifft. Sie, so Rump, hatte nicht diese Marktmacht, musste sich anpassen, habe aber gleichzeitig das vorbereitet, was dann Y und Z mit ihrer Marktmacht weiterbetrieben hätten.

Professorin: So ticken die Generationen Y und Z

Wie geht die junge Generation damit um? Nutzt sie es schamlos aus? Rump wies ein verbreitetes (Vor-)Urteil zurück: „Die junge Generation hat die höchste Leistungsbereitschaft, die wir je gemessen haben“, sagt sie – und nach einer Kunstpause: „Aber es soll Spaß machen, es soll eine Perspektive bieten und es soll Sinn ergeben.“ Kurzum: Die jungen Leute wollten in Bewegung bleiben, ohne die Balance zu verlieren.

Das unterscheide sie von den Babyboomern, die aus Dank, überhaupt eine Stelle zu haben, diese Bedürfnisse mit Fleiß und Disziplin unterdrückten, teils bei sinkender Leistung und steigendem Krankenstand.

Die Jungen schauten sich das maximal 24 Monate an, dann seien sie weg. „Aktiver Umgang mit Wahlmöglichkeiten und geringe Verweildauer“, fasste es die Wissenschaftlerin zusammen. Neben Geld sei Zeit (flexible Arbeitszeiten) eine Währung dieser Generation, die global vernetzt, aber – für den ländlichen Raum durchaus tröstlich – heimatverliebt sei: „Sie lieben es, zu Hause zu sein. Da ist es sicher, da sind Menschen, die ich liebe und die mich lieben. Da kann ich verschnaufen.“

Herausfordernde Zeiten für die Chefs und Chefinnen im Kreis Euskirchen

Was aber bedeutet das für die Arbeitgeber? „Führung ist komplexer geworden“, mutete Rump den Unternehmerinnen und Unternehmen im Online-Plenum eine Wahrheit zu, derer sich die meisten wohl schon bewusst sind. Warum sonst sollten sie sich einer Genossenschaft anschließen, die sich den drängenden Fragen des Fachkräftemangels und der Mitarbeiterbindung widmet?

Nicht wenige von ihnen dürften im Übrigen den Babyboomern oder der Generation X angehören, die die jungen Menschen erzogen haben oder deren Wünsche teilten, sich aber nie trauten, sie auszusprechen.

So benötigten die Chefs (Chefinnen waren wohl eher selten) früher lediglich Fachwissen, erinnerte sich Professorin Rump an ihre Jugendzeit. Soziale Kompetenz? War wünschenswert, aber kein Muss.

Junge Generation ist fordernd und begeisterungsfähig

Die junge Generation heute fordere hingegen einiges ein: gute Aus- und Weiterbildung etwa, Aufgaben gemäß ihren Stärken und Talenten sowie deren Ausbau. Sie wolle in Entscheidungen eingebunden werden und mit ihren eigenen Ideen gehört werden. „Dann“, so die Professorin, „sind sie begeisterungsfähig, dann gehen sie auch die letzte Meile.“ Aber auch nur dann, klingt es nach.

Chef sein heute, das bedeute, junge Leute ans Unternehmen zu binden, das Miteinander der Generationen zu managen, gleichzeitig aber auch vor lauter Veränderungen nicht die Unternehmenskultur zu zerstören und den eigentlichen Zweck des Ganzen nicht aus den Augen zu verlieren: den wirtschaftlichen Erfolg.

Ob die alten Patriarchen in der sich immer schneller entwickelnden Zeit noch das richtige Führungsmodell abbilden, da kann man ein dickes Fragezeichen dran machen
Ralf Holtkötter, Chef der Agentur für Arbeit in Brühl

Das klingt herausfordernd. Ist es auch. Denn neben den unterschiedlichen Lebensläufen und der veränderten Marktmacht in der Arbeitswelt gebe es ja noch die Digitalisierung. Während die Jüngeren „in sie hineintanzen“ (Rump), nähern sich die Älteren den Geheimnissen eines neuen Smartphones meist per Bedienungsanleitung – am besten auf Papier. Und wie gehen die Betagteren damit um, dass den Jüngeren Wünsche erfüllt werden, die zu äußern sie sich nie getraut haben – und es aus Gewohnheit immer noch nicht tun?

„Ob die alten Patriarchen in der sich immer schneller entwickelnden Zeit noch das richtige Führungsmodell abbilden, da kann man ein dickes Fragezeichen dran machen“, wies der Chef der Brühler Arbeitsagentur Ralf Holtkötter auf den Veränderungszwang hin. Das sei aber eine Chance, fügte er hinzu: „Einen Weg zu finden, mit der Vielfalt umzugehen, ist wichtig. Sie kann einem Unternehmen helfen.“ Womöglich könne die Generation X am besten zusammenführen.

Konflikte der Generationen können vermieden werden

„Das Wissen um diese Unterschiedlichkeiten“, nahm Rump den Faden auf, „kann einer Führungskraft helfen zu schauen, was ist möglich, was ist nicht möglich, und wie bekomme ich eventuell aufkeimende Generationenkonflikte und Stereotype in den Griff.“

Denn Konflikte können vermieden werden, wie ein weiterer Teilnehmer deutlich machte: „Ich habe das Glück, mit einem etwas älteren Kollegen zusammenzuarbeiten, der sehr daran interessiert ist, sein Wissen an die junge Generation weiterzugeben.“ Und die nehme das gerne an. „Es ist immer besser, miteinander zu reden als übereinander“, bestätigte Professorin Rump.

Bei all den durchgreifenden Veränderungen: Diese alte Weisheit scheint dann doch für ewig gültig.


Sorge um die, die nicht mitkommen

Die Aussagen von Professorin Jutta Rump zu den Generationen in der DLG-Veranstaltung thematisierten Sozialisationsmuster. „Ich spreche nicht über die Individualität Ihrer Persönlichkeit“, stellte sie ihrem Vortrag voraus. Das könne Generationenforschung nicht leisten.

Eine Gruppe sprach sie an: Kinder, die laut Tests in der vierten Klasse nicht ausreichend lesen können – mit 25 Prozent eine relevante Größe. Das führe zu einer Polarisierung innerhalb dieser Generation.

„Wir haben eine größer werdende Gruppe von jungen Menschen, die wird nicht auf dem Arbeitsmarkt in dieser Form partizipieren können“, stellte die Professorin klar: „Sie würden gerne mit den Arbeitgebern auf Augenhöhe verhandeln, aber diese Möglichkeit werden sie niemals haben.“ Das sei „ein Wahnsinn“ angesichts der Bevölkerungsentwicklung und des Mangels an Arbeits- und Fachkräften.

Ein Thema, das auch Arbeitsagentur-Chef Ralf Holtkötter in letzter Zeit vermehrt anspricht: „Es ist eine Menge Mensch, die wir da links und rechts liegen lassen.“

Man müsse sich verstärkt über die Einstellungskriterien Gedanken machen, auch weil die Firmen nicht mehr die große Auswahl an Personal haben. „Es gibt da Beispiele, dass Mathe bei Maschinenbau kein Hindernis sein muss, wenn man mal genauer hinguckt, wie so eine 5 in Mathe zustande kam“, so Holtkötter.