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Enttäuschung und StreitOrtsumgehungen im Kreis Euskirchen sind in weite Ferne gerückt

Lesezeit 7 Minuten
Ein Lkw fährt an dem Wegweiser der B 266 bei Roggendorf vorbei.

Der Durchgangsverkehr in Roggendorf stört viele Anwohner seit Jahrzehnten. Doch die Hoffnung auf den baldigen Bau einer Umgehung hat erneut einen Dämpfer erhalten.

Der Landrat hatte wegen wichtiger Verkehrsprojekte nachgefragt. Die Antwort aus Düsseldorf ist ernüchternd – und führt zu Streit.

Diese zwei Briefe dürften wenig Freude im Kreis Euskirchen auslösen. Ihr Inhalt macht deutlich: Die Anwohner der Bundesstraßen 266 in Roggendorf und 56 in Euskirchen werden wohl weiterhin mit Verkehrslärm, Emissionen und Gefahren vor ihrer Haustür leben müssen. Der Absender ist NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer von den Grünen. Der Empfänger: Landrat Markus Ramers.

Die SPD im Kreis Euskirchen bringt die Post aus Düsseldorf in Rage. „Es ist nicht zu verstehen, wie die Landesregierung und besonders Minister Krischer mit den Problemen der Bürger vor Ort umgehen“, schimpft ihr Vorsitzender Thilo Waasem. Die Umgehungsstraßen (OU) seien doch keine Luxusprojekte, stellt der SPD-Verkehrsexperte im Kreistag, Hans Schmitz, klar. Es handele sich vielmehr um dringend notwendige Entlastungsmaßnahmen, um die Sicherheit und Gesundheit der Bürger zu schützen.

Euskirchen und Roggendorf: Wenig Hoffnung auf baldige Umgehungen

Was genau treibt die Sozialdemokraten so auf die Zinne? Und warum jetzt? Ramers hatte Anfang Juli Minister Krischer um Sachstandsberichte zu den ersehnten Maßnahmen gebeten. Darin hatte der Landrat deutlich gemacht, wie dringend sie seien.

Zwei Lkw fahren über den Jülicher Ring in Euskirchen.

Treffen sich zwei Lkw auf dem Jülicher Ring: Über die Verkehrsbelastung auf den Ringen können viele Euskirchener längst nicht mehr lachen.

Auf der B266, so Ramers an Krischer, führen täglich 13.500 Fahrzeuge durch Roggendorf. Es handele sich neben der A1 um die „Haupterschließungsachse für Verkehr in Nord-Süd-Richtung“. Den Anwohnern werde bereits seit den 1980er-Jahren eine Verbesserung ihrer Lebenssituation in Aussicht gestellt – eben durch den Bau einer Umgehung. Es seien aufwändige Planungen vorgenommen, aber nicht realisiert worden.

Daran dürfte sich vorerst nichts ändern. Zwar schreibt Krischer, dass das Vorhaben unter der Kategorie „Vordringlicher Bedarf“ im Bedarfsplan für Bundesstraßen stehe. Auch versichert er, „dass das Projekt im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten geplant wird“. So sei der „Fachbeitrag Umwelt“ fertig, es folgten nun die fachtechnischen Untersuchungen zu Lärm und Luftschadstoffen, so der Minister. Er bitte aber zu bedenken, „dass an oberster Stelle die Beseitigung der Unfallhäufungsstellen steht“.

SPD im Kreis Euskirchen ist in Rage über Verhalten der NRW-Regierung

Darauf ziele die vom Land gestartete Sanierungsoffensive ab. Es müssten dringende Brückenersatzbauten realisiert und das Radwegenetz ausgebaut werden. Unter diesen Bedingungen und dem Planungsstand für die Umgehung Roggendorf könne aktuell „noch kein konkreter Zeitplan für die Realisierung des Projekts aufgezeigt werden“, so Krischer.

Auch seine Antwort zur ersehnten Ortsumgehung B 56n in Euskirchen verbessert die Laune vor Ort kaum. Ramers hatte Krischer auf die Bedeutung dieser Bundesstraße als tragende Verbindungsfunktion zwischen Aachen, Düren und Euskirchen und auf die Belastung der Anwohner hingewiesen. Zudem sei sie wichtig für die Landesentwicklungsfläche Prime Site Rhine Region.

Die Wünsche nach einem Ausbau von Straßen und Schienen sind dabei um ein Vielfaches höher als die Kapazitäten bei den Verwaltungen.
Oliver Krischer, NRW-Verkehrsminister

Zwar seien sich Ministerium und Landesbetrieb Straßen NRW „der besonderen Bedeutung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur für die Menschen in der Region bewusst“, so Krischer. Dann aber schreibt der Minister: „Die Wünsche nach einem Ausbau von Straßen und Schienen sind dabei um ein Vielfaches höher als die Kapazitäten bei den Verwaltungen.“ Zudem stelle sich vor allem bei Vorhaben, die nicht der höchsten Dringlichkeitsstufe im Bedarfsplan von 2016 stünden, die Frage der Finanzierung. Im Bundesverkehrswegeplan rangiert die Umgehung Euskirchen lediglich unter „Weiterer Bedarf“.

Die Ampel-Regierung, so Krischer, wolle einen neuen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen aufstellen, voraussichtlich 2025. „Ich gehe davon aus, dass hierbei auch die OU Euskirchen überprüft wird“, erklärt Krischer. Die Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag hätten sich verständigt, vorher keine neuen Planungen in diesem Bereich zu beginnen.

Ramers vermisst politischen Willen der schwarz-grünen Regierung

Das gelte auch für die vorgeschlagene Übernahme von Planungsleistungen durch den Kreis gegen Kostenerstattung. Dabei war man offenbar schon weiter: Wie Ramers dem Minister schrieb, habe Krischers Vorgänger im Amt, der heutige Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), bereits 2020 ein solches Vorgehen für denkbar gehalten. Seitdem jedoch habe es keine Rückmeldung mehr gegeben, so der Landrat an den Minister.

Eine Rückmeldung hat Krischer nun gegeben, allerdings keine, die die Befürworter einer Umgehung in Euskirchen erfreuen dürfte. Angesichts der geplanten Neuaufstellung des Bedarfsplans „sollten wir zunächst einmal die weiteren Entwicklungen auf der Bundesebene abwarten“, antwortete der Minister.

Ramers macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. „Die Antworten waren sehr ernüchternd für uns“, sagt der Landrat. Er vermisse den politischen Willen der Landesregierung, zwei so bedeutende Achsen der Verkehrsinfrastruktur endlich mal anzupacken. Es müsse endlich Bewegung in die Sache kommen. „Wir stehen mit unserer Initiative bereit, um auch den betroffenen Anliegern zu signalisieren, dass wir uns aktiv für die Lebensqualität der Menschen vor Ort einsetzen und gleichzeitig die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung der Region vorantreiben wollen“, so der Sozialdemokrat.

Landtagsmitglied Voussem kritisiert den Landrat – der wehrt sich

Ramers‘ Genossen werden da noch deutlicher. „Die Menschen in Roggendorf und Euskirchen sind seit Jahren Opfer einer unerträglichen Verkehrssituation. Lärm, Abgase und die Gefährdung der Sicherheit sind nicht zumutbar“, sagt das Schleidener Kreistagsmitglied Wolfgang Heller.

Dabei lenken sie auch den Fokus auf den CDU-Wahlkreisabgeordneten. „Klaus Voussem schmückt sich gerne mit seinem angeblich so großen Einfluss in Düsseldorf, aber trotzdem schafft er es als stellvertretender Fraktionsvorsitzender nicht, die Dinge für die Bürger vor Ort voranzubringen“, gibt Hans Schmitz zu Protokoll. Die Menschen in Roggendorf und Euskirchen müssten weiter mit der massiven Verkehrsbelastung leben, während Voussem scheinbar machtlos zusehe: „Es reicht aber nicht nur Sonntagsreden auf CDU-Kreisparteitagen zu halten.“

Es ist nicht zu verstehen, wie die Landesregierung und besonders Minister Krischer mit den Problemen der Bürger vor Ort umgehen.
Thilo Waasem, SPD-Kreisvorsitzender

Voussem spielt den Ball zurück ins Feld der SPD. Er habe im Januar 2020 bei Wüst das Angebot einer Planvereinbarung für die OU Euskirchen übermittelt. Damit es schneller geht, sollte der Kreis planen können und hätte die Kosten dafür vom Land erstattet bekommen. „Jetzt stelle ich im Herbst 2024 fest, dass da überhaupt nichts gemacht worden ist“, zeigt sich Voussem entsetzt über Ramers. Er sei erschüttert, dass der jetzt bei Krischer nachfrage, ob da noch was zu machen sei.

Wie sowas geht, habe die Stadt Mechernich bei der Planungsvereinbarung zur B 265 zwischen Stadt und Bund gezeigt. Dass Krischer nun abwarten wolle, wie sich die „SPD-geführte Bundesregierung“ zum Bundesverkehrswegeplan im Allgemeinen und zur B56n im Besonderen aufstelle, sei vernünftig, nimmt Voussem seinen Koalitionspartner in Schutz. „Ich frage mich aber: Wann soll das noch geschehen bis zur Bundestagswahl?“ Die Ampel habe das bisher jedenfalls verschlafen. Da könne aber weder Krischer noch er, Voussem, etwa dafür.

Voussem trauert alter Möglichkeit nach: „Hätte man das mal gemacht“

Der Landrat wiederum reagiert scharf auf Voussems Vorwurf der Untätigkeit. „Das ist schon frech gelogen“, so Ramers: „Seit mehreren Jahren liegt der Landesregierung der Entwurf der Verwaltungsvereinbarung durch uns vor. Das Thema war mehrfach im Kreistag und wir haben in vielen Gesprächen mit Straßen NRW immer wieder nachgebohrt und nie eine Antwort erhalten.“ In Sachen Umgehung Roggendorf liege man hingegen gar nicht so weit auseinander, konzediert Voussem: „Wir sind da, ehrlich gesagt, in einem frühen Planungsstadium.“ Das sei in der Tat nicht schön, es sei insofern aber nachvollziehbar, dass der Verkehrsminister keine zeitlichen Planungen nennen könne.

Voussem erinnert daran, dass Straßen NRW vor mehr als zehn Jahren schon mal eine Planung vorgelegt hatte, die dem Bund aber zu teuer gewesen sei. „Hätte man das mal gemacht“, trauert er dieser Möglichkeit noch nach: „Heute ist es wohl um ein Vielfaches teurer.“ Die SPD-Kreistagsfraktion jedenfalls fordert die Landesregierung auf, unverzüglich zu handeln und die Planungen voranzutreiben. „Es geht hier nicht um politische Spielchen, sondern um das Wohl und die Gesundheit der Menschen in unseren Gemeinden“, so Heller und Schmitz.


Euskirchen und Roggendorf: So sehen die bisherigen Pläne aus

Die bisherigen Pläne für Ortsumgehung Roggendorf sehen vor, dass die von der Kreuzung beim Abfallwirtschaftszentrum nördlich an Roggendorf vorbei führt und kurz hinter dem Ortsausgang etwa auf Höhe der Eichenwaldsiedlung auf die alte Trasse stößt. Die Kosten für diese Variante liegen nach Schätzungen von vor einigen Monaten bei rund 20 Millionen Euro.

Die B56n in Euskirchen mit einer Länge von 7,1 Kilometern soll den Zülpicher Autobahnzubringer an die A1 mit dem Industriepark am Silberberg und der LEP-6-Fläche zwischen Weilerswist und Euskirchen verbinden. Mit der bereits fertiggestellten B 56 bei Düren und der L 210 in Richtung Heimerzheim würden durch die Euskirchener Nordumgehung auch die A4 und die A61 miteinander verknüpft. Die Kosten für den zweispurigen Ausbau wurden vor einigen Jahren auf 33,8 Millionen geschätzt.